Kritik an teurer Opern-Sanierung
Opposition und Privatinitiative kritisieren Kosten von bis zu einer Milliarde Euro
(dpa) - Kaum liegt der Vorschlag für die Sanierung der Stuttgarter Oper auf dem Tisch, gibt es lautstarke Kritik. Zu teuer, zu undemokratisch und alles andere als nachhaltig, hieß es am Mittwoch über die am Vortag präsentierten Pläne von Stadt und Land. Demnach könnte die Sanierung mehr als eine Milliarde Euro kosten.
(dpa/sz) - Die Zahlen liegen auf dem Tisch: Eine Milliarde Euro soll die Sanierung der Oper Stuttgart und der Bau einer Ersatzspielstätte kosten. Diese Berechnung haben der Landesbetrieb Vermögen und Bau und die Stadt Stuttgart dem Verwaltungsrat der Württembergischen Staatstheater vorgelegt. Die Opposition und die Initiative „Aufbruch Stuttgart“um TV-Moderator Wieland Backes kritisieren die Pläne heftig als zu teuer, zu undemokratisch und alles andere als nachhaltig. Entscheiden müssen der Gemeinderat Stuttgart und der Landtag, die sich die Kosten teilen. Erste Stimmen fordern eine Bürgerbefragung.
Die Sanierung der Oper ist dringend notwendig. Darüber sind sich über Parteigrenzen hinweg alle einig. Seit nunmehr 30 Jahren wird über die Renovierung des 1911 von Max Littmann erbauten Musentempels diskutiert. Unter anderem soll eine moderne sogenannte Kreuzbühne schnellere und einfachere Bühnenbildwechsel möglich machen, außerdem wird mehr Platz für Proberäume benötigt, das Dach ist marode und die Gastronomie nicht mehr zeitgemäß. Die Intendanz hat 10 450 Quadratmeter zusätzliche Nutzfläche angemeldet.
Nach der Schätzung rechnen Stadt und Land für die Sanierung und Erweiterung des Opernhauses mit Kosten zwischen 740 und 960 Millionen Euro allein für die Arbeiten im und rund um den Littmann-Bau. Eingerechnet sei darin bereits eine Art Risikopuffer für die zu erwartende Baupreissteigerung.
„Wir wollen, dass der Zug zur Sanierung Fahrt aufnimmt. Die Zeit ist reif dafür, sich festzulegen“, sagte die Vorsitzende des Verwaltungsrates, Kunstministerin Theresia Bauer, nach der Sitzung. Die Grünen-Politikerin sprach von einem „Jahrhundertprojekt“. Als Standort für den Interimsbau schlagen Bauer und ihr Stellvertreter an der Spitze des Verwaltungsrats, Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne), ein Areal am Kulturzentrum Wagenhallen vor. Auf dem ehemaligen Gleisvorfeld des Kopfbahnhofs, etwa vier Kilometer vom jetzigen Staatstheater entfernt, soll später einmal das Kreativzentrum „Maker-City“entstehen. Den Bau von zwei Gebäuden dieses Zentrums auf stadteigenem Gelände will Kuhn zeitlich vorziehen zu Kosten von 84,1 Millionen Euro aus dem Haushalt der Kommune. Dort könnten Werkstätten und die Verwaltung untergebracht und die Räume später weiter genutzt werden.
Weitere insgesamt 104,2 Millionen dürfte der Bau der aus wiederverwendbaren Modulbauten zusammengesetzten Spielstätte mit Bühne, Bühnenturm und Zuschauerraum kosten. Diese Räume würden zwar später abgerissen werden, sagte Kuhn. Die Stadt schätze aber, dass sich Teile des Baus im Wert von insgesamt 18,8 Millionen Euro verkaufen lassen dürften. Die Kosten für Spielstätte und Sanierung teilen sich Gemeinde und Land. Insgesamt soll die Interimslösung eine Bruttogeschossfläche von 34 000 Quadratmetern haben.
