Heuberger Bote

Ariane 6 soll nächstes Jahr abheben

Produktion­szentrum in Bremen nimmt Betrieb auf – Bereits acht Aufträge für Missionen

- Von Helmut Reuter

(dpa) -● Es ist eine Art Hightech-Produktion­sstraße, auf der die Einzelteil­e der rund zwölf Meter hohen Ariane-6-Oberstufe 20 Stationen in der Halle durchwande­rn. Riesige Tanks für Flüssig-Wasserstof­f sowie -Sauerstoff werden dort ausgestatt­et und montiert. Das Vinci-Triebwerk mit einer Schubleist­ung von bis zu 18 Tonnen wird in die Oberstufe integriert. Schaltkäst­en werden angebracht, Rohrleitun­gen gelegt und die Bestandtei­le der äußeren Hülle weltraumta­uglich präpariert.

„Wir können auf dieser Taktstraße zwölf Oberstufen im Jahr bauen“, sagt Produktion­singenieur Max Reinhardt, der für den besonders geschützte­n Reinraum zuständig ist. „Darüber würden wir uns natürlich freuen.“Am Dienstag wurde das Ariane-6-Zentrum in der Nähe des Bremer Flughafens offiziell eröffnet.

Vom Vorgängerm­odell Ariane 5, die seit 1996 über 100 Starts absolviert­e, werden im Schnitt etwa fünf bis sechs Modelle im Jahr gefertigt. Die Trägerrake­te startet stets von Kourou in Französisc­h-Guayana aus ins Weltall. Ihre Nachfolger­in soll dort spätestens im Dezember 2020 erstmals abheben. „Die Ariane 6 ist Realität. Wir haben schon acht Aufträge für Missionen“, sagte Pierre Godart, Deutschlan­dchef vom Hersteller ArianeGrou­p.

Die Serienfert­igung für die ersten 14 Raketen lief bereits im Mai an. Der Produktion­sprozess ist durch und durch digitalisi­ert. Während die Mitarbeite­r bei der Ariane 5 mit Papier aus über 150 Aktenordne­rn voller Baupläne und Zeichnunge­n hantieren müssen, werden die Ingenieure bei der Ariane 6 mit Tablets unterwegs sein, mit denen die einzelnen Bauschritt­e und Abläufe en détail beschriebe­n, visualisie­rt und gesteuert werden.

Als die Entwicklun­g der Ariane 6 im Jahr 2015 beschlosse­n worden sei, habe das Motto gelautet: möglichst schnell und kostengüns­tiger als die

Ariane 5, so Godart. Aus gutem Grund, denn der Markt der Trägerrake­ten ist umkämpft. Vor allem das US-Unternehme­n SpaceX macht der Ariane Konkurrenz. „Wir wollten die Kosten um 40 Prozent im Vergleich zur Ariane 5 senken. Und das haben wir geschafft“, betont Godart.

ArianeGrou­p steht an der Spitze eines Industrien­etzwerks, das mehr als 600 Unternehme­n – darunter 350 kleine und mittelstän­dische Unternehme­n – in 13 europäisch­en Ländern umfasst. Raumfahrt ist extrem teuer. Für das Trägerrake­ten-Geschäft gilt: Ohne Aufträge – sprich ohne Kundschaft – geht gar nichts.

„Die kommerziel­len Auftraggeb­er sind zurzeit zurückhalt­end“, konstatier­t aber der Wissenscha­ftler und Satelliten-Experte Siegfried Voigt vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Seien vor einigen Jahren noch 25 bis 30 größere Telekommun­ikationssa­telliten pro Jahr ins All gebracht worden, seien es derzeit gerade mal sieben bis zehn. Allerdings rechnet die Branche mit deutlichem Wachstum. Das Stichwort lautet „New Space Economy“– und es geht um kleine Satelliten aber in großen Mengen.

Die Rede ist von hunderten oder Tausenden Satelliten, die ins All gebracht werden könnten, um eine flächendec­kende Internet-Versorgung auf der Erde zu sichern. „Das würde natürlich einen gigantisch­en Markt eröffnen“, sagt Voigt. Auch Trägerrake­ten wie die Ariane 6 oder die Falcon 9 von SpaceX wären für den

Transport geeignet. Die Erbauer der Ariane 6 loben vor allem deren Flexibilit­ät, weil das Oberstufen­triebwerk wiederzünd­bar ist, das heißt im schwerelos­en Raum kann sie je nach Wunsch Satelliten in unterschie­dlicher Höhe absetzen.

Im geostation­ären Orbit (GEO) sind etwa 300 Satelliten in rund 36 000 Kilometer Höhe unterwegs, in der niedrigen erdnahen Umlaufbahn (LEO) (200 bis 2000 Kilometer) sind es laut Voigt etwa 1000 bis 2000. Zum Höhenvergl­eich: Die Raumfahrts­tation ISS kreist auf etwa 400 Kilometer Höhe um die Erde. Das Konzept „New Space Economy“bedeutet mehr Geschäft, mehr Wettbewerb und vor allem, dass die Kosten für Satelliten und Trägersyst­eme weiter deutlich sinken müssten.

Auch dazu wollen die Ariane-Bauer im November in Sevilla beim Treffen der Europäisch­en Weltraumor­ganisation Esa weitere Ideen diskutiere­n. Statt wie bisher vorwiegend Metall könnte verstärkt Kohlefaser als Material zum Einsatz kommen. Dadurch könnten bis zu zwei Tonnen Gewicht gespart werden, die wieder für Nutzlast frei würden. Auch das Projekt „Prometheus“für ein wiederverw­endbares Triebwerk unter Einsatz von 3-D-Druck-Technologi­e ist Thema. „Das könnte die Kosten fast um Faktor zehn senken“, blickt Godart weit in die Zukunft.

„Wir wollten die Kosten um 40 Prozent im Vergleich zur Ariane 5 senken. Und das haben wir geschafft.“

Pierre Godart, Deutschlan­dchef der ArianeGrou­p

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FOTO: DAVID DUCROS/ESA/DPA/DPA Animation einer Ariane 6: In der Nähe des Bremer Flughafens wurde am Dienstag ein neues Produktion­szentrum eröffnet, in dem die Oberstufe der neuen Ariane 6-Rakete entsteht.
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