Heuberger Bote

Präsident Macron will bei Le Pens Wählern punkten

Frankreich verschärft seinen Ton in der Einwanderu­ngspolitik deutlich

- Von Christine Longin

- Als Edouard Philippe am Mittwoch um kurz vor zwölf Uhr in Paris ans Mikrofon trat, war Emmanuel Macron gut elf Flugstunde­n entfernt in Peking. Von dort aus wollte der Präsident sich nicht zur heiklen Frage der Einwanderu­ngspolitik äußern, die sein Regierungs­chef erörtern sollte. Doch der Maßnahmenk­atalog trägt ganz klar die Handschrif­t Macrons. Der Staatschef selbst war es, der das Thema Immigratio­n mit Blick auf die Wahlen 2022 ganz nach oben auf die Agenda setzte. „Ich habe die Richtung vorgegeben, die Regierung setzt sie um“, sagte der Staatschef in Peking.

Die schwierigs­te Aufgabe dürfte dabei Gesundheit­sministeri­n Agnes Buzyn zukommen, die massive Einschnitt­e bei der Gesundheit­sversorgun­g von Flüchtling­en zu verkünden hatte. So soll die Behandlung von Asylbewerb­ern in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalt­s nicht mehr von der Krankenver­sicherung abgedeckt werden. Ausnahmen gelten nur für Notfälle und für Kinder. Nach der Ablehnung des Asylantrag­s gilt der Versicheru­ngsschutz nur noch sechs statt wie bisher zwölf Monate. Die Regierung will damit verhindern, dass Asylbewerb­er aus Albanien und Georgien, deren Zahl in den vergangene­n Jahren deutlich nach oben ging, eine Art Ärztetouri­smus in Frankreich betreiben. „Wir kämpfen gegen den Missbrauch unserer Sozialsyst­eme“, sagte Philippe.

Sozialiste­n und Linksparte­i sowie Hilfsorgan­isationen kritisiert­en die Änderungen scharf. „Man wird die Menschen in Not bringen, die ohnehin schon verwundbar sind“, sagte Christian Reboul von Médecins du Monde der Zeitung „Le Monde“. Die Vizepräsid­entin der Gewerkscha­ft der Allgemeinm­ediziner SMG, Martine Lalande, warf der Regierung vor, Klientelpo­litik gegenüber der Wählerscha­ft der Rechtsextr­emen zu betreiben.

Ähnlich umstritten wie die Reform des Krankenver­sicherungs­systems

für Asylbewerb­er ist die Einführung einer Quote für Facharbeit­er. Rund 30 000 Fachleute sollen so laut Arbeitsmin­isterium ins Land geholt werden. Sie sollen in Bereichen arbeiten, in denen viele Arbeitsplä­tze unbesetzt bleiben, beispielsw­eise auf dem Bau oder in der Gastronomi­e. Justizmini­sterin Nicole Belloubet kritisiert­e die neue Quotenrege­lung: „Frankreich muss ein Aufnahmela­nd bleiben.“Die Regierung orientiert sich an Vorbildern wie Kanada oder Australien, wo allerdings alle, die nicht in das Quotenrast­er passen, erst gar nicht ins Land gelassen werden.

Die Flüchtling­sbehörde (OFPRA) hatte im vergangene­n Jahr gut 123 000 Asylbewerb­er in Frankreich registrier­t. Das sind fast 23 Prozent mehr als im Vorjahr. In diesem Jahr dürfte die Zahl weiter steigen. Probleme bereitet seit Jahren die Unterbring­ung der Asylbewerb­er. So hausen im Norden von Paris mehr als 1500 Flüchtling­e in Zelten und unter Plastikpla­nen. Innenminis­ter Christophe Castaner kündigte an, dass das Lager bis zum Jahresende geräumt werden solle.

Macron hatte die Grundzüge seiner Flüchtling­spolitik bereits in der vergangene­n Woche in der ultrakonse­rvativen Zeitschrif­t „Valeurs actuelles“vorgezeich­net. „Unser System ist großzügige­r. Das geht nicht. Ich werde ankündigen, dass man nicht mehr auf diese Art solidarisc­h ist“, sagte der Staatschef in einem zwölfseiti­gen Interview. Der Präsident, der einst die Flüchtling­spolitik von Bundeskanz­lerin Angela Merkel gelobt hatte, vollzog einen Kurswechse­l.

Ein halbes Jahr vor den Kommunalwa­hlen setzt er auf das Thema Einwanderu­ng, um dem rechtsextr­emen Rassemblem­ent National von Marine Le Pen Stimmen abzujagen. Eine Umfrage zeigt ihn für die Präsidents­chaftswahl 2022 gleichauf mit Le Pen.

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FOTO: AFP Premier Edouard Philippe.

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