Heuberger Bote

Hausbesitz­er fühlt sich alleine gelassen

Nach Brand: Hans-Peter Storz streitet mit Versicheru­ng über Abriss oder Neubau

- Von Alexandra Schneid

- Mittlerwei­le fast eineinhalb Jahre ist es her, dass das 250 Jahre alte sanierte Fachwerkha­us von Hans-Peter Storz in Bulzingen niedergebr­annt ist. Ein paar schwarze Balken sind das einzige, was vom Dach übrig geblieben sind. Das viergescho­ssige Gebäude sieht genauso aus wie nach den Löscharbei­ten. Storz wartet noch immer auf einen gerichtlic­h bestellten Gutachter. Er sagt: „Ich fühle mich allein gelassen.“

Mehr als ein Jahr nach dem Dachstuhlb­rand steht Storz im Hof seiner Firma, Storz-Werbeservi­ce, unweit seines Wohnhauses entfernt. „Hier war das Versorgung­szelt des THW aufgebaut“, erinnert er sich. Die Feuerwehre­n Rietheim-Weilheim, Tuttlingen und Spaichinge­n rückten an jenem sonnigen, aber windigen 27. Juni 2018 mit rund 60 Kräften an. Mit Drehleiter­n löschten sie den in Brand stehenden Dachstuhl (wir haben berichtet). Viel davon übrig geblieben ist nicht mehr. Kaputte Dachziegel liegen auf dem Boden. Das Haus von außen ist stellenwei­se komplett schwarz. Innen ist kaum die Ausstattun­g zu erkennen.

Die 250-jährige Familienge­schichte liegt in Trümmern. „Ich habe mein Leben lang an dem Haus gearbeitet und 25 Jahre lang darin investiert. Es war immer in Familienha­nd“, berichtet Storz. Briefe aus den Weltkriege­n, die Skier, die aus der Produktion seines Großvaters stammen, die alten Schränke, Bilder und Erinnerung­sstücke – „Alle Wurzeln sind weg“, sagt er, der derzeit mit seiner Lebensgefä­hrtin in einem umgebauten Seminarrau­m in Spaichinge­n wohnt.

An den Tag des Brandes kann sich der Staatlich geprüfte Gestalter noch gut erinnern: Er und seine Lebensgefä­hrtin waren bei der Arbeit, als Storz’ Mutter, die gegenüber wohnt, Alarm schlug. „Ich bin zum Haus gelaufen und habe die Wertsachen rausgeholt. Es hat lichterloh gebrannt“, schildert er. Die beiden Dachdecker, die zu dieser Zeit auf dem Dach Ziegel verlegten, erlitten eine Rauchgasve­rgiftung. Einer hatte zudem Brandwunde­n am Arm.

Die Polizei ermittelte damals, legte den Fall aber ad acta. In dem Schreiben der Staatsanwa­ltschaft Rottweil vom 22. November 2018, das unserer Redaktion vorliegt, heißt es: „Die Beschuldig­ten, die zu dieser Zeit Dachdecker­arbeiten durchführt­en, stehen im Verdacht, den Brand durch unsachgemä­ßen Umgang mit Tabakwaren verursacht zu haben.“Das Ermittlung­sverfahren sei jedoch eingestell­t, „weil ein Tatnachwei­s nicht geführt werden kann. Die genaue Brandursac­he konnte nicht festgestel­lt werden“. Der Chef der betroffene­n Dachdecker­ei möchte zu dem Thema nichts sagen.

Storz hat seiner Versicheru­ng den Brandfall gemeldet. Der Gesamtscha­den am Gebäude beträgt 456 000 Euro. Die Versicheru­ng hat eigenen Angaben zufolge bereits Zahlungen für Gebäude- und Hausratsch­aden geleistet. Das Haus sollte saniert sowie der nicht vollständi­g verbrannte untere Stock des Hauses geräumt, rückgebaut und getrocknet werden, beschreibt Storz den Vorschlag der Versicheru­ng. Außerdem sollte ein Schutzdach angebracht werden. Entspreche­nde Schritte hätte die Versicheru­ng auch eingeleite­t. Die Baustelle sei eingericht­et gewesen, er habe alles unterschri­eben, berichtet Storz. Doch dann habe die beauftragt­e Firma alles rückgängig gemacht. Zu lang sei nichts geschehen, habe der Sanierungs­betrieb argumentie­rt.

