Leipzig überrollt Wolfsburg
Nach dem höchsten RB-Sieg im DFB-Pokal ließen sich die überglücklichen und stolzen Leipziger von ihren Fans ausgiebig feiern. 6:1 (1:0) – und das im Bundesliga-Duell beim bis dahin wettbewerbsübergreifend ungeschlagenen VfL Wolfsburg. „So ein Spiel wie heute zeigt, zu was wir in der Lage sind“, betonte RB-Mittelfeldantreiber Diego Demme. „Die Leipziger waren eiskalt und gnadenlos, als wir unser Konzept verloren haben“, sagte VfL-Sportdirektor Marcel Schäfer. Nach einem Eigentor durch Wolfsburgs Jeffrey Bruma (13.) machten Marcel Sabitzer (55.), Emil Forsberg (58.), Konrad Laimer (61.) und (68./88./Foto: dpa) am Mittwoch in einer furiosen zweiten Halbzeit den Einzug ins Achtelfinale perfekt. Wout Weghorst verkürzte noch (89.). (dpa)
Timo Werner
Walter will nach außen hin der unbestrittene Anführer und Entscheider sein, der sich nicht beeinflussen lässt. Dennoch war der am Ende glückliche Sieg im Pokal beim HSV viel mehr als nur eine Revanche für die drei Tage zuvor erlittene herbe Niederlage. Er war vor allem eines: ein Beweis dafür, dass auch Walter nicht nur volle Power, sondern auch clever taktieren kann. Keine individuellen Fehler mehr, kein hohes Anrennen des Gegners um jeden Preis (koste es Räume, wie es wolle), stattdessen Kontrolle und Stabilität und im richtigen Moment zur Stelle sein. Nun weiß die Welt: Walter kann auch das.
Nach außen blieb der gebürtige Bruchsaler unverändert selbstbewusst. Er weiß: Zeigt er Schwäche, kann das in einem sensiblen Umfeld wie Stuttgart als erster Riss wahrgenommen werden. „Ich sage, dass wir gut sind und dass wir auf einem guten Weg sind. Das habe ich auch nach den drei Niederlagen gesagt. Da haben mich alle ausgelacht“, sagte er. „Wir hatten auch vorher keinen Knotenpunkt. Das haben uns nur alle angedichtet.“
Doch ganz so einfach ist es dann doch nicht. „In der Verlängerung zu gewinnen, ist eine der schönsten Sachen. Das Selbstvertrauen war nie richtig weg, wächst aber natürlich durch so einen Sieg“, erklärte Aushilfslinksverteidiger Gonzalo Castro. Der Ex-Nationalspieler spielte wie nach seiner Einwechslung beim ersten Duell mit dem HSV in der Viererkette für Emiliano Insua, der es diesmal nicht mal in den Kader schaffte. Die vielen Wechsel zeigen auch: Es arbeitet ständig in Walter. Auch Stammtorhüter Gregor Kobel saß nur auf der Bank, im Pokal dürfe Fabian Bredlow ran, begründete Walter. Bei der Erklärung für die übrigen Wechsel war der Trainer schon wieder voll in seinem Element: „Ich habe nochmal durchgewechselt, damit alle denken, ich habe noch keine Formation gefunden.“
Da war sie wieder, die Walter-Ironie, die ihm so gerne als Arroganz ausgelegt wird. Dabei ist seine Art offen und direkt, sein Draht zu den Spielern eng, reflektiert ist er ohnehin. War Innenverteidiger Holger Badstuber zu Beginn der Saison noch oft außen vor und ein Spieler unter vielen, den Walter nur im Kollektiv nannte, um keine Diskussion aufkommen zu lassen, geriet Walter nun ins Schwärmen. „Er hat der Mannschaft Erfahrung und seine Präsenz gegeben. Holger hat mit Bayern München Titel gewonnen. Das strahlt er aus. Das ist vor allem für die Mitspieler wichtig, die noch nicht so viel Erfahrung haben“, lobte Walter. Überhaupt war die Defensive nach diesem Durchhänger im Fokus. „Es war einfach wichtig, dass wir hinten Stabilität reinkriegen“, sagte Nicolas Gonzalez.
Sportdirektor Sven Mislintat bezeichnete die Vorstellung in Hamburg als „sehr gute Antwort auf die berechtigte Kritik in den vergangenen Tagen“. Dass diese Antwort mit allem anderen als dem sonst bekannten Walter-Fußball gegeben wurde – einerlei. Allgemein wird der Trainer nicht müde zu betonen, dass sein Fußball Zeit benötige. Um die zu bekommen, sind – das beweist Hamburg – auch kleine Kompromisse möglich. „Ballbesitz dauert Zeit, und ich bin einfach von meinen Jungs überzeugt. Sie haben die Moral und den Teamspirit gezeigt“, sagte Walter. Und nicht nur das: „Wir haben auch gezeigt, dass uns solche Dinge nicht umwerfen können.“
Aber: Verlieren die Schwaben wie zuvor gegen Kiel und Wiesbaden am Sonntag gegen Dynamo Dresden (13 Uhr/Sky) erneut gegen ein Team auf einem Abstiegsplatz, droht nicht nur das Abrutschen auf Rang vier. Sondern ein weitaus heftigeres Medienecho und mehr Pfiffe als zuletzt. Dann wird sich zeigen, ob die erste Krise in der Walter-Ära beendet ist oder nur unterbrochen war.
Oliver Ofentausek, Trainer des Verbandsligisten TSV Berg, lässt seine Spieler im Training Pässe zählen und auf sechs Tore spielen. Unsere Anschwitzer sind begeistert.
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