Nun siegen sie wieder
Roland Emmerich erzählt „Midway“als Rettung der Welt
Manchmal zeigt das Kino, wie die Filmindustrie auf die Welt gekommen ist: als Propaganda-Dienstleister. Auch heute arbeitet der Film gern dem Militär zu. 2001 hat Michael Bay den japanischen Überraschungsangriff vom Dezember 1941 auf den US-Stützpunkt Pearl Harbor als computergeneriertes Spektakel in Szene gesetzt. Und damit einen der größten Kassenschlager produziert. Jetzt zeigt Roland Emmerich mit „Midway“die Retourkutsche, die ein halbes Jahr später folgte: die Seeschlacht bei den beiden Pazifikinseln, die, wie der Name sagt, auf halbem Weg liegen zwischen San Francisco und Tokio.
Das Drehbuch ist informativ wie ein Wikipedia-Eintrag, es protokolliert solide den Ablauf der Schlacht vom Juni 1942. Und die Stationen auf dem Weg dahin. Das sind ebenfalls Seeschlachten. Und der Luftangriff auf Tokio vom April 1942, der riskante „Doolittle Raid“, bei dem die USBomber, um nahe genug ans Ziel zu kommen, von einem Flugzeugträger aufstiegen. Das bedeutet: Im neuen Film können nimmermüd’ die gleichen Filmfetzen wiederholt werden. Es wird also an Steuerknüppeln gerüttelt, an Maschinengewehren gekurbelt, geballert und gebombt, bis der virtuelle Himmel schwarz wird.
Die Schlachtengemälde zeigen diese Etappe im Zweiten Weltkrieg mit dem Blick durch die amerikanische Brille. Emmerich nimmt aber auch die japanische Seite ernst. Man bekommt mit, dass Midway in die Kolonialgeschichte des Kaiserreichs gehört, in der die aufstrebende Industrienation um den Zugang zu Rohstoffen kämpfte. Japans Streitkräfte hatten China und Korea erobert. 1941 sammelte ihre moderne Flotte die europäischen Kolonien in Südostasien wie Fallobst ein.
Der Film arbeitet hier nicht klischeehaft und schon gar nicht abschätzig. Das knapp gezeichnete Porträt des weitsichtigen japanischen Admirals Yamamoto (Etsachi Toyokawa) bringt dem Strategen Achtung und Respekt entgegen. Ja öffnet sogar ein Fenster, um dessen begrenzten Spielraum zu zeigen angesichts der Kontroversen um Kriegsziele und Konzepte.
Das Klischee liegt auf amerikanischer Seite. Es ist stets das Gleiche in all den Filmen über den Pazifikkrieg: die Unbeugsamkeit. Das körperliche Merkmal ist der energische Unterkiefer: vom Oberbefehlshaber Chester Nimitz (Woody Harrelson) bis zu den Piloten-Cowboys. Einer von ihnen (Ed Skrein) spielt die Hauptrolle im Film, weil er zwei japanische Flugzeugträger attackierte und traf. Er wird an Zielstrebigkeit noch übertroffen von seiner Angetrauten (Mandy Moore), die gleich mit Stuttgarter Resolutheit zum ersten Drink im Casino fragt, warum der Göttergatte noch nicht befördert ist.
Emmerich tischt so eine „Make America great again“-Story auf. Die Bedeutung von Midway bestand darin, dass die Amerikaner in einer Seeschlacht gegen die Japaner keine Niederlage
einsteckten. Beide Seiten hatte schwere Verluste. Emmerich deutet das Unentschieden als Sieg der Herzen und schraubt Midway zur Rettung der Menschheit hoch. Der Mythos der Entschlossenheit überhöht Zufälle im Verlauf der Schlacht. Einer dauerte fünf Minuten. In diesem Zeitfenster konnten die Sturzkampfbomber der Amerikaner zu den japanischen Flugzeugträgern durchdringen. Emmerich lässt die Piloten dabei wie KamikazeFlieger aussehen.
Bei aller Dramatik: Das hat nicht den Kriegsverlauf gedreht. Auch nicht der Code-Knacker, den Emmerich vorbildgetreu als übernächtigtes Genie im Bademantel (Brennan Brown) umherschleichen lässt. Kriegsentscheidend war das gigantische Rüstungsprogramm, von dem wir im Film nichts erfahren. Gegen die Kapazitäten der US-Industrie hatte Japan keine Chance. Yamamoto wusste das: Er hatte sich als junger
Mann in Detroit umgeschaut. Seitdem war er überzeugt: Das Fließband gewinnt.
Emmerich greift auch die Verflechtung von Midway und Hollywood auf. Der Regisseur John Ford hatte schon 1942 einen kurzen Film „Schlacht um Midway“gedreht, im Auftrag des Geheimdiensts. Er war auf dem Pazifikatoll, auf dem die Amerikaner ihren äußersten Vorposten hatten, eine Piste für ihre Aufklärer und eine Tankstelle für ihre UBoote. Bei Emmerich wirkt die Szene mit den wackeligen Kamerastativen in den Dünen wie eine Komikeinlage. Aber die Japaner kamen wirklich, als Ford drehte.