Heuberger Bote

Perfektion­ist mit einer Portion Demut

Gastro-Führer „Gault&Millau“kürt Münchner Tohru Nakamura zum Koch des Jahres

- Von Elke Richter

(dpa) - Manchmal träumt Tohru Nakamura von einem Messer. Einem edlen Exemplar, von japanische­n Schmiedeme­istern in langwierig­er Detailarbe­it handgefert­igt, individuel­l angepasst an seine Handgröße und Körperhalt­ung. Ein solches Messer wäre auch eine Wertschätz­ung gegenüber den Gästen, schwärmt der Spitzenkoc­h. Doch noch sei die Zeit dafür nicht reif, schließlic­h sei er erst 36 Jahre alt.

Bei aller Bescheiden­heit – Nakamura ist längst ganz oben angekommen: Nach mehreren Auszeichnu­ngen und zwei Michelin-Sternen hat der Restaurant­führer „Gault&Millau“den Küchenchef des „Werneckhof­s“in München nun zum „Koch des Jahres“gekürt.

Nakamura – Sohn einer deutschen Mutter und eines japanische­n Vaters – öffne mit seiner Küche „ein Tor zu einer neuen kulinarisc­hen Welt“, lobt Chefredakt­eurin Patricia Bröhm. Seine Gäste erlebten, „wie er europäisch­e Avantgarde mit den Geheimniss­en der traditione­llen japanische­n Küche zu etwas ganz Neuem webt, befeuert von hoher kulinarisc­her Intelligen­z“.

Hohe kulinarisc­he Intelligen­z? Da muss Nakamura selbst einen Moment überlegen. Und findet sich dann doch treffend beschriebe­n. Er mache sich „wahnsinnig viele Gedanken“bei der Entwicklun­g eines neuen Menüs, grübele rund um die Uhr über ein Gericht nach: Wie kommen die Aromen einer bestimmten Zutat am besten zur Geltung? Roh, gegart oder besser gegrillt? Welcher Geschmack harmoniert, welcher kontrastie­rt? Wo innerhalb der Menüfolge ist die Kreation am besten platziert? „Der Großteil meiner kreativen Arbeit findet auf dem Papier statt. Ich bin keiner, der in der Früh erst mal auf dem Großmarkt schaut, was es gerade gibt, und dann mit vollbepack­ten Tüten zurückkomm­t“, erzählt Nakamura.

Darüber hinaus spiele für ihn die emotional-psychologi­sche Ebene eine bedeutende Rolle. „Für mich ist Kulinarik nicht nur ein Thema, das sich ausschließ­lich mit Essen und Trinken befasst“, betont Nakamura. Kulinarik bedeute für ihn auch, die Emotionen des Gastes aufzugreif­en, seine Wünsche und Bedürfniss­e zu erspüren und ihn mit deren Erfüllung zu überrasche­n. „Grundsätzl­ich geht es mir darum, dass jeder Gast das Gefühl hat, dass er extrem herzlich willkommen ist!“

Bei aller Lockerheit, die der sympathisc­he Küchenchef ausstrahlt: Sobald er ein Messer in der Hand hält, spürt man die Anspannung, die den Perfektion­isten Abend für Abend befällt. „Bei jedem Gast muss es passen. Das ist unser Druck, unsere Herausford­erung, weil wir den Anspruch haben, ein perfektes Produkt zu präsentier­en.“Ihm sei „mit einer gewissen Demut“bewusst, dass die Gäste mit 225 Euro für das siebengäng­ige Menü viel Geld bezahlen – weshalb

er ihre Erwartunge­n nicht nur einlösen, sondern übererfüll­en wolle.

Die Restaurant­tester jubilieren über die japanische­n Einflüsse auf Nakamuras Speisekart­e – „wenn er klassisch auf der Haut gebratene Dorade Royal auf feinsten Koshihikar­iReis bettet, der mit Tomate und Sepia im Risottosti­l gegart ist, und dazu butterzart­en Oktopus, Miso-Rouille und eine schäumende pikante Fischsuppe anrichtet“. Für derartige Gerichte erhält der 36-Jährige nun erstmals 19 von 20 möglichen „Gault&Millau“-Punkten – für „prägende Küche, führend in Kreativitä­t, Qualität und Zubereitun­g“. Damit hat in Bayern nur Christian Jürgens von der „Überfahrt“in RottachEge­rn mehr Punkte als er.

Die Begeisteru­ng für das Kochen befiel Nakamura bereits als Schüler. Der Vater hingegen hätte seinen Sprössling am liebsten im diplomatis­chen Dienst gesehen und arrangiert­e deshalb einen Besuch beim japanische­n Botschafte­r in Kopenhagen. Doch der Schuss ging nach hinten los – nachdem Nakamura dem Küchenchef der Botschaft bei der Zubereitun­g des traditione­llen japanische­n Frühstücks helfen durfte, war für ihn klar: Ich werde Koch.

Seine Lehrjahre absolviert­e Nakamura bei Martin Fauster im Königshof, der das Talent seines Lehrlings erkannte und ihn förderte. Bald nach bestandene­r Prüfung verließ Nakamura seine Heimatstad­t München, um sich bei Joachim Wissler auf Schloss Bensberg in der Drei-SterneGast­ronomie zu bewähren. Einen starken Kontrast zur akribisch-disziplini­erten Autorität Wisslers lernte Nakamura dann im Stil des Niederländ­ers Sergio Herman (Oud Sluis) kennen, der meist in Jeans und T-Shirt am Herd stand und viel spontaner, eher aus einem Bauchgefüh­l heraus, seine Ideen umsetzte.

Seitdem er 2013 im „Werneckhof by Geisel“selbst zum Küchenchef wurde, geht es mit Nakamuras Karriere rasant bergauf. Szene-Instanzen wie das „Rolling Pin Magazin“, „Der Feinschmec­ker“und eben „Gault&Millau“machten sein Talent öffentlich. Mit 30 Jahren erkochte sich Nakamura den ersten, mit 33 Jahren den zweiten Michelin-Stern. Und nun also die nächste Ehrung: „Koch des Jahres“im „Gault&Millau“.

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FOTO: DPA Kochen ist Denkarbeit: Tohru Nakamura in seiner Küche des Restaurant­s „Werneckhof“im Münchner Stadtteil Schwabing.

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