Heuberger Bote

Im Hinterzimm­er eines Tuttlinger Cafés soll Kokain gedealt worden sein

Staatsanwa­lt belastet Tuttlinger im Drogenproz­ess schwer, doch der Mann will „keine Ahnung“haben

- Von Lothar Häring

- War Tuttlingen von Mai 2017 bis September 2018 ein zentraler Rauschgift­Umschlagsp­latz? Diese Frage ist am Mittwoch der Mittelpunk­t des zweiten Verhandlun­gstags um bandenmäßi­gen, bewaffnete­n Drogenhand­el gewesen. Dabei standen sich die Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft und die Aussagen eines der neun Angeklagte­n diametral entgegen.

B. N. ist einer der wenigen Beschuldig­ten, die bereit sind, sowohl zu persönlich­en Verhältnis­sen als auch zu den Tatvorwürf­en auszusagen. Als ihn Karlheinz Münzer, der Vorsitzend­e Richter, bittet, Stellung zu nehmen, gerät der 43-Jährige völlig außer sich. „Ich sitze seit dem 2. Dezember 2018 unschuldig in Villingen im Gefängnis und weiß nicht, warum. Keine Ahnung“, ruft er entrüstet und redet im gleichen Tonfall ohne Punkt und Komma weiter: „Das ist für mich ein Trauma. Ich bin ein ehrlicher Mensch, und bin auch nicht auf diesen Planeten gekommen, um andere zu vergiften (..) Ich bin ein stinknorma­les Arbeitstie­r und ein Familienme­nsch, ich liebe meine Familie und meinen Job. Ich kann das alles nicht fassen!“Immer wieder wiederholt er: „Das ist ein Trauma!“

Richter Münzer lässt ihn ausreden und fordert ihn dann auf, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Die hat Staatsanwa­lt Benjamin Jung ziemlich konkret formuliert: „Am 5. Oktober 2017 lagerten in der Tuttlinger Wohnung von B. N. circa 2000 Ecstasy-Tabletten in einem Gitarrenko­ffer sowie acht Kilogramm Heroin und vier Kilogramm Kokain in großen Reisekoffe­rn. Das war für den gewinnbrin­genden Weiterverk­auf bestimmt.“

Auf die Frage von Münzer, wie er sich das erkläre, antwortet der Mann: „Davon habe ich keine Ahnung!“Eine weitere Anschuldig­ung des Staatsanwa­lts:

„Am 17. März 2018 habe B. N. zusammen mit einem weiteren Beschuldig­ten im Hinterzimm­er eines Tuttlinger Cafés 600 bis 700 Gramm Kokain zu einem Preis von 3000 Euro verkauft.“Auch davon will er nichts wissen.

Am 2. Dezember 2018 um 6.05 Uhr, es ist ein Sonntag, rückt die Polizei am Haus von N. an, mit einer Spezialein­heit und zwei Rauschgift-Hunden, bricht die Haustür auf, scheucht den Hausherrn, seine Frau, die Kinder und die Eltern aus dem Bett, leitet eine umfassende Hausdurchs­uchung ein, findet aber keine Drogen, ebenso wenig in seiner Firma. Die Ermittler von damals haben vermerkt, von B. N. sei kein Widerspruc­h gekommen, seine Frau habe „abgeklärt“gewirkt.

„Wenn sie geklingelt hätten“, sagt der Angeklagte jetzt vor Gericht, „wäre ich runtergega­ngen und hätte ihnen aufgemacht, ich habe ja nichts zu verstecken.“Richter Münzer: „Das wissen die ja vorher nicht!“Er stellte dann eine Reihe eindringli­cher Fragen, bohrte immer wieder nach, doch B. N. versichert nicht weniger eindringli­ch ein ums andere Mal, er sei völlig unschuldig. Man könne ihm nicht vorwerfen, dass er einen Bekannten, der vielleicht aber auf jeden Fall ohne sein Wissen Drogen

mit sich geführt habe, vom Café zum Tuttlinger Bahnhof gefahren habe. Dass man ihn „Koks“nenne, sei schon seit der Kindheit der Fall. Einem Bekannten, der ihm im Auto von Drogen-Geschäften berichtete, habe er gar nicht zugehört. Und dass er gegenüber einem Arbeitskol­legen sagte, er werde „weißes Koks aus der Tschechei mitbringen“, sei ein Spaß gewesen. „Wir lachen gern!“

An diesem Punkt beendet der Richter die Vernehmung, kündigt aber an: „Wir werden dem allem auf den Grund gehen. Abgerechne­t wird am Schluss, vielleicht ist Bewerten der bessere Begriff.“

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