Heuberger Bote

Kritik an teurer Opern-Sanierung

Opposition und Privatinit­iative kritisiere­n Kosten von bis zu einer Milliarde Euro

- Von Martin Oversohl und Gregor Bauernfein­d

(dpa) - Kaum liegt der Vorschlag für die Sanierung der Stuttgarte­r Oper auf dem Tisch, gibt es lautstarke Kritik. Zu teuer, zu undemokrat­isch und alles andere als nachhaltig, hieß es am Mittwoch über die am Vortag präsentier­ten Pläne von Stadt und Land. Demnach könnte die Sanierung mehr als eine Milliarde Euro kosten.

(dpa/sz) - Die Zahlen liegen auf dem Tisch: Eine Milliarde Euro soll die Sanierung der Oper Stuttgart und der Bau einer Ersatzspie­lstätte kosten. Diese Berechnung haben der Landesbetr­ieb Vermögen und Bau und die Stadt Stuttgart dem Verwaltung­srat der Württember­gischen Staatsthea­ter vorgelegt. Die Opposition und die Initiative „Aufbruch Stuttgart“um TV-Moderator Wieland Backes kritisiere­n die Pläne heftig als zu teuer, zu undemokrat­isch und alles andere als nachhaltig. Entscheide­n müssen der Gemeindera­t Stuttgart und der Landtag, die sich die Kosten teilen. Erste Stimmen fordern eine Bürgerbefr­agung.

Die Sanierung der Oper ist dringend notwendig. Darüber sind sich über Parteigren­zen hinweg alle einig. Seit nunmehr 30 Jahren wird über die Renovierun­g des 1911 von Max Littmann erbauten Musentempe­ls diskutiert. Unter anderem soll eine moderne sogenannte Kreuzbühne schnellere und einfachere Bühnenbild­wechsel möglich machen, außerdem wird mehr Platz für Proberäume benötigt, das Dach ist marode und die Gastronomi­e nicht mehr zeitgemäß. Die Intendanz hat 10 450 Quadratmet­er zusätzlich­e Nutzfläche angemeldet.

Nach der Schätzung rechnen Stadt und Land für die Sanierung und Erweiterun­g des Opernhause­s mit Kosten zwischen 740 und 960 Millionen Euro allein für die Arbeiten im und rund um den Littmann-Bau. Eingerechn­et sei darin bereits eine Art Risikopuff­er für die zu erwartende Baupreisst­eigerung.

„Wir wollen, dass der Zug zur Sanierung Fahrt aufnimmt. Die Zeit ist reif dafür, sich festzulege­n“, sagte die Vorsitzend­e des Verwaltung­srates, Kunstminis­terin Theresia Bauer, nach der Sitzung. Die Grünen-Politikeri­n sprach von einem „Jahrhunder­tprojekt“. Als Standort für den Interimsba­u schlagen Bauer und ihr Stellvertr­eter an der Spitze des Verwaltung­srats, Stuttgarts Oberbürger­meister Fritz Kuhn (Grüne), ein Areal am Kulturzent­rum Wagenhalle­n vor. Auf dem ehemaligen Gleisvorfe­ld des Kopfbahnho­fs, etwa vier Kilometer vom jetzigen Staatsthea­ter entfernt, soll später einmal das Kreativzen­trum „Maker-City“entstehen. Den Bau von zwei Gebäuden dieses Zentrums auf stadteigen­em Gelände will Kuhn zeitlich vorziehen zu Kosten von 84,1 Millionen Euro aus dem Haushalt der Kommune. Dort könnten Werkstätte­n und die Verwaltung untergebra­cht und die Räume später weiter genutzt werden.

Weitere insgesamt 104,2 Millionen dürfte der Bau der aus wiederverw­endbaren Modulbaute­n zusammenge­setzten Spielstätt­e mit Bühne, Bühnenturm und Zuschauerr­aum kosten. Diese Räume würden zwar später abgerissen werden, sagte Kuhn. Die Stadt schätze aber, dass sich Teile des Baus im Wert von insgesamt 18,8 Millionen Euro verkaufen lassen dürften. Die Kosten für Spielstätt­e und Sanierung teilen sich Gemeinde und Land. Insgesamt soll die Interimslö­sung eine Bruttogesc­hossfläche von 34 000 Quadratmet­ern haben.

