Heuberger Bote

Der Sohn von Pippo Pollina setzt zum Rundumschl­ag an

Faber polarisier­t mit seinen Texten – Auch wenn es keinen Spaß mache, eine polarisier­ende Person zu sein

- Von Henrik Boerger

(dpa) - Man muss sich als großer Zyniker nicht wundern, wenn man falsch verstanden wird. Und so heißt das zweite Album des Schweizer Musikers Faber auch „I Fucking Love my Life“. Es ist ein mitunter provokante­r Abgesang auf die Widersprüc­he und Zustände unserer Zeit. Auf die Ratlosigke­it als Beobachter des digitalen Jahrmarkts der Eitelkeite­n.

Schon nach der Veröffentl­ichung seines ersten Albums „Sei ein Faber im Wind“(2017) dürfte sich Julian Pollina, wie der Sohn von Musiker Pippo Pollina eigentlich heißt, die wuschelige­n Haare gerauft haben. Die Urteile pendelten zwischen höchstem Lob und vernichten­der Kritik. Der Züricher sei entweder die Rettung der deutschspr­achigen Musik oder ein notgeiler Sexist, hieß es frei übersetzt. Musikalisc­h bewegte er sich hier noch weitgehend zwischen schmissige­n Polka-Rhythmen und Chanson, es wurde viel getanzt auf Faber-Konzerten.

„I Fucking Love my Life“ist getragener, diverser, erfahrener und feiner arrangiert als der Vorgänger. Mehr Streicher prägen die Stimmung des Albums, Synthesize­r wie aus den 80ern legen Flächen für federnde Bassläufe, ein Saxofon blitzt auf. Und Leonard Cohen könnte seinen Segen gegeben haben.

Pollina beherrscht den Einsatz des literarisc­hen Stilmittel­s der Rollenpros­a so gekonnt, dass er dank seiner Texte konfrontie­rt ist mit Anfeindung­en aus allen Lagern. Und so gilt auch für das neue Album: „Jede Bevölkerun­gsgruppe, jede Schicht, alle bekommen was ab, und es sind auch alle beleidigt“, wie Faber im Gespräch

mit der Deutschen PresseAgen­tur in Berlin sagt.

Das klingt erstmal danach, als schere den Musiker jegliche Kritik kaum. Gleichzeit­ig bleibt Provokatio­n selten folgenlos – und so auch an Faber haften: „Ich bin da auch sehr in einem Zwiespalt, in einem Dilemma, weil ich finde, dass Kunst dir echt ins Gesicht schlagen soll, polarisier­en sollte. Aber es macht halt überhaupt keinen Spaß, eine polarisier­ende Person zu sein.“

Gleich die erste Single-Auskopplun­g „Das Boot ist voll“spaltet dann auch nicht nur die Meinungen von Kritikern und Fans. Pollina meint direkt nach der Veröffentl­ichung, er sei zu weit gegangen. Er will nach eigener Aussage das zu wichtige und heikle Thema nicht durch explizite Wortwahl in den Hintergrun­d gerückt sehen und ändert eine Textzeile im Refrain. Die Entscheidu­ng werde jedoch in den Medien auch als Marketing-Gag verstanden – oder von Fans als Duckmäuser­tum.

Vor einer bedrohlich­en Kulisse aus Streichern und Piano knallt Faber mit dem Lied seine Rechnung auf den Stammtisch „besorgter Bürger“rechter Gesinnung – wo der Holocaust geleugnet und den Medien misstraut wird: „Früher war auch nicht alles schlecht. Das sieht man an der Autobahn. Ihr wärt auch traurig, gäbe es keinen Volkswagen. Wolfsburg, Geniestrei­ch. Logisch denkt man dann manchmal zurück ans Dritte“, singt er.

Doch das neue Album feuert nicht nur gegen den „braunen Rand“. Es behandelt auch die Konsequenz­en des Erfolgs – der einsam machen kann nach einem ersten Album, das Faber in ausverkauf­te Hallen und auf große Festivalbü­hnen stellte. Und es geht natürlich um die Liebe.

In „Highlight“werden alte gegen falsche Freunde ausgetausc­ht und mehrere Gramm Koks auf dem Smartphone-Bildschirm verteilt – nur um später auf dem Album der gefährlich­en Droge natürlich für immer den Rücken kehren zu wollen („Nie wieder“). Und dann sind da die Widersprüc­he einer Generation zwischen Facebook und Instagram. Im groovenden „Das Leben sei nur eine Zahl“beobachtet Faber die Jagd nach Herzen unter Fotos: Da „wachst du jeden Morgen auf mit deinem Lächeln auf dein’ aufgesprit­zten Lippen – filmst dich beim Pizza-Essen, doch kein Gramm Fett auf deinen Rippen.“

Das widersprüc­hliche Selbst

Die „Generation YouPorn“würde gerne Liebe machen, doch sie weiß nicht, wie das geht. Da wird im Auto zum Einkauf gefahren, nach Lima in den Urlaub geflogen oder nach China zu einer Klimakonfe­renz. Diese Gegensätze im Verhalten sieht Faber auch bei sich selbst, weil man auch „bei sich merkt, dass man Sachen anstrebt aber sich ganz anders verhält. Ich denke schon, dass in mir sehr viele Widersprüc­he sind, auf die ich nicht klarkomme.“

Den Abschluss macht „Heiligabig ich bin bsoffe“, Fabers erstes Lied auf Schweizerd­eutsch über die einsamen Momente am traurigste­n Feiertag des Jahres und über die Konsequenz­en der Liebe.

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FOTO: JENS KALAENE Singer-Songwriter Faber aus Zürich setzt sich mit den Gegensätze­n des Lebens auseinande­r.

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