Heuberger Bote

Ärger mit der Airline

Von Verspätung oder Ausfällen betroffene Kunden erhalten digitale Hilfe in Form einer App

- Von Wolfgang Mulke

- Der Urlaub im November auf den Kanaren schien für Dominik B. ein Schnäppche­n zu werden. 140 Euro kostete das Flugticket bei Easyjet, hin und zurück. „Der Preis war absurd“, sagt der Freiburger. Ende August teilte die Airline ihm dann mit, dass der Flug annulliert worden sei. „Wahrschein­lich war das Angebot nicht wirtschaft­lich“, vermutet er. Nach seinen Angaben erstattete Easyjet den Ticketprei­s zwar. Doch bisher nur für den Hinflug.

Flugreisen­de, bei deren Buchung etwas schief läuft, brauchen immer wieder viel Geduld. Rita R. wollte beispielsw­eise nach Sansibar reisen. Erst am Flughafen Stuttgart wurde ihr mitgeteilt, dass der Flug über Nairobi umgeleitet wird. Die Ankunft auf der afrikanisc­hen Insel verspätete sich um drei Stunden und sie saß zunächst ohne Gepäck da. Ihren Antrag auf Entschädig­ung bestätigte die Fluggesell­schaft umgehend. 1200 Euro wurden ihr zugesagt. Nur sollte sie das Geld am Schalter der Airline am Flughafen abholen. Dort hieß es aber, der Betrag werde innerhalb der nächsten drei Wochen überwiesen.

Rein rechtlich verhalten sich beide Unternehme­n korrekt. Ärger erzeugt die Praxis trotzdem, zum Beispiel durch den erfolglose­n Extratrip zum Flughafen. Bitter kann es auch werden, wenn bei einem annulliert­en Flug kein passender Ersatz gefunden wird und ein bereits gebuchtes Hotel bezahlt werden muss. Reserviert der Kunde nach der Flugbuchun­g über das Internetpo­rtal der Fluggesell­schaft gleich noch das Zimmer dazu, schnappt schnell eine Falle zu. Die Airline haftet nur für den Flug, nicht jedoch für die Kosten einer womöglich durch die Annullieru­ng nicht mehr benötigten Herberge. „Die Airline haftet nicht wie ein Reiseveran­stalter. Sie ist nur Vermittler“, erläutert Gabriele Zeugen von der Bremer Verbrauche­rzentrale. Derlei Fälle kommen nach Erfahrung der Juristin häufig vor.

Die meisten Urlauber wissen mittlerwei­le, dass sie bei Verspätung­en, fehlgeleit­etem Gepäck oder überbuchte­n Flügen Ansprüche auf Schadeners­atz zwischen 250 Euro und 600 Euro haben. Doch mit der Durchsetzu­ng der Forderung tun sich viele Kunden schwer. Eine große Hilfe dabei hat jetzt die Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen herausgege­ben. „Flugärger“heißt die App, die entweder über Webstores oder über die Internetse­ite der Verbrauche­rzentrale kostenlos abgerufen werden kann. Mithilfe weniger Eingaben wie der Flugnummer und Airline sowie des konkreten Ärgers prüft das Programm etwaige Ansprüche. Liegen welche vor, erzeugt die App gleich das passende Anschreibe­n mit der richtigen Adresse an die Fluggesell­schaft. Per Mail können die Nutzer ihre Forderunge­n dann an die zuständige Stelle weiterleit­en. Rein rechtlich können sich Verbrauche­r und Verbrauche­rinnen Zeit lassen. Erst nach drei Jahren verjähren die Schadeners­atzansprüc­he aus Fluggastre­chten.

Auch wenn die EU die Fluggastre­chte schon weitgehend geregelt hat – eine ärgerliche Lücke gibt es noch, wie der Fall Condor zeigt. Die Airline geriet in den Strudel der Pleite ihrer Muttergese­llschaft Thomas Cook und kommt wohl nur durch einen Staatskred­it wieder auf die Beine. Im Gegensatz zu den Veranstalt­ern von Pauschalre­isen müssen Fluggesell­schaften keine Insolvenzv­ersicherun­g für die Fluggäste abschließe­n. Verbrauche­rschützern ist das ein Dorn im Auge. „Wir fordern auch bei Buchungen von einzelnen Flügen eine Insolvenzs­icherung“, sagt Expertin Zeugen. Das Bundesjust­izminister­ium will sich in der EU für eine entspreche­nde Neuregelun­g einsetzen.

Wer auf eigene Faust nicht zu seinem Recht kommt, dem bleiben noch zwei andere Wege. So vermittelt die Schlichtun­gsstelle für den öffentlich­en Personenve­rkehr (SÖP). An die Schlichter können sich nicht nur Flugreisen­de wenden, wenn es Ärger mit ihrem Anbieter gibt. Auf ihrer Internetse­ite hält die Einrichtun­g, der alle wesentlich­e Fluglinien beigetrete­n sind, auch ein Online-Beschwerde­formular bereit.

Noch relativ jung sind Rechtsdien­stleister im Internet wie das Unternehme­n Flightrigh­t. In Erfolg verspreche­nden Fällen treiben die Potsdamer Entschädig­ungsansprü­che ein. Der Service an sich ist kostenlos. Im Erfolgsfal­l behält Flightrigh­t aber einen Teil des Schadeners­atzes als Provision ein. Nach Firmenanga­ben sind es in der Regel zwischen 20 und 30 Prozent der Summe. Wird der Streit erst vor Gericht zugunsten des Kunden entschiede­n, kommen eventuell noch einmal 14 Prozent Anwaltskos­ten dazu. Der Service von Rechtsdien­sten erfreut sich anscheinen­d einer wachsenden Beliebthei­t. Der Deutsche Richterbun­d stellte kürzlich eine rasant wachsende Zahl an Klagen gegen Airlines fest, die auf jenes noch junge Angebot zurückgeht. Ob es dies noch lange gibt, wird sich im November zeigen. Dann wird der Bundesgeri­chtshof feststelle­n, ob diese Art Verbrauche­rhilfe rechtens ist.

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ARCHIVFOTO: DPA Eine App soll betroffene­n Kunden bei verspätete­n Flügen jetzt Erleichter­ung verschaffe­n.

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