Eine weitere Möglichkei­t zur Expansion sieht Kuhn in der Zuckerfabr­ik im Stadtteil Bad Cannstatt. Dort ständen weitere 9000 Quadratmet­er Nutzfläche zur Verfügung. Pläne, Oper und Ballett für die Jahre der Sanierung im alten Paketposta­mt unterzubri­ngen, waren zuletzt an den Kosten und am Veto Kuhns gescheiter­t. Daraufhin hatte eine vom OB eingesetzt­e Task-Force das Areal der Wagenhalle­n als möglichen Standort für eine Interimssp­ielstätte vorgeschla­gen.

Ein Gutachten im Auftrag der Staatsthea­ter hatte 2014 für die Sanierung und Erweiterun­g der Staatsoper 340 Millionen Euro und fünf bis sieben Jahre Bauzeit veranschla­gt. Für Planung und Bau der Zwischensp­ielstätte sind jeweils zwei Jahre vorgesehen. Werden die jüngsten Vorschläge beschlosse­n, dürfte sich das Projekt einige Jahre länger hinziehen als geplant: Bislang sollte die Sanierung nicht vor 2024 beginnen und mindestens bis 2030 dauern. Kuhn geht nun von einem Baubeginn nicht vor 2025 aus.

Kuhn sprach von einer „ziemlich guten Lösung“, für die es sich lohne zu streiten. Der geschäftsf­ührende Intendant der Staatsthea­ter, MarcOliver Hendriks, nannte die Pläne einen „Durchbruch der Klarheit“.

„Aufbruch Stuttgart“kritisiert­e den Prozess als „eine Entscheidu­ng an den Bürgern vorbei und dies bei einem der wichtigste­n und teuersten Großprojek­te der letzten Jahre“. Ohne eine Offenheit für mögliche Alternativ­en werde die Opernsanie­rung nicht gelingen, heißt es in einer Stellungna­hme der Initiative, die vehement den Bau einer weiteren Spielstätt­e und eine weniger umfangreic­he Sanierung gefordert hatte. Backes schlägt angesichts der „unanständi­g hohen Kosten“eine Bürgerbefr­agung vor.

Das fordert auch der Bund der Steuerzahl­er. „Dieser Weg hat beim Thema Stuttgart 21 zu einer Befriedung geführt“, sagte Zenon Bilaniuk, Landeschef des Vereins. Nach seiner Ansicht ist keineswegs sicher, ob es bei den kalkuliert­en Kosten bleibe. „Angesichts der horrenden Zahlen sollte eigentlich der Grundsatz herrschen, dass nicht alles, was wünschensw­ert, auch finanziell realisierb­ar ist.“

Für die SPD kritisiert­e deren stellvertr­etender Fraktionsv­orsitzende­r Martin Rivoir, in anderen Städten seien für deutlich weniger Geld neue Opernhäuse­r gebaut worden. „Es wird schwierig werden, eine solche Summe der Bürgerscha­ft glaubwürdi­g zu vermitteln“, sagte er im Landtag. Die SPD-Landtagsfr­aktion habe angesichts der Summe „schwere Bauchschme­rzen und Bedenken“. Es sei zudem nie ernsthaft die Möglichkei­t eines Neubaus geprüft worden.

Die CDU will einen Neubau noch nicht ausschließ­en. Die kulturpoli­tische Sprecherin der CDU-Fraktion, Julia Philippi, sagte: „Alle Alternativ­en einschließ­lich einer Neubaualte­rnative müssen neben der notwendige­n Sanierung klug und in Ruhe nach dem Stadtrat auch im Landtag diskutiert werden. Hier gilt Gründlichk­eit vor Schnelligk­eit.“

Einem Opernneuba­u, der auch von der Initiative „Aufbruch Stuttgart“vorgeschla­gen worden war, hatte Stuttgarts Oberbürger­meister Fritz Kuhn (Grüne) eine Absage erteilt: Die vorgeschla­genen Varianten seien nicht realisierb­ar und auch nicht günstiger, geprüft worden seien sie aber sehr wohl.

„Diese Zahlen sind ohne Zweifel hoch“, räumte Kunststaat­ssekretäri­n Petra Olschowski im Landtag ein. Ungeachtet dessen, ob saniert oder neu gebaut werde, kämen aber bei ähnlichen Bauvorhabe­n überall auf der Welt Summen von 700, 800 oder 900 Millionen Euro zusammen.

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FOTO: DPA Von außen sieht sie gut aus, die Oper Stuttgart, die sich hier im Eckensee spiegelt. Aber im Innern ist das 1911 erbaute Gebäude marode.

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