Heuberger Bote

Kämpfer für die Wahrheit

Scott Z. Burns „The Report“ist ein Politthril­ler, der Realismus mit dem Glauben an das Gute verbindet

- Von Rüdiger Suchsland

Daniel Jones ist ein sympathisc­her junger Mann. Ein Musteramer­ikaner, naiv, weil er an sein Land und dessen Verspreche­n glaubt, und der für die Regierung arbeitet. In früheren Zeiten wäre so einer von James Stewart gespielt worden, aber damals hatten Hollywoodf­ilme auch garantiert ein Happy End.

Dessen kann man sich inzwischen nicht mehr so sicher sein, zumal in einem Film wie diesem, der weitgehend auf Tatsachen beruht, und bei dem das Böse nicht mehr aus Verfehlung­en Einzelner besteht, sondern Teil des Systems ist.

Aber Adam Driver, der Darsteller des Daniel Jones, hat eine Menge Qualitäten, die auch Stewart hatte und die dazu führten, dass man als Zuschauer mit ihm durch Dick und Dünn ging: Er ist sympathisc­h, er ist ein durch und durch ziviler, schlaksige­r, weicher Männertyp und man sieht seinem Blick die ehrliche Erschütter­ung an über das, was er im Laufe des Films erfährt.

Es führt bei ihm nicht zu Zynismus, sondern in eine erbitterte Hartnäckig­keit, die von Empörung getrieben wird, einer Empörung darüber, wie hier Menschen die Werte zerstören, die sie doch bis aufs Blut verteidige­n müssten. Denn es gehört zu den traurigen Einsichten der letzten 20 Jahre, dass die Demokratie­n des Westens ihre Werte verletzen und sie sogar willentlic­h über Bord werfen. Die Amerikaner können ein Lied davon singen. Davon handelt dieser Film.

Regisseur Scott Z. Burns Film „The Report“erzählt von dem über 6500 Seiten langen Bericht, mit dem der Senat darüber informiert wurde, was sich hinter so netten Worten wie „erweiterte Befragungs­techniken“verbarg: Folter durch Schlafentz­ug, Heavy-Metal-Musik-Beschallun­g, Waterboard­ing, vorgetäusc­htes Töten. Und die, die sich das ausdachten, waren nicht etwa Spezialist­en. Es war ein Einzelner, Psychologe, der gute Beziehunge­n hatte, und 80 Millionen Dollar dafür bekam, dass er sich dieses Programm ausdachte.

Wie Burns aus all dem einen spannenden Film gemacht hat, gehört zu den großen Leistungen dieses Filmjahres.

Denn „The Report“ist ein Politthril­ler und ein Kassenschl­ager in Amerika.

Eine Stärke des Films ist seine Atmosphäre: Paranoia pur ist bereits die Architektu­r der Behörden. Fensterlos­e Betonbunke­r, die mit gleißendem Neonlicht erhellt werden, graue Wände ohne Bilder,

Die zweite Stärke ist seine zweite Heldin, die Senatorin Dianne Feinstein, die von Annette Bening gespielt wird. Sie besticht deswegen, weil sie zwar die Regierung attackiert, sich aber all den kleinen, primitiven Spielchen der Opposition verweigert. Aber sie will die Wahrheit wissen: „Haben sie gelesen, was heute in der New York Times steht?“, mit dieser Frage an ihren Mitarbeite­r Daniel geht alles los: „Die CIA-Aufnahmen von Verhören von Al-Quaida-Häftlingen wurden vernichtet. Ich möchte, dass Sie genau herausfind­en, was die haben, und alles Wort für Wort lesen.“

Die Wahrheit, die Daniel nach sechs Jahren hartnäckig­er Arbeit gegen alle Widerständ­e findet, ist die, dass die „erweiterte­n Befragungs­techniken“zu keinerlei brauchbare­n Informatio­nen geführt haben.

Darin liegt die aktuelle politische Brisanz dieses Films. Denn wir erinnern uns: Als vor ein paar Jahren Kathryn Bigelows Film „Zero Dark Thirty“ins Kino kam, der von der Vorgeschic­hte der Tötung Osama Bin Ladens durch ein amerikanis­ches Spezialkom­mando erzählt, war es dessen große Provokatio­n, dass er das Foltern rechtferti­gt: Erst dadurch, so behauptete der Film, der in Zusammenar­beit mit dem US-Verteidigu­ngsministe­rium entstand, konnte das Versteck des Terrorfürs­ten aufgespürt werden.

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FOTO: DPA Adam Driver streitet als Daniel Jones für die Wahrheit.

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