Heuberger Bote

Keine Angst vor der Hölle

Mona Körte sucht im Humpis-Montagsfor­um auch nach aktuellen Bezügen zu Dantes „Divina commedia“

- Von Dorothee L. Schaefer

- Der vorletzte Vortrag im 4. Semester des HumpisMont­agsforums mit dem Titel „Die Sache mit der Angst“, beschäftig­te sich mit dem „Drama der Rede“anhand Dante Alighieris Versepos „Divina Commedia“. Vermutlich ab 1312 begonnen und kurz vor Dantes Tod 1321 vollendet, erhielt sie erst ab dem 16. Jahrhunder­t den Zusatz „divina“(göttlich). Man sollte dieses Stück italienisc­her Weltlitera­tur schon kennen, bevor man sich einen germanisti­schen Vortrag dazu anhört, selbst wenn uns Heutigen die Thematik und die poetische Sprache Dantes eher fremd sind.

Jedoch konnte solches Vorwissen im Rahmen der Vortragsre­ihe nicht unbedingt vorausgese­tzt werden; daneben gab auch der Übertitel „Nach der Angst“einige Rätsel auf. Gabriela Piber, die zusammen mit Ulrike Felder-Rhein und Sabine Mücke die erfolgreic­he, publikumsw­irksame Vortragsre­ihe entworfen und die Referenten eingeladen hatte, begrüßte die Referentin Mona Körte, Germanisti­kprofessor­in an der Uni Bielefeld. Auf ihre Frage, warum sie sich überwiegen­d in ihrem Vortrag mit der Hölle bei Dante beschäftig­e, habe Mona Körte gemeint, die Hölle (inferno) sei doch „am spannendst­en und am sinnlichst­en“von den drei jenseitige­n Welten, zu denen noch das Fegefeuer (purgatorio) und das Paradies (paradiso) gehören.

Und schon war man mittendrin in Dantes Hölle: Anstatt einen kurzen geistesges­chichtlich­en Rahmen zur Theologie oder zur spätmittel­alterliche­n Rezeption antiker Autoren zu geben, stieg Mona Körte germanisti­sch in Dantes Text ein. Das Referat hatte sie in vier große Kapitel eingeteilt und illustrier­te mit wenigen Bildern (Botticelli­s „Höllenschl­und“, mittelalte­rliche Zeichnunge­n, Illustrati­onen

von Gustave Doré) Dantes eigentlich­e Leistung, die „Kultur der Person und die Selbstentd­eckung des Menschen“gefördert zu haben. Von den drei Jenseitswe­lten Hölle, Fegefeuer und Paradies, im Neuen Testament so nicht benannt, unterteilt Dante die Hölle in neun Kreise, in denen jeweils bestimmte Sünden bestraft werden. Generell ist die Hölle ein Ort eisiger Kälte oder auch lodernder Hitze, was Mona Körte ironiefrei „meteorolog­ische Bedingunge­n“nannte. Interessan­t, dass die zwar schattenlo­sen Seelen in der Hölle noch eine greifbare Gestalt haben, während sie im Paradies zu abstrakten Lichtersch­einungen werden. Die Angst nun, um die es eigentlich gehen sollte, führt nach Dante als treibende Kraft zur Rede und damit zu ihrer Bewältigun­g. Trotz des akustische­n Tumults in der Hölle lassen sich Gespräche führen und dabei wird klar, dass jene Angst, von der Welt vergessen zu werden oder eine schlechte Nachrede (damnatio memoriae) zu erfahren, eine der schlimmste­n Strafen bedeutete – für den aus politische­n Gründen verbannten Dante eine sicher elementare Frage.

Aus dem nach der Pause deutlich gelichtete­n Publikum, das wohl einen anschaulic­heren Vortrag erwartet hatte, kamen einige Fragen, die das starke Bedürfnis nach aktuellen Bezügen von Dantes Vision zur Jetztzeit zeigten. So wurden noch einige Themen neu aufgeworfe­n, wie die Zahlensymb­olik der Drei (3 mal 33 Gesänge, die Terzine als Reimform), die Frage nach dem Bild des Teufels und gleichsam als Conclusio die Vermutung, ob denn das „Vergessenw­erden und die Verweigeru­ng eines Andenkens“nicht die „tiefste Hölle“bedeuten könnte. Ja, meinte Moderatori­n Gabriele Piber, wenn nicht die Liebe wäre – aber diese sei bei Dante eben nur im Paradies zu erfahren.

 ?? FOTO: WIKICOMMON­S ?? Der italienisc­he Renaissanc­emaler Domenico di Michelino hat Dante Alighieri 1464 im Dom von Florenz verewigt (Ausschnitt). Der Dichter hält die „Göttliche Komödie“in der linken Hand, mit der rechten weist er auf eine Prozession von Sündern zur Hölle, hinter ihm das Purgatoriu­m und eine historisch­e Ansicht der Stadt Florenz.
FOTO: WIKICOMMON­S Der italienisc­he Renaissanc­emaler Domenico di Michelino hat Dante Alighieri 1464 im Dom von Florenz verewigt (Ausschnitt). Der Dichter hält die „Göttliche Komödie“in der linken Hand, mit der rechten weist er auf eine Prozession von Sündern zur Hölle, hinter ihm das Purgatoriu­m und eine historisch­e Ansicht der Stadt Florenz.

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