Spiel der Ideen
Ihr erstes DEL-Spiel war im September 1994 ein 4:3 mit Mannheim im Derby gegen die Frankfurt Lions. Das letzte, zudem exakt das 500., haben Sie 2007 im Roosters-Trikot bestritten, bei einem 6:0 über die Füchse Duisburg. Was blieb im Gedächtnis haften von diesen Begegnungen?
Es gibt diese Ex-Sportler, die sich minutiös an einzelne Spiele erinnern können. Bei mir war das so: Wenn ein Spiel aus war, hab’ ich oft meine Eltern angerufen. Dann haben sie gefragt: „Und, wie war’s?“Dann sag’ ich: „Ja wartet mal, wir haben … jetzt weiß ich ’s Ergebnis gar nicht.“Dann hab’ ich jemand im Bus gefragt. Ich wusste nur, ob wir gewonnen oder verloren hatten. Vom ersten Spiel weiß ich gar nichts. Dass es Frankfurt war und 4:3, glaub’ ich – weiß ich aber nicht. Und vom letzten Spiel gegen Duisburg, da weiß ich tatsächlich nur noch, dass ich mit der „500“als Rückennummer gespielt hab’. Aber sonst ... Bei Weltmeisterschaften, wenn ich da kommentiere, ist es sogar so, dass ich mir die Ergebnisse aufschreib’. Wenn ich einzelne Situationen sehe, dann weiß ich zwar ganz genau, wo wer hingepasst hat und welches Tor er da gemacht hat. Aber wenn jemand fragt: „Wie sind die Spiele ausgegangen?“, weiß ich noch nicht einmal, wer an dem Spieltag überhaupt gespielt hat.
Aber ein Ereignis ist sicher noch präsent; es jährt sich am kommenden Montag: 20 Jahre ist es am 11. November her, dass ...
Das hab’ ich erst bei der Arbeit am Buch gemerkt, was vom 11. 11. 1999 noch alles in meinem Kopf ist. Wenn Sie mich jetzt fragen: Spielausgang? Das weiß ich nicht (1:2; d. Red.). Es war gegen Nashville. Aber ich weiß natürlich, dass ich mich am Schluss verletzt hab’ (doppelter Bänderriss im rechten Sprunggelenk; das vorzeitige Ende von Rick Goldmanns erstem – seinem einzigen – Einsatz für die Ottawa Senators in der National Hockey League; d. Red.). Und ich kann alles von davor sagen: Es war ein absolutes Chaos, bis es an diesem Tag zu meinem ersten NHL-Spiel gekommen ist. Weil vom Schläger-Vergessen am Flughafen übers Nervös-Sein bis zum Anzug-Vergessen und Neuen-Kaufen so ziemlich alles passiert ist.
Seither stehen ein NHL-Spiel, 14 Wechsel und 9:44 Minuten Eiszeit in Ihren Statistiken – hadert man da manchmal noch mit dem Übersee-Schicksal?
Als ich die Verletzung hatte, war mir klar: Das war’s mit der NHL! Ich war drei Jahre drüben, ich hab’ drei Jahre die Möglichkeit gehabt. Manchmal ist es nicht so leicht, weil die äußeren Umstände nicht passen. Aber es gibt für Menschen, die gut genug sind, immer Wege, sich durchzusetzen. Das hab’ ich nicht geschafft, das ist einfach so. Man muss halt festhalten, dass man schlicht nicht gut genug war. Das find’ ich überhaupt nicht schlimm. Denn ich hab’ dadurch ganz andere Sachen erlebt, bin andere Wege gegangen. Sicherlich wär’ es schön, 500 NHL-Spiele zu haben. Aber das war halt nicht mein Weg.
In der Nationalmannschaft lief es runder. 128 Länderspiele sind eine Hausnummer, sieben WM-Teilnahmen und zweimal Olympia sowieso. Als Bundestrainer haben Sie George Kingston, Hans Zach und, bei einem Zwei-Spiele-Comeback Ende 2006, Uwe Krupp erlebt. Wer war der Prägendste?
