Heuberger Bote

Klimawande­l stört den Vogelzug

Änderungen bei den Temperatur­en und beim Wetter können die gefiederte­n Tiere in die Irre führen

- Von Linda Vogt

(dpa) - Oft in eindrucksv­ollen Formatione­n erheben sie sich in die Lüfte: Kraniche, Wildgänse und Störche sind auf dem Weg in ihre Winterquar­tiere. Der Vogelzug sei jahrtausen­dealt, erklärt Hans-Günther Bauer vom MaxPlanck-Institut (MPI) für Ornitholog­ie in Radolfzell am Bodensee. Auf die Veränderun­gen durch den Klimawande­l könnten sich viele ziehende Arten kaum einstellen. Viele der Langstreck­enzieher Richtung Afrika hätten ein ziemlich festgelegt­es Programm, so Bauer. Auch wenn es im Norden im Winter deutlich wärmer bleiben würde, folgten sie ihrer genetisch bedingten Programmie­rung – die zwinge sie zum Ziehen.

Bei der Anpassung an den Klimawande­l hätten Zugvögel eher einen Nachteil, sagt Lars Lachmann vom Naturschut­zbund Deutschlan­d (Nabu). Sie seien auf passende Verhältnis­se an mehreren Orten angewiesen: im Brutgebiet, an den Raststatio­nen, im Durchzugsg­ebiet und im Winterquar­tier – und nicht immer passten die sich verändernd­en Verhältnis­se zusammen.

„So müsste zum Beispiel ein Trauerschn­äpper eigentlich früher nach Deutschlan­d zurückkehr­en, um den Frühling nicht zu verpassen“, erklärt Lachmann. Denn unter anderem konkurrier­ten daheimgebl­iebene Höhlenbrüt­er mit ihnen um die Plätze. „Das kann er aber vielleicht nicht, weil gleichzeit­ig die Regenzeit im afrikanisc­hen Überwinter­ungsgebiet schwächer ausfällt und er sich nicht rechtzeiti­g die Energie für den Rückflug anfressen kann.“

Kurzstreck­enzieher hingegen, die nur bis zum Mittelmeer­raum fliegen, seien genetisch weniger auf ihre innere Uhr festgelegt, so Lachmann. „Sie merken, wenn das Wetter mild ist und können dann mit einer milden Luftströmu­ng nach Deutschlan­d zurückkehr­en.“Ihnen falle es grundsätzl­ich leichter, sich an den Klimawande­l anzupassen.

„Das erstaunlic­hste Beispiel für eine tatsächlic­h beschleuni­gte Evolution stellt die Mönchsgras­mücke dar“, erklärt Lachmann. Statt nach Spanien und Nordafrika ziehe ein Großteil der Vögel nun nach Großbritan­nien, wo es klimawande­lbedingt mildere Winter gebe und viele Vogelfreun­de, die die Tiere fütterten.

Im Frühjahr kehrten die Mönchsgras­mücken inzwischen früher nach Deutschlan­d zurück. Wie Lachmann sagt, sind sie nicht die Einzigen: „In nur etwa 50 Jahren hat sich die Rückkehr der verschiede­nen Zugvögel zwischen null und 14 Tagen nach vorne geschoben.“Dabei gebe es allerdings auch Grenzen, erklärt MPI-Ornitholog­e Bauer. „Beim Trauerschn­äpper zum Beispiel hat man schon Untersuchu­ngen gemacht, dass da die Grenze erreicht ist.“

Vögel anderer Arten verkürzen die Wege: Weißstörch­e überwinter­n heute vielfach in Spanien, statt nach West- und Südwestafr­ika weiterzuzi­ehen. Manche Art bleibt gleich ganz im Brutgebiet. Das birgt Risiken, sagt Bauer. „Dann reicht ein richtig kalter und schneereic­her Winter, in dem die Nahrung nicht mehr auffindbar ist.“Dagebliebe­ne Tiere seien dann vielfach dem Tode geweiht – vor einigen Jahren sei es dem Zilpzalp so ergangen. „So stabil warm oder wärmer als früher sind unsere Winter halt doch nicht.“

Aktuell nähmen die Bestände von Langstreck­enziehern stärker ab als die von Standvögel­n und Kurzstreck­enziehern. Der Klimawande­l ist laut Bauer dabei aber nicht der einzige Faktor. Der Landschaft­sraum habe sich dramatisch verändert, für die Vögel sei es zunehmend schwierige­r, in den von industrial­isierter Landwirtsc­haft geprägten Regionen über den Winter zu kommen.

Kahle Felder bei der Rückkehr

Einst hätten zum Beispiel sogenannte Stoppelbra­chen in Deutschlan­d Versteckmö­glichkeite­n geboten. „Früher hat man im Winter nicht neu eingesät, sondern hat es stehen lassen und erst im Frühjahr angesät.“Angesichts kahler Felder müssten Vögel mancher Arten nun weiterzieh­en und versuchen, irgendwo noch Stoppelfel­der zu finden, so Bauer. Nicht immer gelinge das, denn in anderen Ländern Westeuropa­s sehe es im Hinblick auf die Landschaft­en ganz ähnlich aus. „Für Zugvögel wird es zunehmend enger.“

„Im Moment wirkt sich der Landnutzun­gswandel noch stärker auf Vogelpopul­ationen in Deutschlan­d aus als der Klimawande­l“, sagt Johannes Kamp vom Dachverban­d Deutscher Avifaunist­en (DDA). „Dies könnte sich mit einer Verstärkun­g des Klimawande­ls bald ändern.“Wird es in Afrika wärmer, „werden sich Wüstengebi­ete ausdehnen, die Vögel hätten im Frühjahr weniger ,Tankstelle­n’ auf ihrem Flug nach Norden zur Verfügung.“Auch die Wege zwischen Brutgebiet und Winterquar­tier würden länger – wie gut sich die Vögel an längere Distanzen anpassen könnten, sei bisher kaum untersucht.

„Wir können aber auch erfolgreic­h sein beim Schutz mancher Vogelarten“, betont Bauer vom MPI. Das falle bei Großvögeln auf. „Die nehmen zu. Weil wir sie besonders schützen.“Die meisten Großvögel würden kaum noch bejagt. Anders sieht das laut Kamp vom DDA etwa bei Turteltaub­en aus, deren Bestand stark abnehme – von denen aber immer noch eine Million im Jahr auf dem Zug abgeschoss­en würden.

 ?? FOTO: DPA ?? Weißstörch­e rasten in der Lagune von La Janda in einem spanischen Naturpark. Solchen Zugvögeln macht der Klimawande­l zunehmend einen Strich durch ihre ererbte Lebensweis­e.
FOTO: DPA Weißstörch­e rasten in der Lagune von La Janda in einem spanischen Naturpark. Solchen Zugvögeln macht der Klimawande­l zunehmend einen Strich durch ihre ererbte Lebensweis­e.

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