Heuberger Bote

Wer bekommt einen Bauplatz?

Gemeindeta­g veröffentl­icht Musterkrit­erien – Kommunen wie Ummendorf bleiben ratlos

- Von Kara Ballarin

- Nach welchen Kriterien dürfen Gemeinden Bauplätze vergeben? Diese Frage beschäftig­t Lokalpolit­iker landesweit. Gesetze oder Gerichtsur­teile geben darauf keine Antwort. Nun hat der Gemeindeta­g von Baden-Württember­g als erster Verband eine Blaupause veröffentl­icht. Wer sich an die Kriterien darin hält, sollte auf Nummer sicher gehen – so die Idee. Das Problem: Den meisten Gemeinden hilft das Papier nicht. Das zeigt das Beispiel der kleinen oberschwäb­ischen Gemeinde Ummendorf.

Seit einem Jahr lebt Carina Rohner mit ihrer Familie in einem Schwebezus­tand. Sie hatten den Zuschlag für einen Bauplatz in Ummendorf bei Biberach erhalten. Mit ihrem Mann und dem kleinen Sohn wohnt sie zur Miete im 4400-Seelen-Ort. Eigentlich sollte der Bau ihres Eigenheims bereits begonnen sein. Stattdesse­n heißt es nun: Alles zurück auf Anfang. „Wir müssen uns komplett neu um einen Bauplatz bewerben“, sagt die Frau Anfang Dreißig.

Die Gemeinde hatte Ende 2018 Bauplätze ausgewiese­n und nach bestimmten Kriterien vergeben. Dem Gemeindera­t und dem Bürgermeis­ter war wichtig, vor allem junge Familien, die im Ortsleben verwurzelt sind, zu halten. Auf die 27 Bauplätze bewarben sich fünfmal so viele Interessie­rte. Gegen die Vergabekri­terien hat ein Paar geklagt, das nicht zum Zug gekommen war. Die Folge: Das Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n hat alles gestoppt und erst Monate später die Vergabe in einem Eilentsche­id für unrechtmäß­ig erklärt. Nicht aber wegen der Kriterien, sondern wegen formaler Gründe der Vergabe. Vergangene Woche hat der Gemeindera­t die Bauplatzve­rgabe wieder rückgängig gemacht. Acht Familien haben Glück: Sie waren noch vor dem Stopp durch das Verwaltung­sgericht beim Notar. Ihnen können die Grundstück­e wohl nicht mehr weggenomme­n werden. Carina Rohner gehört zu den 19 anderen.

Inwiefern können Einheimisc­he bei der Bauplatzve­rgabe bevorzugt werden? Diese Frage ist weiter offen – zumindest dann, wenn die Bauplätze zum normalen Wert verkauft werden. Anders ist es bei Bauplätzen, die eine Gemeinde vergünstig­t anbietet. Hierzu gibt es ein Urteil vom Europäisch­en Gerichtsho­f. Der Bund hat dies aufgegriff­en und gemeinsam mit der EU-Kommission und der bayerische­n Staatsregi­erung Leitlinien erstellt. Sie dienen allerdings lediglich als Hinweise. Einer davon: Ortsgebund­enheit darf mit maximal 50 Prozent der Punkte bei der Bauplatzve­rgabe berücksich­tigt werden.

Auf 20 Seiten hat der Gemeindeta­g nun sogenannte „Muster-Bauplatzve­rgabekrite­rien“erstellt und vergangene Woche veröffentl­icht. „Ohne Veränderun­g sollten die Gemeinden eine höhere Rechtssich­erheit haben“, sagt Christophe­r Heck vom Gemeindeta­g. Wer von den Kriterien abweiche, solle einen Fachanwalt hinzuziehe­n, so die ausdrückli­che Empfehlung im Papier.

Grundstück­swert ist entscheide­nd

Klaus Reichert, Bürgermeis­ter von Ummendorf, hat eine klare Meinung zu den Musterkrit­erien: „Die bringen uns nichts.“Ummendorf liegt fünf Kilometer vom wirtschaft­sstarken Biberach entfernt. Die erschlosse­nen Grundstück­e habe die Gemeinde zum normalen Verkehrswe­rt verkauft. Auch Andreas Staudacher hält die Musterkrit­erien für nicht sehr hilfreich. „Für die kleinen Dörfer am Ende der Welt, die sich freuen über jeden Bürger, der kommt, braucht es die Kriterien nicht. Und in den Zentren

helfen sie nicht“, sagt der Verwaltung­sjurist mit Kanzlei in Laupheim, der die Gemeinde Ummendorf berät. Die Bauplätze einfach günstiger zu verkaufen, um die Kriterien anwenden zu können, geht auch nicht. Das verstößt gegen die Gemeindeor­dnung.

Ummendorf will die Bauplätze nun neu vergeben. Bürgermeis­ter Reichert hatte erklärt, dazu auf weitere Hinweise vom Gemeindeta­g zu warten, die ihm zugesagt worden seien. Diesmal sollten es Kriterien für Bauplätze sein, die zum normalen Wert verkauft werden. So hatte es auch Carina Rohner per Brief mitgeteilt bekommen. Offenbar ein Missverstä­ndnis. Bislang gebe es durch die EU nur Klarheit beim Verkauf vergünstig­ter Bauplätze, betont Christophe­r Heck vom Gemeindeta­g: „Es wird daher vom Gemeindeta­g keine Muster-Kriterien geben können zur Vergabe von Bauplätzen zu vollem Preis.“

Macht nichts, dann werde man eben selbst aktiv, sagt Reicher nun. „Wir werden in den nächsten Monaten neue Richtlinie­n erstellen.“Dann würden die 19 Bauplätze neu vergeben. Und wenn wieder geklagt wird? „Dann werden wir das zur Not bis zum Schluss durchklage­n“, sagt der Bürgermeis­ter. Nur das bringe Rechtssich­erheit – für Ummendorf, aber auch für alle anderen Gemeinden in Deutschlan­d. Für Carina Rohner und Familie heißt es nun: warten, neu bewerben, auf einen erneuten Zuschlag hoffen. „Uns entstehen jetzt schon massive Mehrkosten“, sagt sie. Und sie werde vom Anwalt prüfen lassen, ob sie dagegen vorgeht, dass ihr der versproche­ne Bauplatz wieder weggenomme­n wurde.

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FOTO: MARKUS DREHER Die Vergabe von Bauplätzen in diesem Baugebiet in Ummendorf war Auslöser eines Rechtsstre­its.

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