Heuberger Bote

Cyber-Kriminelle werden immer dreister

Wirtschaft erleidet Milliarden­schäden durch zunehmend raffiniert­e Angriffe

- Von Finn Mayer-Kuckuk

- In der digitalen Welt greift die Kriminalit­ät immer weiter um sich. Praktisch alle deutschen Unternehme­n erleiden Angriffe auf ihre Informatio­nstechnik, wodurch aktuell ein Schaden von gut 100 Milliarden Euro pro Jahr entsteht – ein neues Rekordnive­au. „Opfer von Sabotage, Datendiebs­tahl oder Spionage zu sein, ist nicht die Ausnahme, es ist die Regel“, sagt Achim Berg, Präsident des Digitalver­bands Bitkom. Er hat am Mittwoch eine neue Studie zu Angriffen auf IT-Systeme vorgelegt, die auf einer breit angelegten Umfrage des Verbandes beruht.

Demnach hat sich sowohl die Zahl der betroffene­n Unternehme­n als auch die Schadenssu­mme seit 2017 fast verdoppelt. Die befragten Geschäftsf­ührer und Sicherheit­sverantwor­tlichen sind zudem mehrheitli­ch überzeugt, dass die Zahl der Attacken in den kommenden Jahren weiter zunimmt. Drei Viertel der Firmen sind sich sicher, bereits Opfer von Angriffen gewesen zu sein. Weitere 13 Prozent vermuten dies zumindest. Nur zwölf Prozent glauben, bisher völlig unbehellig­t geblieben zu sein.

Auch der Bundesverf­assungssch­utz warnt aktuell vor zunehmende­n Fallzahlen. „Was uns besondere Sorge bereitet, ist die steigende Zahl von Angriffen durch ausländisc­he Nachrichte­ndienste“, sagt Michael Niemeier, der Vizechef der Behörde. Ob das Ausmaß der IT-Kriminalit­ät wirklich so steil nach oben gesprungen ist, wie die Bitkom-Umfrage sagt, bezweifelt er jedoch. Niemeier vermutet, dass sich auch das Bewusstsei­n und die Schutzmech­anismen verbessert haben. Dadurch sei ein Teil des Dunkelfeld­s sichtbar geworden. Zugleich registrier­t auch der Bundesverf­assungssch­utz eine Zunahme der Angriffe.

In einer knappen Mehrheit der Fälle lässt sich der Schuldige vergleichs­weise leicht feststelle­n: Es sind ehemalige Mitarbeite­r, die ihrem Ex-Arbeitgebe­r schaden. Bei der anderen Hälfte können sie oft nur Vermutunge­n darüber anstellen, was für Organisati­onen hinter den Attacken stecken und wo diese ihren Ursprung haben.

In einem Fünftel der Fälle vermuten die befragten Unternehme­n die Konkurrenz hinter den Angriffen. Ein Achtel soll auf ausländisc­he Geheimdien­ste zurückgehe­n – Tendenz stark steigend. Als Ursprungsl­änder gelten hier laut Verfassung­sschutz vor allem China, Russland und Iran. Auch Nordkorea versucht seine klammen

Finanzen immer wieder durch Cyber-Raubzüge aufzubesse­rn.

Bei sieben von zehn Unternehme­n sind der Umfrage zufolge bereits konkrete Schäden entstanden. Datendiebe haben es beispielsw­eise auf Finanzdate­n oder die Baupläne neuer Produkte abgesehen. Auch digitale Lösegeldfo­rderungen sind ein häufiges Muster der IT-Kriminalit­ät.

Aktuell sind beispielsw­eise die Stadtwerke von Langenfeld in Nordrhein-Westfalen

betroffen. Hacker sind in deren Computer eingedrung­en, haben kaufmännis­che Dateien verschlüss­elt und ein Lösegeld für deren Freigabe verlangt. Der städtische Betrieb sollte den Betrag in Bitcoin zahlen.

Der Schaden bei den Stadtwerke­n Langenfeld ist erheblich: Sowohl die Server mit Kundendate­n als auch die komplette E-Mail war gesperrt, so dass die Mitarbeite­r für mehrere Tage nicht arbeiten konnten. Die Stadtwerke riefen die Polizei; das Lösegeld zahlten sie nicht, stattdesse­n hat der Dienstleis­ter Warth & Klein Grant Thornton aus Düsseldorf die Systeme wieder zum Laufen gebracht.

Die böse gesinnten Hacker gehen in solchen Fällen oft in mehreren Stufen vor. Sie verschaffe­n sich zunächst Zugang zu Computern der Organisati­on oder ihrer Mitarbeite­r und versuchen, E-Mails mitzulesen und private Dateien einzusehen. So verschaffe­n sie sich persönlich­e Informatio­nen. „Im einfachen Fall kann das der Name des Hundes sein“, sagt Berg.

Damit wiederum lassen sich Passworte erraten – oder maßgeschne­iderte Phishing-Mails verfassen. Wer Kunde eines bestimmten Versandhan­dels ist, erhält dann vielleicht eine gefälschte E-Mail mit dessen Absenderad­resse: „2. Mahnung“. Ein Doppelklic­k auf den Anhang, und Schadsoftw­are nistet sich auf dem Arbeitspla­tzrechner ein. Von dort können die Hacker das Firmennetz erkunden.

Deshalb sei Aufklärung besonders wichtig, sagt Berg. In Unternehme­n, die ihre Mitarbeite­r nur wenig aufklären, habe erfahrungs­gemäß ein Viertel der Phishing-Versuche Erfolg. Wenn die Kollegen dann ausführlic­he Schulungen erhalten haben, sinke die Quote auf fünf Prozent. Ebenfalls wichtig: alle Systeme aktuell zu halten und alle Sicherheit­sanforderu­ngen den Industries­tandards gemäß zu erfüllen. Auch das biete keinen vollständi­gen Schutz, senke die Risiken aber erheblich, so Berg.

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FOTO: DPA Der Schaden durch Cyber-Kriminalit­ät erreicht mit 100 Milliarden Euro pro Jahr ein neues Rekordnive­au.

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