Ein Stück Heimat am Bodensee
60 Männer aus aller Welt gründen eine Cricketmannschaft in Friedrichshafen
- Wer kennt Virat Kohli? 36 Millionen Menschen folgen ihm auf Facebook. Das schafft kein deutscher Fußball-Nationalspieler. Virat Kohli ist Multimillionär und in seinem Land ein Superstar. Er ist der Cristiano Ronaldo des Crickets und in Indien ein Volksheld. Balaji Raman (30) weiß sehr genau, wer Virat Kohli ist. Er ist ebenfalls Inder und lebt seit drei Jahren in Deutschland und arbeitet als IT-Ingenieur bei Continental in Lindau.
Balaji Raman ist es gelungen, was viele seiner ausländischen Kollegen vergeblich versucht haben: Er hat einen Verein gefunden, der bereit ist, eine eigene Cricketabteilung zu gründen. Die Rede ist vom VfB Friedrichshafen.
Dazu muss man wissen, dass Cricket nach Fußball weltweit auf Platz zwei der beliebtesten Sportarten rangiert und 2,5 Milliarden Fans auf der Erde hat. Die Begeisterung für Cricket lässt sich geografisch leicht einteilen: In Großbritannien mit seinen ehemaligen Kolonien und Überseegebieten steht Cricket ganz oben. England, Australien, Neuseeland, Südafrika, Indien, Pakistan, Sri Lanka, Bangladesch und Afghanistan zählen zu den besten Nationen in dieser Sportart. In Deutschland und am Bodensee führt Cricket bisher hingegen ein Schattendasein. Das soll sich jetzt ändern. „Wir haben in allen Bereichen, vor allem in den Großkonzernen der Region immer mehr Beschäftigte aus den Gebieten Indien und Pakistan. Dazu kommen
Flüchtlinge aus Afghanistan und weiteren Regionen, wo Cricket Nationalsport ist. Das Amt für Integration in Friedrichshafen hat uns auch angefragt, ob wir eine Möglichkeit sehen, dass 15 bis 20 interessierte Flüchtlinge Cricket spielen können. Diese beiden Ereignisse waren nahezu gleichzeitig“, erklärt Wunibald Wösle, Präsident des VfB Friedrichshafen. Das war Anfang des Jahres. Der VfB Friedrichshafen reagiert prompt und rief die Abteilung Cricket ins Leben.
Mannschaft startet im nächsten Jahr in der Regionalliga
„Die Idee war, Cricket und damit Heimat auch hier zu haben“, erklärt Balaji Raman. Mit seiner Cricket-Seite auf Facebook hat der 30-Jährige 60
Cricket-Enthusiasten in der Bodenseeregion gewonnen. Sie arbeiten bei verschiedenen Firmen wie ZF, Continental, Rolls Royce, Telekom und vielen mehr. „Teilweise kommen sie aus Ulm, Laupheim oder Konstanz zum Training nach Friedrichshafen angefahren“, berichtet der Initiator.
Die Pläne sind groß: Durch die Aufnahme im VfB Friedrichshafen kann die Cricketmannschaft im nächsten Jahr zum ersten Mal in der Regionalliga antreten. Es soll auch bald eine Frauenmannschaft entstehen und Ahmed Abbas aus England, der schon seit 25 Jahren hier lebt, will in Schulen Jugendliche für den Sport begeistern. Dafür ist die Häfler Cricketabteilung auf der Suche nach Sponsoren, denn Auswärtsspiele, Ausrüstung und alles was dazu gehört, will finanziert sein. Und auch die Wege in der Regionalliga im nächsten Jahr werden weit. Zwar ist Cricket in Deutschland inzwischen eine aufstrebenede Sportart mit mittlerweile 160 eingetragenen Vereinen, aber für die Auswärtsspiele muss die Mannschaft teilweise bis nach Karlsruhe oder Mannheim reisen.
Die Spielberechtigung hat die Cricketabteilung vom VfB Friedrichshafen bereits erhalten und ist direkt dem Präsidenten Wunibald Wösle unterstellt. Im November werden die Spieler ihren Nationalsport im Hauptausschuss und in der Hauptversammlung des Vereins vorstellen. Damit ist das Team seinem Wunsch nach ein Stück Heimat am Bodensee ein großes Stück nähergekommen.