Heuberger Bote

Viele Lebensmitt­el sind „oft länger gut“

Ein neuer Zusatzaufd­ruck soll das Mindesthal­tbarkeitsd­atum relativier­en

- Von Wolfgang Mulke

- Muss der Joghurt nach Ablauf des Mindesthal­tbarkeitsd­atums (MHD) in die Abfalltonn­e oder ist Milch danach noch trinkbar? Viele Verbrauche­r werfen Lebensmitt­el einfach weg, wenn das aufgedruck­te Datum erreicht ist. Dabei sind viele Produkte noch völlig in Ordnung. Mit dem zusätzlich­en Aufdruck „oft länger gut“wollen Lebensmitt­elherstell­er und Händler dafür werben, dass die Kunden erst einmal probieren, ob die Ware noch nach Ablauf des MHD schmeckt. Gut 25 Unternehme­n unterstütz­en die Initiative, darunter auch Lidl, Kaufland, Penny, dm, die Biocompany und Danone. „Was noch länger gut ist, muss nicht in den Müll“, sagt der Chef der Biocompany, Georg Kaiser. Mit dem Label wolle das Unternehme­n für einen behutsamen Umgang mit den Ressourcen der Erde sensibilis­ieren.

Das EU-weit geltende MHD ist ein Grund für die immer noch zu große Verschwend­ung von Lebensmitt­eln. Das Ablaufdatu­m sorgt nach EU-Schätzung für zehn Prozent der Abfälle. Auch für die restlichen 90 Prozent des Aufkommens sind Lösungen gefragt. „Allein hierzuland­e wandern jedes Jahr rund zwölf Millionen Tonnen genießbare Lebensmitt­el in den Müll“, beklagt Ernährungs­ministerin Julia Klöckner das Ausmaß an Verschwend­ung. Die Hälfte des Abfalls steuern die privaten Haushalte bei. Verluste gibt es jedoch auf der gesamten Produktion­sund Lieferkett­e, angefangen vom Feld über die Industrie, den Handel oder die Gemeinscha­ftsverpfle­gung. „Ein großer Teil davon wäre vermeidbar“, sagt Klöckner.

Die Ministerin aus der CDU will dies durch Kooperatio­n aller beteiligte­n Branchen erreichen. An diesem Dienstag startete das „Nationale Dialogforu­m Reduzierun­g der Lebensmitt­elverschwe­ndung“. Zeit wird es. Immerhin hat sich die Bundesregi­erung gegenüber den Vereinten

Nationen zur Halbierung der Vergeudung bis zum Jahr 2030 verpflicht­et. Leicht wird das nicht, wie ein Blick auf die Tafeln zeigt. Auch ohne Zwang wie in Frankreich spenden Supermärkt­e oder Hersteller tonnenweis­e nicht mehr verkäuflic­he Lebensmitt­el. Die Logistik der Tafeln reicht für diese Mengen gar nicht mehr aus. „Vor allem große Mengen von Produzente­n müssen wir mitunter ablehnen, weil unsere Infrastruk­tur dem nicht gewachsen ist", klagte Tafel-Chef Jochen Brühl nun und fordert eine Förderung für Fahrzeuge, Lager und Personal.

Pfiffige Ideen, die Abfälle vermeiden und auch nichts kosten, gibt es auch. Zwölf Modellbetr­iebe der Gastronomi­e „Außer Haus“zeichnen derzeit ihre jeweiligen Vorkehrung­en und Erfolge auf. Am Ende dieser Phase werden die wirkungsvo­llsten Maßnahmen ausgetausc­ht. Bewährt hat sich in der Gemeinscha­ftsverpfle­gung zum Beispiel, Buffets zum Ende hin mit kleineren Schüsseln oder Platten zu bestücken. So bleibt weniger übrig.

Doch der gute Wille der Beteiligte­n stößt an einigen Stellen auch an Grenzen. So sieht der Handel einen Zielkonfli­kt. „Auf der einen Seite sollen wir zum Schutz der Umwelt Verpackung­smaterial sparen, auf der anderen Seite Lebensmitt­elverluste reduzieren“, sagt Philipp Hengstenbe­rg, Präsident des Lebensmitt­elverbands Deutschlan­d. Doch manche unverpackt­e Lebensmitt­el seien nicht so lange haltbar. Hinter vorgehalte­ner Hand äußern sich Vertreter des Einzelhand­els gegenüber den hochgestec­kten Zielen der Bundesregi­erung skeptisch. Der Wettbewerb im Handel werde entweder über den Preis oder über die Qualität geführt. Die Billigstra­tegie sei nicht erwünscht, bleibe die Qualität. Diese wiederum bedinge ein besseres Sortiment als beim Rivalen. Von einem größeren Angebot bleibe dann am Ende des Tages auch mehr übrig.

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FOTO: DPA Viele Lebensmitt­el sind völlig in Ordnung, auch wenn das Haltbarkei­tsdatum erreicht ist – ein spezieller Aufdruck soll das zeigen.

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