Wenn man neu in die Nationalmannschaft kommt, hat der aktuelle Bundestrainer einen wahnsinnigen Stellenwert. Das war George Kingston, der damals auch den Umbruch eingeläutet hat, sehr viele junge Spieler in die Mannschaft gebracht hat. Ich glaube, die schwierigste Zeit war die, die Hans Zach hatte. Deutsche Spieler
Eines sollte es nicht werden: Erinnerung allein, Karriere-Aufarbeitung, Eishockey-Nostalgie. „Kein klassisches ,Der Onkel erzählt vom Krieg, von anno dazumal‘, und das war’s.“Rick Goldmann darf beruhigt sein: Wurde sein
nicht. Stets vertieft die Einordnung – der Blick aufs Jetzt, auf Entwicklungen, auf Trends – die Insider-Sicht des Ehemaligen. Charmantpointiert festgehalten hat Co-Autor Günter Klein diese; der Chefreporter des „Münchner Merkur“gilt als brillanter Kenner der Sportart und ebensolcher Schreiber. Man habe „immer hinund hergespielt mit den Ideen“, sagt Rick Goldmann, mit dem Ziel, „die Leute für Eishockey zu begeistern – hoffentlich“. Hoffnung erfüllt, Spiel gelungen. Lesenswert! (lin)
Goldmann, Rick mit Klein, Günter:
Hamburg, Edel Books, 2019, ISBN 978-3-8419-0674-8, 240 Seiten mit Bildstrecke, 18,95 Euro. hatten durch das Bosman-Urteil in Deutschland keinen hohen Stellenwert. Hans Zach hat sich da als ihr Verbündeter gesehen und dafür gekämpft, dass sie mehr Aufmerksamkeit bekommen, dass sie sehr wohl zeigen können, dass sie gut sind. Sooft der Hans auch angeeckt ist – als Persönlichkeit, über Jahrzehnte hinweg, ist so jemand natürlich ein Segen für seine Sportart.
Wie reiht sich Toni Söderholm da ein, seit Januar der Mann hinter der Bande der deutschen Auswahl?
Toni Söderholm ist erst ein Jahr, erst eine Weltmeisterschaft da – aber es fällt auf, wie er vor allem junge Spieler heranführen möchte ans internationale Eishockey. Er möchte die Breite vergrößern im deutschen Eishockey, er kämpft auch dafür, dass das Eishockey spielerisch besser wird. Heißt: Dass Eishockey nicht nur gekämpft wird – was man immer erwarten kann –, sondern dass es auch qualitativ besser wird. Der Deutsche Eishockey-Bund und auch die Liga haben kapiert, wo sie den Hebel ansetzen müssen: die Spieler besser ausbilden! Und das hört nicht auf, wenn der Spieler Profi ist. Also ist das ein löblicher Ansatz, wie Toni, wie eigentlich der ganze DEB da drangeht.
Beim Deutschland Cup in Krefeld von heute bis Sonntag verzichtet Toni Söderholm – sicher auch dem fordernden, weil dichten Rhythmus der Liga geschuldet – auf etliche arrivierte Kräfte. Welche Personalie überrascht Sie in seinem Aufgebot? Wie intensiv werden die vier Tage Deutschland Cup 2019 als TV-Experte von Sport1 und MagentaSport für Rick Goldmann?
Die anstrengendste Zeit ist immer die Weltmeisterschaft, weil du 17 Tage lang jeden Tag zwischen einem und drei Spiele hast. Jetzt beim Deutschland Cup schau’ ich mir zwei an, bei einem muss ich nur arbeiten. Es kann sein, dass ich auch beim zweiten ein bissl arbeiten muss, aber dann nur im Studio. Die Nationalmannschaft ist für mich immer so ein bissl ein Heimkommen, immer noch. Sie gibt mir auch sehr viel Energie. Ich geh’ da nicht rein ins Stadion und komm’ danach raus und bin am Ende. Sondern das ist was, auch wenn’s emotionale Spiele sind mit Aufs und Abs, wo ich das Stadion verlass’ und eigentlich, wenn die gewonnen haben, auch ein gutes Gefühl hab’. Und: Man trifft unheimlich viele Leute, es kommen auch sehr viele Fans zu uns. Jetzt machen wir Samstag, Sonntag Signierstunden. Es sind dadurch deutlich längere Tage, aber das ist alles noch im Rahmen.
Für einen Abstecher zum Baden wird’s trotzdem kaum reichen? Wie war das gleich noch mal mit dem Eishockeyspieler im Schwimmbad, dem Sie in Ihrem Buch auf Seite 48 ein überaus launiges Denkmal setzen?
Die Spatzlwaden? Sein Erkennungszeichen? Das ist leider immer noch so. Ich hab’ immer noch ’nen relativ großen Hintern und größere Oberschenkel, aber ich hab’ immer noch null Waden. Ich hab’ vom Umfang her – ich muss mal hinfassen – nein: ein bissl mehr Wade als Unterarm. Aber es geht in die gleiche Richtung. Es ist und bleibt unförmig beim Eishockeyspieler, der hat und kriegt keine Waden.
„Sicherlich wär’ es schön, 500 NHL-Spiele zu haben. Aber das war halt nicht mein Weg.“
„DEB und Liga haben kapiert, wo sie den Hebel ansetzen müssen: die Spieler besser ausbilden!“