Ohne Angst ins Risiko
Fidel Leib lebt für den Rennsport – Auch schwere Unfälle bringen ihn nicht aus der Ruhe
- Es gab da diesen einen Moment im Leben von Fidel Leib, der alles hätte ändern können. Es war im Juli dieses Jahres. Der Rennfahrer aus dem Westallgäu, der mittlerweile in Kressbronn lebt, startete bei der VLN-Langstreckenmeisterschaft auf dem Nürburgring. Hunderte Runden hat er im Lauf seiner Karriere auf der berühmten Nordschleife bereits gedreht. Doch an diesem Tag wird er das Rennen vorzeitig beenden. Kurz nach einer Linkskurve ist der Asphalt plötzlich schmierig. Öl ist auf die Fahrbahn geraten. Der Streckenposten reagiert nicht schnell genug, Leib schlittert über die Strecke, kommt zum Stehen, wird von zwei heranrasenden Autos heftig in der Seite getroffen. Mehr als 200 Stundenkilometer haben die auf dem Tacho.
Kurz nach dem Crash eilen Sanitäter heran, zerren ihn aus dem Auto. „Das war schon ziemlich heftig“, erzählt der Rennfahrer nun. Der 31-Jährige hat den Unfall unbeschadet überstanden. Sogenannte Überrollkäfige sorgen in Rennautos dafür, dass die Fahrer bei Überschlägen geschützt sind. „Rennautos sind damit heutzutage viel sicherer als normale Straßenautos“, beteuert er. „Wirklich schwere Unfälle, bei denen sich die Fahrer schwer verletzen oder gar sterben, passieren heute eigentlich kaum noch.“
31-Jähriger schmiedet große Pläne
Nicht eine Sekunde habe er anschließend darüber nachgedacht, mit dem Rennfahren aufzuhören. „Das könnte ich gar nicht. Dafür ist die Liebe und die Leidenschaft für den Motorsport einfach zu groß“, sagt Leib. Stattdessen schmiedet der 31-Jährige große Pläne. Im vergangenen Jahr gelang ihm mit seinem Team am Nürburgring nach neun Rennen der zweite Platz in der SP10-Klasse, in der er seit 2015 startet. Jetzt will er sich weiterentwickeln.
Das Jahr 2019 nutzte Leib deshalb, um neue Dinge auszuprobieren. Gleich im Januar holte er mit dem Team „Sorg Rennsport“im BMW M4 den zweiten Platz beim 24-StundenRennen in Dubai. „Das hat richtig Spaß gemacht“, sagt er. „Ich hoffe, dass ich das im kommenden Jahr wieder angehen kann.“Bei der VLN startete er in einem Auto, dessen Karosserieteile aus einem Naturfasermix bestehen, der primär aus Reststoffen der Landwirtschaft hergestellt ist. Im vergangenen Monat trat Leib außerdem beim „Lamborghini Super Trofeo Europe“in Spanien an und fuhr dabei in seiner Klasse auf den vierten Platz. Nebenbei arbeitete er als Entwicklungsfahrer, als Coach für andere Fahrer und im Management.
Der Rennsport nimmt damit den größten Teil seines Lebens ein. Aushilfsweise springt der gelernte Entsorgungsfachwirt noch im elterlichen Recycling-Betrieb in Wangen ein. Während der Saison kommt er aber kaum dazu. Und auch die Winterpause ist kurz. Schon im Januar stehen wieder die ersten Rennen an. Die Ziele dafür hat Leib schon gesteckt: Er will den Fokus wieder auf den AMG legen, am liebsten die interne AMG-Meisterschaft holen, in der alle Mercedes-Piloten aller Rennserien vertreten sind. Außerdem steht die GT4-Europameisterschaft an.
Erfolg ist nicht nur eine Frage des Könnens, sondern auch des Geldes
Sein Traum ist es, irgendwann einmal das 24-Stunden-Rennen von Le Mans oder Spa-Francorchamps zu fahren. Das ist allerdings nicht nur eine Frage des Könnens, sondern auch eine des Geldes. Dazu gehört auch, dass sich die Unfälle in Grenzen halten müssen. Körperlich hat Leib den Unfall im Sommer zwar unbeschadet überstanden, trotzdem hatte dieser für ihn Konsequenzen. 20 000 Euro beträgt die Selbstbeteiligung bei Schäden – egal, wer sie verursacht hat. Erst dann greift die Versicherung.
Seinen Unfall im Sommer auf der Nordschleife hat eine Kamera im Inneren des Autos aufgezeichnet – aus Fahrerperspektive. Das Video hat Leib als Datei auf seinem Computer. Manchmal schaut er es sich an. „Das schockt mich gar nicht“, sagt er.