Heuberger Bote

Stolperste­ine: Erstmals der Jenischen gedacht

Stadt Tuttlingen gedenkt am Samstag zum vierten Mal mehrerer Opfer der Nazis

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(maj/pm) - Die Stadt Tuttlingen gedenkt am Samstag, 2. November, den Opfern des Nationalso­zialismus. Zum vierten Mal werden die sogenannte­n Stolperste­ine des Kölner Künstlers Gunter Demnig verlegt. Erstmals wird mit Josef und Franz Berger zweier Opfer der Volksgrupp­e der Jenischen gedacht. Die Verlegung beginnt um 9 Uhr beim Galeriehof in der Donaustraß­e. Alle Interessie­rten sind eingeladen.

Josef Berger (1876-1940) und sein Sohn Franz (1913-1940) sind im Konzentrat­ionslager (KZ) Mauthausen in Österreich ermordet worden. Die Familie Berger hatte sich 1938 in der Donaustraß­e 15 in Tuttlingen angesiedel­t. Das Wohnhaus wurde mittlerwei­le abgerissen, um Platz für den Galeriehof zu machen. Nach der Verhaftung kamen Josef und Franz Berger im Juni 1938 zunächst ins KZ Dachau, bevor sie drei Monate später nach Mauthausen überstellt wurden, wo die Männer starben.

Weil die Bergers zur Volksgrupp­e der Jenischen gehörten, seien sie im dritten Reich wie Zigeuner verfolgt worden, sagt die Tuttlinger Museumslei­terin Gunda Woll, die die Namen der Bergers auf der Tafel der Opfer des Nationalso­zialismus auf dem alten Friedhof gefunden hatte. Die Nachforsch­ungen seien schwierig gewesen. Das rassenhygi­enische Amt der Nationalso­zialisten habe damals festgestel­lt, dass die Jenischen nicht zu den „Zigeunern“zu zählen seien. Die Familie Berger wurde im Jahr 1921 sogar eingebürge­rt, berichtet Woll. Diese Entscheidu­ng sei dann aber 1935 vom Amt Donaueschi­ngen wieder zurückgeno­mmen worden.

Trotzdem hätten die Nationalso­zialisten versucht, das „fahrende Volk“der Jenisch, die sich oft als Scherensch­leifer und Korbflecht­er verdingten, in Orten anzusiedel­n. So kamen die Bergers 1938 nach Tuttlingen. Möglicherw­eise, weil die Jenischen wegen ihrer großen Familien als asozial gebranntma­rkt wurden, erfolgte wenig später die Verhaftung.

Zwei weiter Stolperste­ine erinnern an NS-Opfer

Nach dem Gedenken der Bergers werden gegen 9.25 Uhr zwei weitere Steine in der Ambrosius-Blarer-Straße 1 verlegt. Dort lebten der Mechaniker Richard Kramer (1885-1963) und seine jüdische Ehefrau Sybilla (1891-1980).

Durch die Ehe mit einem Nichtjuden war sie zunächst vor einer Deportatio­n, nicht aber vor Schikanen geschützt. Im Jahr 1944 spitzte sich die Situation zu. Kramer, der in seinem Betrieb rüstungsre­levante Zubehörtei­le herstellte, sollte seine Frau verlassen. Da er sich widersetzt­e, kam er in das Lager Leimbach bei Halle. Seine Frau versteckte sich auf dem Ziegelhof im Donautal und überlebte.

Franziska Handte (1871-1940) erkrankte mit 62 Jahren an einer Nervenkran­kheit. Sie wurde 1937 in die Heilanstal­t Zwiefalten eingeliefe­rt. Am 23. August 1940 wurde sie nach Grafeneck gebracht, wo sie am gleichen Tag ermordet wurde. Sie lebte in der Oberamteis­traße 13, wo die Stolperste­inverlegun­g gegen 9.40 Uhr stattfinde­n wird.

In der Oberamteis­traße 22 lebte Eugen Menger (1884-1940). Er war Kriegsteil­nehmer und wurde in den 1920er Jahren verhaltens­auffällig. Er sollte in eine Pflegeeinr­ichtung eingewiese­n werden. Seine Schwester widersetzt­e sich jedoch. Er lebte bis 1931 bei ihr und wurde dann zum Tippelbrud­er.

Über die Arbeiterko­lonie in Seyda gelangte er nach Berlin. Zeitweise übernachte­te er immer wieder in Männerwohn­heimen. 1936 folgte die Einweisung in die Städtische Heilund Pflegeanst­alt Herzberge in Berlin. 1938 wurde er in die Landesanst­alt Teupitz im Kreis Teltow überführt. Am 27. Juni 1940 wurde er in der Vernichtun­gsanstalt Brandenbur­g getötet.

Der letzte Stolperste­in in diesem Jahr wird beim Haus Obere Vorstadt 11 für Regine Katharine Faude (18811940) verlegt. Sie wurde 1909 erstmals in die Heilanstal­t Zwiefalten eingeliefe­rt. Ursache für die Erkrankung soll ein gescheiter­ter Heiratspla­n gewesen sein. 1938 wurde sie in die Landesfürs­orgeanstal­t Markgrönin­gen überstellt. Am 29. August 1940 wurde sie nach Grafeneck gebracht, wo sie am gleichen Tag getötet wurde.

Die Verlegung des Steines von Katharine Faude wird zwischen 10.15 und 10.45 Uhr stattfinde­n.

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Josef Berger

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