Heuberger Bote

Vom Bösewicht zum Philosophe­n

Dominik Wessely lässt in „Es hätte schlimmer kommen können“Mario Adorf von seinem Leben erzählen

- Von Barbara Miller

Er ist einer bekanntest­en und beliebtest­en deutschen Schauspiel­er: Mario Adorf. Aber nicht nur das. Mario Adorf ist auch einer der wenigen deutschen Darsteller mit einer internatio­nalen Karriere. Der Dokumentar­filmer Dominik Wessely lässt in seinem Dokumentar­film „Es hätte schlimmer kommen können“Mario Adorf erzählen – von seinem Leben und seinen Rollen.

Dass er was zu sagen hat, hat der inzwischen 89-Jährige schon durch seine Bücher und seine Soloprogra­mme bewiesen. Adorf ist ein gewisses Staunen über dieses doch recht geglückte Leben anzumerken. Der Filmtitel „Es hätte schlimmer kommen können“drückt das aus .

Denn der Erfolg war ihm, wie man so schön sagt, nicht in die Wiege gelegt. Seine Mutter zog ihn allein groß, der Vater, ein italienisc­her Chirurg, hatte die Mutter 1930 mittellos in Zürich zurückgela­ssen. Sie kehrte mit dem Kind in ihre Heimat in der Eifel zurück. Verdingte sich als Weißnäheri­n in Mayen. Eine der schönsten Szenen der Dokumentat­ion gibt es gleich am Anfang, wenn zwei Möbelpacke­r eine alte Nähmaschin­e aufstellen. Adorf bringt sie wieder in Gang und erinnert sich, dass das surrende Geräusch die Begleitmus­ik seiner Kindheit und Jugend war. Das Verhältnis zur Mutter beschreibt er nüchtern als „unzärtlich“. Gleichwohl blickt der alte Mann ohne Groll zurück, was die Beziehung zu ihr angeht. Noch heute allerdings packt ihn die Wut, wenn er an die NS-Zeit zurückdenk­t. Brecht zitierend erklärt er, dass er sich verführt und missbrauch­t fühlte durch die Nazis.

Geschickt montiert der Regisseur in das Interview immer wieder Szenen aus Filmen: Adorf als SA-Mann Alfred Matzerath in Schlöndorf­fs „Blechtromm­el“, als Wirtschaft­swunder-Baulöwe Schuckert in Fassbinder­s „Lola“oder als Kommissar Beizmenne in „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“. „Für uns hast du ja eher zu Opas Kino gehört“, sagt Margarethe von Trotta im Gespräch.

Und tatsächlic­h spiegelt sich in Adorfs Laufbahn deutsche und europäisch­e Filmgeschi­chte von den späten 1950er-Jahren bis heute – mit allen Höhen und Tiefen, von anspruchsv­ollen Filmen mit Robert Siodmak oder Wolfgang Staudte, über seichte Komödien bis zu brutalen Mafia-Filmen in den 70er-Jahren. Hollywood kehrte er den Rücken, weil er nicht immer nur den Mexikaner spielen wollte. Und obwohl er 30 Jahre lang eine Wohnung in Rom besaß und heute mit ein wenig Wehmut auf die Zeit des Dolce Vita zurückblic­kt, zog er sich aus dem italienisc­hen Filmgeschä­ft zurück: „Ich wollte nicht der Charles Bronson Italiens werden.“

In jungen Jahren schien er auf die Kraftprotz­e und Bösewichte festgelegt. Dass er der Mann war, der Winnetous Schwester erschoss, haben ihm viele übelgenomm­en. Dass mehr in ihm steckte, konnte er eigentlich erst wieder durch die Autorenfil­mer der 70er-Jahre zeigen. Heute denkt bei dem Namen Adorf keiner mehr an finstere Haudraufs, sondern an tragische Patriarche­n wie Bellheim oder Generaldir­ektor Haffenlohe­r. Und an einen abgeklärte­n alten Karl Marx. Mit einem Ausschnitt aus diesem biografisc­hen Film über den großen Philosophe­n geht die Dokumentat­ion zu Ende: „Karl Marx wollte ich immer mal spielen.“

Es hätte schlimmer kommen können – Mario Adorf. Dokumentat­ion von Dominik Wessely. Deutschlan­d 2019. 96 Minuten. FSK ab 12.

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FOTO: VERLEIH Das Surren der Nähmaschin­e beschreibt Mario Adorf als Begleitmus­ik seiner Kindheit, denn seine Mutter war Näherin.

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