Eine weitere Möglichkeit zur Expansion sieht Kuhn in der Zuckerfabrik im Stadtteil Bad Cannstatt. Dort ständen weitere 9000 Quadratmeter Nutzfläche zur Verfügung. Pläne, Oper und Ballett für die Jahre der Sanierung im alten Paketpostamt unterzubringen, waren zuletzt an den Kosten und am Veto Kuhns gescheitert. Daraufhin hatte eine vom OB eingesetzte Task-Force das Areal der Wagenhallen als möglichen Standort für eine Interimsspielstätte vorgeschlagen.
Ein Gutachten im Auftrag der Staatstheater hatte 2014 für die Sanierung und Erweiterung der Staatsoper 340 Millionen Euro und fünf bis sieben Jahre Bauzeit veranschlagt. Für Planung und Bau der Zwischenspielstätte sind jeweils zwei Jahre vorgesehen. Werden die jüngsten Vorschläge beschlossen, dürfte sich das Projekt einige Jahre länger hinziehen als geplant: Bislang sollte die Sanierung nicht vor 2024 beginnen und mindestens bis 2030 dauern. Kuhn geht nun von einem Baubeginn nicht vor 2025 aus.
Kuhn sprach von einer „ziemlich guten Lösung“, für die es sich lohne zu streiten. Der geschäftsführende Intendant der Staatstheater, MarcOliver Hendriks, nannte die Pläne einen „Durchbruch der Klarheit“.
„Aufbruch Stuttgart“kritisierte den Prozess als „eine Entscheidung an den Bürgern vorbei und dies bei einem der wichtigsten und teuersten Großprojekte der letzten Jahre“. Ohne eine Offenheit für mögliche Alternativen werde die Opernsanierung nicht gelingen, heißt es in einer Stellungnahme der Initiative, die vehement den Bau einer weiteren Spielstätte und eine weniger umfangreiche Sanierung gefordert hatte. Backes schlägt angesichts der „unanständig hohen Kosten“eine Bürgerbefragung vor.
Das fordert auch der Bund der Steuerzahler. „Dieser Weg hat beim Thema Stuttgart 21 zu einer Befriedung geführt“, sagte Zenon Bilaniuk, Landeschef des Vereins. Nach seiner Ansicht ist keineswegs sicher, ob es bei den kalkulierten Kosten bleibe. „Angesichts der horrenden Zahlen sollte eigentlich der Grundsatz herrschen, dass nicht alles, was wünschenswert, auch finanziell realisierbar ist.“
Für die SPD kritisierte deren stellvertretender Fraktionsvorsitzender Martin Rivoir, in anderen Städten seien für deutlich weniger Geld neue Opernhäuser gebaut worden. „Es wird schwierig werden, eine solche Summe der Bürgerschaft glaubwürdig zu vermitteln“, sagte er im Landtag. Die SPD-Landtagsfraktion habe angesichts der Summe „schwere Bauchschmerzen und Bedenken“. Es sei zudem nie ernsthaft die Möglichkeit eines Neubaus geprüft worden.
Die CDU will einen Neubau noch nicht ausschließen. Die kulturpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Julia Philippi, sagte: „Alle Alternativen einschließlich einer Neubaualternative müssen neben der notwendigen Sanierung klug und in Ruhe nach dem Stadtrat auch im Landtag diskutiert werden. Hier gilt Gründlichkeit vor Schnelligkeit.“
Einem Opernneubau, der auch von der Initiative „Aufbruch Stuttgart“vorgeschlagen worden war, hatte Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) eine Absage erteilt: Die vorgeschlagenen Varianten seien nicht realisierbar und auch nicht günstiger, geprüft worden seien sie aber sehr wohl.
„Diese Zahlen sind ohne Zweifel hoch“, räumte Kunststaatssekretärin Petra Olschowski im Landtag ein. Ungeachtet dessen, ob saniert oder neu gebaut werde, kämen aber bei ähnlichen Bauvorhaben überall auf der Welt Summen von 700, 800 oder 900 Millionen Euro zusammen.