Heuberger Bote

Jagd in Bärenthal: Qual oder Pflicht?

Rund um den Ort wollen Jäger die Natur regulieren - unnötig, sagen Tierschütz­er

- Von Birga Woytowicz

- Berufspfli­cht oder blutiges Hobby? Die Jagd ist Streitthem­a zwischen Forstbetri­eben und Tierschütz­ern. Gerade jetzt, mit Beginn der kalten Jahreszeit, stellen die Jäger ihre Gewehre scharf. Und ihre Gegner die Zungen. Deutschlan­dweit werden Drückjagde­n ausgetrage­n. Am Samstag sind 45 Treiber und Hundeführe­r rund um die Gemeinde Bärenthal unterwegs, um Wildschwei­ne und Rehe vor die Flinten der Jäger zu hetzen.

Auf 350 Hektar Fläche teilen sie sich auf, von Gnadenweil­er bis hoch nach Nusplingen im Zollernalb­kreis. Die 35 Jäger ziehen sich auf Hochsitze zurück. Nur von dort oben dürfen die Tiere erlegt werden. „Wir sind Berufsjäge­r und zur Jagd verpflicht­et. Das ist auch gesetzlich geregelt“, sagt Raimund Friderichs, der Leiter des Forstbetri­ebs Hohenzolle­rn, auf dessen Gebiet die Jagd stattfinde­t. Ziel sei es, die Wildtierpo­pulation zu regulieren und damit einen Beitrag zum Klima- und Seuchensch­utz zu leisten.

„Totaler Quatsch“, sagt Nadja Michler von PETA Deutschlan­d. Die Tierschutz­organisati­on spricht sich grundsätzl­ich für ein Jagdverbot aus. Jagen sei keine Pflicht, sondern ein Hobby – aus Freude am Töten. Statt zu regulieren, vergrößere eine Jagd die Wildtierpo­pulation sogar. „In nicht bejagten Gebieten werden Tiere erst später geschlecht­sreif. Dann pflanzen sich auch nicht alle Tiere fort.“Seien Jäger unterwegs, lebe das Wild unter ständiger Angst und mit viel größerem Fortpflanz­ungsdruck.

„Wir versuchen extra an einem Tag möglich viel Strecke zu machen, um das restliche Jahr über wenig

Druck auf das Wild auszuüben“, hält Jäger Norbert Kuhn dagegen. Er hat die Jagd in Bärenthal mit organisier­t. Von Dauerstres­s sei keine Rede. Außerdem ersetze die Jagd eine natürliche Regulation des Bestandes. „Es gibt ja keine Bären, Wölfe oder Luchse, die die Tiere reißen.“

Der Eingriff durch die Jagd sorge nicht nur für eine stabile Zahl an Wildtieren, sondern auch ein stabiles Klima. „Besonders Rehwild frisst gerne Weißtannen. Das führt dazu, dass die Bäume über die Jahre verjüngen und nicht gut nachwachse­n“, sagt Kuhn. Dabei seien die Tannen wichtig, um Mischwälde­r aufzubauen, denen die Klimaerwär­mung weniger zu schaffen macht als einer Monokultur.

Für Nadja Michler bekämpfen die Jäger damit ein hausgemach­tes Problem. „In der kalten Jahreszeit schalten die Tiere auf Energiespa­rmodus und legen sich zur Ruhe. Wenn sie aufgescheu­cht werden, müssen sie ihren Energieums­atz erhöhen“, erklärt Michler. Das Kraftfutte­r bieten die Bäume. Ohne Jagd entstünden folglich weniger Waldschäde­n.

Aber den Jägern geht es nicht nur um das Klima. Mit der Jagd bekämpfe man auch die Afrikanisc­he Schweinepe­st, sagt Norbert Kuhn. Akut ist das derzeit nicht: Bislang ist noch kein einziges Schwein in Deutschlan­d erkrankt. Aber: „Gibt es weniger Tiere im Wald, ist die Ansteckung­sgefahr geringer.“

Den Ausbruch der Seuche könne die Jagd nicht verhindern. In diesem Punkt herrscht ausnahmswe­ise Einigkeit zwischen Jäger und Tierschütz­erin: Fleischabf­älle, zum Beispiel die letzten Happen eines Salamibröt­chens, sollten nicht achtlos in der Natur landen. Stammt die Wurst von einem infizierte­n Tier, ist das für den Menschen ungefährli­ch. Aber für ein Wildschwei­n ist es ein Todesurtei­l. Vorbei die Einigkeit. „Bricht die Schweinepe­st aus, würde den Tieren nur ein Impfstoff helfen“, sagt Nadja Michler. Dieser fehlt bislang. Der Forstbetri­eb Hohenzolle­rn setzt solange auf die Jagd.

Am Samstag wird das Jagdgebiet weiträumig abgesperrt werden. Hinweissch­ilder warnen vor Lebensgefa­hr. So soll sich niemand auf die bejagte Fläche verirren. Wie lange sie gesperrt bleiben, ist noch unklar. Die genaue Jagdzeit wird erst am Samstag bekanntgeg­eben. Abgrenzung statt „friedliche­r Koexistenz“. Das wäre der Idealzusta­nd für Nadja Michler: Wenn der Mensch Wildtiere nicht mehr bekämpfen und Tiere sich selbst überlassen würde.

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SYMBOLFOTO: PIXABAY Ein Wildschwei­n liegt tot auf dem Waldboden.
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