Das Fettnäpfchen als Kunstwerk
Der Kunstbetrieb steckt voller Missverständnisse. Diese betreffen zum einen Menschen, deren eingebildete Kunstbeflissenheit dazu führt, dass sie bereits das Stimmen der Instrumente eines Orchesters vor dem Konzert für die geniale Interpretation einer modernen Symphonie halten. Andererseits sind auch Leute, die sich für komplett kunstfern halten, vor Fehlschlüssen nicht gefeit. So passiert es immer wieder, dass etwa eifriges Putzpersonal Kunstwerke durch ihren beruflich bedingten Reinigungsfimmel zerstören.
Berühmtes Beispiel dafür ist die „Fettecke“des Künstlers Joseph Beuys. Dieser hatte in der Kunstakademie Düsseldorf Fett in einer Raumecke installiert – ein Anblick, der bei jeder redlichen Raumpflegerin natürlich das blanke Entsetzen auslösen muss. Denn Fettflecken gehören zu den unbeliebtesten Verunreinigungen überhaupt. Jedenfalls wischten Putzfrauen das unbezahlbare Fettkunstwerk einfach weg – und vernichteten damit nicht nur eine große Kalorienmenge.
Glücklicherweise kann so eine „Fettecke“von jedem interessierten
Kunstfreund mittels Butter, Schweineschmalz oder Margarine leicht nachmodelliert werden: Man nehme eine handelsübliche und gut zugängliche Zimmerecke und fülle sie mit rund drei Kilo Fett – fertig ist der selbstgemachte Beuys. Versuchen Sie das mal mit dem Deckenfresko des Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle, was ja schon am Mangel eines geeigneten Gebäudes scheitert. Wichtig ist bei der Beuys’schen Fettecke nur eines: Der Raum darf keine Fußbodenheizung haben. (nyf)