Hausbesitzer fühlt sich alleine gelassen
Nach Brand: Hans-Peter Storz streitet mit Versicherung über Abriss oder Neubau
- Mittlerweile fast eineinhalb Jahre ist es her, dass das 250 Jahre alte sanierte Fachwerkhaus von Hans-Peter Storz in Bulzingen niedergebrannt ist. Ein paar schwarze Balken sind das einzige, was vom Dach übrig geblieben sind. Das viergeschossige Gebäude sieht genauso aus wie nach den Löscharbeiten. Storz wartet noch immer auf einen gerichtlich bestellten Gutachter. Er sagt: „Ich fühle mich allein gelassen.“
Mehr als ein Jahr nach dem Dachstuhlbrand steht Storz im Hof seiner Firma, Storz-Werbeservice, unweit seines Wohnhauses entfernt. „Hier war das Versorgungszelt des THW aufgebaut“, erinnert er sich. Die Feuerwehren Rietheim-Weilheim, Tuttlingen und Spaichingen rückten an jenem sonnigen, aber windigen 27. Juni 2018 mit rund 60 Kräften an. Mit Drehleitern löschten sie den in Brand stehenden Dachstuhl (wir haben berichtet). Viel davon übrig geblieben ist nicht mehr. Kaputte Dachziegel liegen auf dem Boden. Das Haus von außen ist stellenweise komplett schwarz. Innen ist kaum die Ausstattung zu erkennen.
Die 250-jährige Familiengeschichte liegt in Trümmern. „Ich habe mein Leben lang an dem Haus gearbeitet und 25 Jahre lang darin investiert. Es war immer in Familienhand“, berichtet Storz. Briefe aus den Weltkriegen, die Skier, die aus der Produktion seines Großvaters stammen, die alten Schränke, Bilder und Erinnerungsstücke – „Alle Wurzeln sind weg“, sagt er, der derzeit mit seiner Lebensgefährtin in einem umgebauten Seminarraum in Spaichingen wohnt.
An den Tag des Brandes kann sich der Staatlich geprüfte Gestalter noch gut erinnern: Er und seine Lebensgefährtin waren bei der Arbeit, als Storz’ Mutter, die gegenüber wohnt, Alarm schlug. „Ich bin zum Haus gelaufen und habe die Wertsachen rausgeholt. Es hat lichterloh gebrannt“, schildert er. Die beiden Dachdecker, die zu dieser Zeit auf dem Dach Ziegel verlegten, erlitten eine Rauchgasvergiftung. Einer hatte zudem Brandwunden am Arm.
Die Polizei ermittelte damals, legte den Fall aber ad acta. In dem Schreiben der Staatsanwaltschaft Rottweil vom 22. November 2018, das unserer Redaktion vorliegt, heißt es: „Die Beschuldigten, die zu dieser Zeit Dachdeckerarbeiten durchführten, stehen im Verdacht, den Brand durch unsachgemäßen Umgang mit Tabakwaren verursacht zu haben.“Das Ermittlungsverfahren sei jedoch eingestellt, „weil ein Tatnachweis nicht geführt werden kann. Die genaue Brandursache konnte nicht festgestellt werden“. Der Chef der betroffenen Dachdeckerei möchte zu dem Thema nichts sagen.
Storz hat seiner Versicherung den Brandfall gemeldet. Der Gesamtschaden am Gebäude beträgt 456 000 Euro. Die Versicherung hat eigenen Angaben zufolge bereits Zahlungen für Gebäude- und Hausratschaden geleistet. Das Haus sollte saniert sowie der nicht vollständig verbrannte untere Stock des Hauses geräumt, rückgebaut und getrocknet werden, beschreibt Storz den Vorschlag der Versicherung. Außerdem sollte ein Schutzdach angebracht werden. Entsprechende Schritte hätte die Versicherung auch eingeleitet. Die Baustelle sei eingerichtet gewesen, er habe alles unterschrieben, berichtet Storz. Doch dann habe die beauftragte Firma alles rückgängig gemacht. Zu lang sei nichts geschehen, habe der Sanierungsbetrieb argumentiert.
Dann wendete sich die Situation. „Die Versicherung hat von einem Totalschaden gesprochen“, sagt Storz. Ein Schutzdach brauche es nicht mehr. Das war auch in seinem Sinn. Es kam aber wieder anders: „Nach drei Monaten kam ein Gutachten, dass man das Haus doch reparieren kann“, berichtet Storz. Für ihn ist das schwer nachzuvollziehen, denn mittlerweile sind die Wände und Balken des Fachwerks verschimmelt. Im Gebäude sind Risse entstanden.
Dies bestätigt auch ein Gegengutachten vom 30. November 2018, das er in Auftrag gegeben hat. Dort heißt es, dass sich das Gebäude im derzeitigen Zustand nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll sanieren lässt. Die Begründung: „Dadurch, dass das am 27.6.2018 schwer brandgeschädigte Gebäude bis dato weder technisch getrocknet, noch durch entsprechende Schutzplanen den Witterungseinflüssen entzogen wurde, hat sich in praktisch allen Gebäudeteilen ein schwerer Pilz- beziehungsweise Schimmelpilzbefall eingestellt“– teilweise mit „gesundheitsgefährdendem bis toxischem Potential“. Storz’ Wunsch ist es daher, das Haus abzureißen und neu zu bauen. Pläne dafür hat er eigenen Angaben zufolge bei der Versicherung bereits eingereicht.
Die Versicherung teilt auf Nachfrage schriftlich mit: „Die Pläne zur Wiederherstellung, die der Versicherungsnehmer eingereicht hat, sind von unserer Seite bestätigt, sodass wir keinen weiteren Handlungsbedarf sehen.“Widersprüchliche Aussage habe es nicht gegeben. „Die Aussage des Totalschadens kam nicht von unserer Seite, sondern von Seiten des Versicherungsnehmers und dessen Gutachter“, teilt die Versicherung schriftlich mit.
Frühzeitig habe sie dem Kunden ein Angebot eines Sanierungsbetriebs zukommen lassen und Geld ausbezahlt. „Das würden wir nicht tun, wenn wir von einem Totalschaden
ausgehen“, sagt Sylvia Knittel, Sprecherin der SV Sparkassen Versicherung Holding AG. Jedoch habe der Kunde seine Freigabe zu dem Angebot nie erteilt.
Mehrfach hat die Versicherung eigenen Angaben zufolge dem Hauseigentümer das Sachverständigenverfahren angeboten. Dabei stellt sowohl die Versicherung als auch der Kunde einen Gutachter. Die beiden erarbeiten dann ein gemeinsames Gutachten, das für alle gültig ist. Bei Unstimmigkeiten entscheidet ein Obmann. „Der Versicherungsnehmer ist darauf nicht eingegangen“, sagt Knittel. Dieses Vorgehen sei günstiger und gehe schneller. Aber: Der Kunde habe auf ein selbstständiges Beweisverfahren vor Gericht bestanden, dieses laufe derzeit, informiert die Versicherung.
Im Juni hat laut Storz ein Richter einen Gutachter bestimmt. Dieser soll im zweiten Quartal des Jahres 2020 ein Gutachten abgeben können. „Jetzt geht der zweite Winter über das offene Haus“, sagt Storz. Er fragt sich, ob nach so langer Zeit überhaupt noch das ausgebrannte Haus beurteilt werden kann.