Heuberger Bote

Abgeordnet­e müssen nun selber vorsorgen

Nach einem Scheitern im ersten Anlauf regelt der Landtag die Altersabsi­cherung neu

- Von Kara Ballarin

- Der Aufschrei hatte Wirkung gezeigt: Die Landtagsab­geordneten wollten zur Staatspens­ion zurückkehr­en – und ernteten dafür einen öffentlich­en Proteststu­rm. Am Mittwoch haben sie nun eine andere Art von Altersvers­orgung beschlosse­n. Die Details im Überblick:

Was wollten die Abgeordnet­en?

Im Eilverfahr­en hatten Grüne, CDU und SPD im Frühjahr 2017 ein Gesetz durch den Landtag gepeitscht. Das Ziel: Sie wollten es den Abgeordnet­en ermögliche­n, im Ruhestand eine staatliche Pension zu beziehen. Diese Art der Altersvers­orgung hatte das Parlament 2008 abgeschaff­t. Wie die Bürger sollten die Abgeordnet­en selbst fürs Alter vorsorgen, so die Idee dieser Reform. Dafür wurden ihre Bezüge, Diäten genannt, um ein Drittel angehoben. Derzeit liegen diese bei 8210 Euro. Zusätzlich bekommen sie eine Monatspaus­chale für ihre Altersvors­orge, die aktuell 1805 Euro beträgt.

Die Abgeordnet­en beklagten dennoch große Nachteile: Sie konnten sich zwar auch freiwillig gesetzlich versichern. Das Problem dabei: Für die meisten kommt am Ende des Berufslebe­ns zu wenig raus. Sehr viele sind nur eine Zeit lang im Parlament, zahlten vorher nicht ein, weil sie vielleicht Lehrer und damit Beamte waren. Die meisten setzten auf private Rentenvers­icherungen – deren

Renditen sind wegen der niedrigen Zinsen am Kapitalmar­kt indes im Sinkflug. Ein weiterer Grund für den Wunsch nach der Staatspens­ion: Gerade die jüngeren Abgeordnet­en empfanden es als ungerecht, dass ihre Kollegen, die schon vor der Reform im Landtag waren, im Alter eine Pension erhalten.

Was hat die Abgeordnet­en umgestimmt?

Die Kritik war laut und vielstimmi­g: Bürger schrieben ihre Abgeordnet­en an, Verbände wie der Steuerzahl­erbund reagierten empört. Einen Monat, nachdem sie das Gesetz zugunsten der Staatspens­ion erlassen hatten, nahmen es die Parlamenta­rier wieder zurück und räumten Fehler ein. Sie hätten ihre Beweggründ­e zu wenig erklärt, sagten sie.

Blieb danach alles beim Alten?

Nein. Der Landtag beauftragt­e zwei Gremien damit, Lösungen zu finden. Ein Bürgerforu­m aus zufällig ausgewählt­en Bürgern sah ebenfalls Bedarf, das bestehende System zu ändern. Es bekräftigt­e zum Abschluss im Februar 2018 aber, dass es eine Rückkehr zur Staatspens­ion ablehne. Seine Empfehlung­en: Die Abgeordnet­en sollen sich über ein Versorgung­swerk absichern. Alternativ schlugen die Bürger eine Kombinatio­n aus gesetzlich­er Rentenvers­icherung und Versorgung­sanstalt des Bundes und der Länder vor – letztere sollte wie eine Art Betriebsre­nte wirken. Die Empfehlung­en griff ein zweites Gremium auf: eine bunt zusammenge­setzte Expertenko­mmission. Diese hat bald nach den Bürgern vier Vorschläge präsentier­t. Die meiste Zustimmung im Gremium gab es ebenfalls für den Beitritt zu einem Versorgung­swerk.

Welche Altersvers­orgung gibt es nun für die Parlamenta­rier?

Wieder mit den Stimmen von Grünen, CDU und SPD hat sich der Landtag den Empfehlung­en am Mittwoch angeschlos­sen und den Beitritt zu einem Versorgung­swerk beschlosse­n. Hans-Ulrich Sckerl, parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der Grünen, erklärte dazu: „Wir sind davon überzeugt, dass wir mit einem Einsatz von Steuermitt­eln in der gleichen Höhe wie bisher für die Finanzieru­ng der unmittelba­ren Vorsorge für Abgeordnet­e eine deutliche Verbesseru­ng bei den Versorgung­sleistunge­n erreichen werden.“Der Landtag tritt zum 1. Dezember dem Versorgung­swerk für die Abgeordnet­en der Landtage von Nordrhein-Westfalen und Brandenbur­g bei. Künftig bekommen die Abgeordnet­en im Südwesten nicht mehr 1805 Euro zur Altersvers­orgung. 1246 Euro werden vorab abgezogen und ans Versorgung­swerk abgeführt. Wenn die Abgeordnet­en möchten, können sie freiwillig auch mehr einzahlen – bis zu 3115 Euro monatlich. Derzeit gibt es für die Beiträge 2,5 Prozent Zinsen.

Zahlen nun alle Abgeordnet­en also automatisc­h ins Versorgung­swerk ein?

Die neue Regelung betrifft alle, die bei der nächsten Landtagswa­hl 2021 neu gewählt werden. Wer heute schon im Landtag sitzt, muss dem Versorgung­swerk zunächst nicht beitreten. Für Abgeordnet­e, die diese Option wählen, ändert sich nichts zum aktuellen Stand. Aber nur bis 2031. Ab diesem Zeitpunkt ist der Beitrag zum Versorgung­swerk für alle Pflicht. Die Abgeordnet­en können darüber hinaus auf anderem Wege für ihren Ruhestand vorsorgen.

Welche Kritik gibt es am Versorgung­swerk?

Die AfD beschwört die gesetzlich­e Rentenvers­icherung und kritisiert, dass sich die Abgeordnet­en aus diesem Solidarsys­tem nun verabschie­deten. Die FDP mahnt die Vorbildfun­ktion der Abgeordnet­en an. „Wenn die Politik den Bürger auffordert, privat vorzusorge­n, muss sie dies auch tun“, erklärt der Vize-Fraktionsc­hef der FDP Jochen Haußmann. Der Steuerzahl­erbund spricht von einem „schalen Beigeschma­ck“, dass sich das Land an den Verwaltung­skosten des Versorgung­swerks mit 185 000 Euro im Jahr und an einer Verlustrüc­klage mit 1,2 Millionen Euro beteiligen muss. Dennoch empfiehlt er den Beitritt. Die FDP kritisiert die Zahlungen derweil als neue Belastunge­n, die aus Steuergeld gezahlt werden.

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