Im Schwarm Geld investieren
Crowdinvesting lockt mit hohen Renditen – Doch auch das Risiko ist groß
(dpa) In Zeiten von Mini-Zinsen halten Anleger zunehmend Ausschau nach lukrativen Anlagemöglichkeiten. Vielen erscheint Crowdinvesting attraktiv. „Crowd“heißt übersetzt „Schwarm“. Es geht um Investitionen, die durch eine große Anzahl von kleinen Beträgen über spezielle Internetplattformen finanziert werden.
„Plant ein Anbieter, zum Beispiel ein Start-up, eine kostenintensive Investition, kann er versuchen, das nötige Kapital über Crowdinvesting zu erhalten“, erklärt Ralf Scherfling von der Verbraucherzentrale NRW in Düsseldorf. Der Mindestbetrag liegt bei manchen Plattformen bei zehn Euro, bei einigen sogar nur bei fünf Euro. Finanziert werden damit nicht nur Start-ups, sondern auch mittelständische Unternehmen, Immobilien sowie gezielt Projekte aus bestimmten Branchen wie etwa dem Energiesektor oder der Filmbranche.
Der Ertrag scheint vielen Anlegern verlockend. Oft gibt es mehr als fünf Prozent Rendite pro Jahr. „Allerdings ist eine jährlich konstante Rendite nur bei etablierten Unternehmen und klassischen Immobilieninvestments zu erwarten“, sagt Professorin Ingrid Größl, Vorstand des Instituts für Finanzdienstleistungen (iff) in Hamburg. Der Grund für die vergleichsweise hohe Rendite: Das Risiko bei Crowdinvesting ist im Schnitt höher als bei herkömmlichen Anlagen. Scheitert das zu finanzierende Projekt, verlieren Anleger ihr Geld ganz oder zumindest teilweise.
Ungeachtet dieses Risikos: „Die Zahl der Anleger, die auf Crowdinvestitionen setzen, nimmt zu“, sagt Brigitte Mayer von der Verbraucherzentrale Hessen. Nach Angaben des Informationsportals crowdfunding.de flossen im Jahr 2018 insgesamt 297 Millionen Euro von Privatanlegern in Crowdinvesting-Projekte. Dies bedeutet gegenüber 2017 ein Wachstum von 50 Prozent. Mayer macht als Ursachen für diesen Zuwachs neben dem Niedrigzinsumfeld auch einen gewissen Spieltrieb aus. „Crowdinvestitionen sind eine
Spielerei und weniger eine Geldanlage oder eine solide Altersvorsorge“, sagt sie.
Das Argument, dass selbst MiniSummen von Anlegern willkommen sind, zieht aus Scherflings Sicht nicht. „Wer sich mit kleinen Beträgen an Unternehmen beteiligen möchte, kann dies alternativ schon heute über geeignete Investmentfondssparpläne realisieren, ohne das Risiko eines Totalverlustes zu haben“, betont er.
Ist für einen Anleger dennoch ein Crowdinvesting-Projekt von Interesse, dann sollte er das konkrete Projekt genau unter die Lupe nehmen. Im Blick sollte er vor allem haben, ob Kosten und Risiken transparent dargestellt werden, wie hoch die Kosten sind und wie realistisch der Anleger den Zeitplan und die Prognosen zu Gewinnen und Renditen einstuft, empfiehlt Scherfling.
Wer über eine Plattform im Internet investieren möchte, muss als erstes deren Seriosität einschätzen. „Dies gilt umso mehr, wenn der Anleger zunächst an die Plattform zahlt und diese es zu einem späteren Zeitpunkt an das Projekt weiterleitet“, betont Scherfling. In dem Fall stellt sich zusätzlich die Frage, was mit dem Geld im Fall der Insolvenz der Plattform geschieht. Oder was passiert, wenn die für das Projekt nötige Mindestsumme nicht eingesammelt wird. „Erfahrungen anderer Nutzer und Siegel können hier eine Hilfe sein, sollten aber keinesfalls die einzige Grundlage für ein Crowdinvesting sein“, rät Scherfling.
Zudem können Anleger das Risiko streuen, indem sie in unterschiedliche Unternehmen und Branchen investieren. „Klein halten sollte man wegen ihrer noch nicht gefestigten Stellung am Markt Start-ups, groß hingegen Immobilien“, rät Größl. Eine Ausnahme sind ihr zufolge Immobilienentwicklungsprojekte. Sie sind sehr riskant.
Generell gibt es viele Varianten der Beteiligung – etwa Genussrechte, Inhaberschuldverschreibungen, Darlehen oder stille Beteiligung. „Eine gängige Variante ist zum Beispiel, dem Projektinhaber ein Nachrangdarlehen
zu gewähren“, sagt Scherfling. In der Regel gibt es im Gegenzug neben der zugesagten Rückzahlung am Laufzeitende nur ein Renditeversprechen oder eine fest zugesagte Gegenleistung. Beides kann im Fall einer Insolvenz aber schnell wertlos sein. „Andere Sicherheiten gibt es oft nicht“, so Scherfling. Auch die Laufzeiten schwanken: „Ein Jahr ist genauso möglich wie fünf Jahre“, sagt Größl. Anleger sollten zudem darauf achten, ob vorzeitig gekündigt werden kann und welche Kosten dadurch entstehen.
„In jedem Fall muss es ein Vermögensanlagen-Informationsblatt geben, das Anleger zwingend lesen sollten, bevor sie investieren“, betont Mayer. Es ist maximal drei Seiten lang. Darin wird das zu finanzierende Projekt beschrieben und Kosten und Provisionen offengelegt. Auch Laufzeiten und Kündigungsfristen sind festgelegt. „Anleger sollten auf klare Formulierungen achten“, so Mayer. Im Zweifelsfall gilt: Besser die Finger von dem Projekt lassen, als es zu finanzieren.