Die Berliner Mauer: Ein hartes Stück Arbeit
Hjördis und Andreas Hoffmann haben als DDR-Bürger den Mauerfall vor 30 Jahren miterlebt
SPAICHINGEN - Am 9. November 1989 hat sich für Andreas und Hjördis Hoffmann nicht nur die Mauer aufgetan. Auch für ihr heute in Spaichingen ansässiges RaumausstatterUnternehmen taten sich – damals in Lübben im Spreewald – neue Chancen auf. Anlässlich 30 Jahre Mauerfall erinnern sich die Hoffmanns an die Tage rund um die große Wende.
„Ja, das war eine spannende Zeit“, sagt Hjördis Hoffmann. Die Fotos, die damals entstanden sind, und die heute gerahmt im Flur hängen, erinnern sie und ihren Mann noch heute jeden Tag daran. Ebenso die Mauerstücke in einer Vitrine. Andreas und Hjördis Hoffmann gehörten in den Tagen nach dem 9. November zu den „Mauerspechten“, die sich ein Stück aus dem Grenzbauwerk herausgebrochen haben und seitdem als Andenken an eine historische und lebensprägende Zeit aufbewahren.
Was sie, als sie mit zahlreichen anderen Menschen Stücke aus der Mauer schlugen, überrascht hat, war zunächst einmal, wie hart der Beton doch war: „Das war ein ganz schönes Stück Arbeit“, erinnert sich Andreas Hoffmann. „Mein Freund war Schmied und hat mir vorsorglich drei neue Meißel mitgegeben. Hinterher waren alle drei stumpf.“
Andreas und Hjördis Hoffmann stammen aus Lübben im Spreewald, etwa eine Autostunde südlich von Berlin. Bis zum Sommer 1989, so erinnert sich Andreas Hoffmann, sei die Situation in der DDR immer unerträglicher geworden, nachdem schließlich sogar die Grenzen zu den sozialistischen „Bruderländern“Polen, Tschechien und Ungarn dicht gemacht wurden. „Man hat sich wirklich wie in einem Gefängnis gefühlt.“Doch ab Oktober wurde dann auch im Spreewald immer deutlicher: „Jetzt tut sich wirklich was.“
Allerdings: Dass es eines Tages einmal so weit kommen würde, dass die Grenze nach Westen tatsächlich aufgehen würden, davon habe zunächst keiner zu träumen gehofft. So habe man es am Abend des 9. November auch noch gar nicht so recht geglaubt, als auch im Spreewald erste Gerüchte über den Mauerfall aufkamen. Erst als es dann in Rundfunk und Fernsehen berichtet wurde – in Lübben konnte man auch TV aus
West-Berlin empfangen – zeigte sich, dass das Undenkbare Wirklichkeit geworden war.
So fuhren auch die Hoffmanns erst am 10. November zum ersten mal „rüber“. (Im August 1988 hatte Hjördis Hoffmann allerdings schon eine Tante in Hattingen im Ruhrpott zu deren 60. Geburtstag besuchen dürfen.)
Ein wenig mulmig war das Gefühl schon, da man noch nicht 100-prozentig wusste, ob man nachher auch wieder zurück durfte. Die öffentlichen Verkehrsmittel in Westberlin waren in den ersten Tagen für DDRBürger kostenlos und überall wurde man mit offenen Armen empfangen.
Der Polstereibetrieb der Hoffmanns war zwar in die sozialistische Planwirtschaft eingebunden, aber wurde doch als Familienbetrieb geführt, den der Großvater von Andreas Hoffmann – ein Polster- und Sattlermeister – gegründet hat. Und so haben die Hoffmanns die neuen
Chancen, die sich mit dem Mauerfall und dann mit der Wiedervereinigung ergeben haben, auch genutzt. „Nach der Währungsunion standen alle Möglichkeiten offen – das war eine völlig neue Erfahrung“, stellt Hjördis Hoffmann fest.
Doch durch die Agenda 2010 mit ihren „Ich-AGs“und durch die Aufhebung des Meisterzwangs in ihrem Beruf kam auch billige Konkurrenz auf und die Situation mit dem eigenen Geschäft im Spreewald wurde immer schwieriger. Durch die Fachzeitschriften erfuhren die Hoffmanns dann, dass viele Polster- und Raumausstatter-Betriebe im Westen ohne Nachfolger sind. Als sich dann in Mühlheim an der Donau die Möglichkeit auftat, einen solchen Betrieb zu übernehmen, ergriffen die Hoffmanns auch diese Chance und zogen in die „alten“Bundesländer.
„Wir sind bis heute froh darüber, dass es so gelaufen ist, und trauern dem alten System in keinster Weise nach“, betont Andreas Hoffmann. Mit den nach der anfänglichen Euphorie aufgekommenen Animositäten und Klischees von „Jammerossis“und „Besserwessis“können die Hoffmanns nichts anfangen: „Wir halten überhaupt nichts davon, Menschen in Kategorien zu stecken.“
Der Sohn der Hoffmanns war vier Jahre alt, als die Familie nach Schwaben zog, und hatte damals keine Schwierigkeiten mit dem Umzug. Seine damals schon neunjährige Schwester hat 15 Jahre später immer noch Kontakte zu Freundinnen in der „Alten Heimat“. All zu große Unterschiede in der Generation seiner Kinder kann Andreas Hoffmann zwischen West und Ost aber nicht mehr feststellen: „Natürlich gibt es unterschiedliche Mentalitäten“, sagt Andreas Hoffmann, „aber die gibt es zwischen Bayern und Baden-Württemberg auch“.