SPD fordert Geld für Schulsozialarbeit
Sie sind viel mehr als Konfliktlöser – Der Stellenausbau könnte ins Stocken geraten
(kab) - Sie schreiten bei Mobbing ein und erarbeiten mit der ganzen Klasse Spielregeln für ein gutes Miteinander: An den meisten Schulen im Land sind Sozialarbeiter nicht mehr wegzudenken. Ihre Zahl hat sich in den acht Jahren mehr als verdoppelt. Die SPD im Landtag wirft der grün-schwarzen Regierung vor, für einen weiteren Ausbau der Schulsozialarbeit im Südwesten zu wenig Geld einzuplanen. „Tun Sie was dafür, dass dieser wichtige Baustein einer guten Schule auch eine Zukunft hat“, forderte Rainer Hinderer am Donnerstag.
- Früher waren sie ein Symptom für Probleme, heute gelten sie als Gütesiegel: An den meisten Schulen in Baden-Württemberg sind inzwischen Schulsozialarbeiter aktiv. Seit 2012 hat sich die Stellenzahl von 800 auf 1800 mehr als verdoppelt – nun droht ein Ende des Ausbaus. Warum das so ist und was das bedeutet:
Warum braucht es Schulsozialarbeiter?
Lehrer müssen zunehmend mit einer höchst unterschiedlichen Schülerschaft klarkommen. „Kinder bringen heute so viele Herausforderungen in die Schule mit, dass Lehrer an ihre Schranken stoßen“, sagt Ingo Hettler vom Netzwerk Schulsozialarbeit Baden-Württemberg. Hier können Sozialarbeiter helfen: Sie beraten einzelne Schüler bei Problemen, die sie zu Hause oder auch mit anderen Mitschülern haben. Sie sind auch stark präventiv tätig, indem sie etwa mit einer Klasse Spielregeln für ein gutes Miteinander aufstellen. „Je mehr Prävention ich machen kann, desto weniger muss ich Feuerlöscher sein“, sagt Hettler. In der Praxis sei ein Sozialarbeiter aber meist beides: Er schreitet etwa bei Fällen von Mobbing ein.
Warum sind so viele Stellen geschaffen worden?
Das geht zurück auf die grün-rote Vorgängerregierung. Sie hat entschieden, dass sich das Land wieder freiwillig an den Personalkosten beteiligt. Damals war die Rede von einer Drittelfinanzierung des Landes: Je ein weiteres Drittel übernehmen die Städte und Gemeinden als Schulträger sowie die Land- und Stadtkreise als Jugendhilfeträger. Inzwischen sind an 60 Prozent aller allgemeinbildenden Schulen und an 70 Prozent aller beruflichen Schulen Schulsozialarbeiter aktiv.
Wie geht es weiter?
Darüber hat am Donnerstag der Landtag auf Initiative der SPD gestritten. Diese wirft der grünschwarzen Landesregierung vor, sich aus der Drittelfinanzierung zu verabschieden. „Sie gefährden die Schulsozialarbeit im Bestand und blockieren den weiteren Ausbau“, hielt ihr Sozialexperte Rainer Hinderer der Koalition vor.
Reduziert die Landesregierung das Geld für Schulsozialarbeit?
Nicht direkt. Doch Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) sagte der „Schwäbischen Zeitung“klar: „Der Fokus liegt jetzt auf der Bestandssicherung und Qualitätssteigerung, nicht auf dem Ausbau.“Zwar hat das Land die Mittel seit 2012 stetig aufgestockt – von 15 Millionen auf aktuell 27,5 Millionen Euro pro Jahr. Der Städtetag kritisiert derweil, dass von einer Drittelfinanzierung lange schon keine Rede mehr sein könne. Pro Stelle zahlt das Land 16 700 Euro. Tatsächlich koste ein Schulsozialarbeiter indes 66 000 Euro – ein Drittel wären also 22 000 Euro. „Den größten Bedarf haben noch die Grundschulen“, sagt Norbert Brugger, Bildungsdezernent beim Städtetag. Er fordert mehr Geld vom Land, auch um den Ausbau der Stellen für Schulsozialarbeiter nicht zu gefährden. Die gesetzliche Verantwortung liege bei den Kommunen, betont indes Lucha. „Unser Engagement ist eine freiwillige Leistung, der wir nachkommen.“An der bestehenden Förderung werde nicht gerüttelt.
Wie hoch ist das Budget des Landes für Schulsozialarbeit?
Genaue Zahlen nannte Lucha noch nicht. Er verwies auf den Entwurf des Doppelhaushalts für 2020 und 2021, den seine Parteifreundin und Finanzministerin Edith Sitzmann Anfang November im Landtag einbringen werde. Der Sozialexperte der CDU-Fraktion, Stefan Teufel, hat es im Landtag so ausgedrückt: „Für die CDU-Fraktion gibt es keinerlei Überlegungen, die Haushaltsansätze zu kürzen oder zu streichen.“Von einer Aufstockung hat aber weder er, noch sein Grünen-Kollege Thomas Poreski gesprochen. Jürgen Keck (FDP) warf ein: „Es ist mir unerklärlich, wie man ständig der Ausweitung des Sozialstaats das Wort reden kann, ohne an eine solide Finanzierung zu denken.“Auch Lucha verwies auf eine schwieriger werdende Haushaltslage – was die SPD mit lautem Gelächter kommentierte.
Sind die Kommunen in der Pflicht?
Auch sie haben keine gesetzliche Verpflichtung, Stellen für Schulsozialarbeiter zu schaffen, betont der Städtetag in einem Entwurf, der der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt. Über diesen wird der Schulausschuss des Verbands im November beraten. Bildungsdezernent Brugger befürchtet, dass der Stellenausbau ins Stocken geraten werde, wenn das Land die Mittel nicht deutlich erhöht.
Ist die Schulsozialarbeit nun unter Druck?
Ingo Hettler vom Netzwerk Schulsozialarbeit stellt zunächst das Erreichte in den Vordergrund: den massiven Ausbau in den vergangenen Jahren. „Wir würden uns natürlich wünschen, dass Sozialarbeit ein Regelangebot an Schulen ist.“Hierbei sieht er die Kommunen und das Land gleicherweise in der Verantwortung.