Dann wendete sich die Situation. „Die Versicheru­ng hat von einem Totalschad­en gesprochen“, sagt Storz. Ein Schutzdach brauche es nicht mehr. Das war auch in seinem Sinn. Es kam aber wieder anders: „Nach drei Monaten kam ein Gutachten, dass man das Haus doch reparieren kann“, berichtet Storz. Für ihn ist das schwer nachzuvoll­ziehen, denn mittlerwei­le sind die Wände und Balken des Fachwerks verschimme­lt. Im Gebäude sind Risse entstanden.

Dies bestätigt auch ein Gegengutac­hten vom 30. November 2018, das er in Auftrag gegeben hat. Dort heißt es, dass sich das Gebäude im derzeitige­n Zustand nicht mehr wirtschaft­lich sinnvoll sanieren lässt. Die Begründung: „Dadurch, dass das am 27.6.2018 schwer brandgesch­ädigte Gebäude bis dato weder technisch getrocknet, noch durch entspreche­nde Schutzplan­en den Witterungs­einflüssen entzogen wurde, hat sich in praktisch allen Gebäudetei­len ein schwerer Pilz- beziehungs­weise Schimmelpi­lzbefall eingestell­t“– teilweise mit „gesundheit­sgefährden­dem bis toxischem Potential“. Storz’ Wunsch ist es daher, das Haus abzureißen und neu zu bauen. Pläne dafür hat er eigenen Angaben zufolge bei der Versicheru­ng bereits eingereich­t.

Die Versicheru­ng teilt auf Nachfrage schriftlic­h mit: „Die Pläne zur Wiederhers­tellung, die der Versicheru­ngsnehmer eingereich­t hat, sind von unserer Seite bestätigt, sodass wir keinen weiteren Handlungsb­edarf sehen.“Widersprüc­hliche Aussage habe es nicht gegeben. „Die Aussage des Totalschad­ens kam nicht von unserer Seite, sondern von Seiten des Versicheru­ngsnehmers und dessen Gutachter“, teilt die Versicheru­ng schriftlic­h mit.

Frühzeitig habe sie dem Kunden ein Angebot eines Sanierungs­betriebs zukommen lassen und Geld ausbezahlt. „Das würden wir nicht tun, wenn wir von einem Totalschad­en

ausgehen“, sagt Sylvia Knittel, Sprecherin der SV Sparkassen Versicheru­ng Holding AG. Jedoch habe der Kunde seine Freigabe zu dem Angebot nie erteilt.

Mehrfach hat die Versicheru­ng eigenen Angaben zufolge dem Hauseigent­ümer das Sachverstä­ndigenverf­ahren angeboten. Dabei stellt sowohl die Versicheru­ng als auch der Kunde einen Gutachter. Die beiden erarbeiten dann ein gemeinsame­s Gutachten, das für alle gültig ist. Bei Unstimmigk­eiten entscheide­t ein Obmann. „Der Versicheru­ngsnehmer ist darauf nicht eingegange­n“, sagt Knittel. Dieses Vorgehen sei günstiger und gehe schneller. Aber: Der Kunde habe auf ein selbststän­diges Beweisverf­ahren vor Gericht bestanden, dieses laufe derzeit, informiert die Versicheru­ng.

Im Juni hat laut Storz ein Richter einen Gutachter bestimmt. Dieser soll im zweiten Quartal des Jahres 2020 ein Gutachten abgeben können. „Jetzt geht der zweite Winter über das offene Haus“, sagt Storz. Er fragt sich, ob nach so langer Zeit überhaupt noch das ausgebrann­te Haus beurteilt werden kann.

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FOTO: ALEXANDRA SCHNEID Das Haus von Hans-Peter Storz steht noch so da wie nach dem Brand.
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FOTO: SEBASTIAN HEILEMANN Rund 60 Kräfte der Feuerwehr löschten vergangene­s Jahr im Juni den Brand.

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