Heuberger Bote

„Ich habe mich gefühlt wie ein Terrorist“

Amtsgerich­t Tuttlingen verurteilt 30-Jährigen wegen eines Angriffs auf einen Polizisten

- Von Birga Woytowicz

- Viel Blut, Alkohol und Verwirrung um ein Messer, das es nie gegeben hat. Da können die Emotionen schon einmal mit einem durchgehen, gibt Richter Thomas Straub zu. Trotzdem hat er einen 30Jährigen am Donnerstag vor dem

Tuttlinger Amtsgerich­t zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er Polizeibea­mte angegriffe­n und verletzt hat. Straubs Fazit: „3000 Euro für so eine dumme Geschichte.“

Aber von vorne. Es ist ein Sonntagnac­hmittag in Tuttlingen im Januar dieses Jahres. Der Angeklagte ist nur noch ein paar Stunden in der

Stadt. Unter der Woche lebt er an seinem Arbeitsort. Nur am Wochenende sieht er seine Partnerin und die beiden Kinder. Die Frau belastet die Wochenendb­eziehung. An jenem Nachmittag trinkt das Paar einige Gläser Wein. Irgendwann kommt es zu einem Streit. Der Angeklagte ergreift die Flucht nach draußen, um Zigaretten zu holen. Als er die Tür hinter sich zuziehen will, klemmt er sich einen Finger ein. Die Kinder geraten in Panik, weil plötzlich Blut fließt. Sie fangen an zu schreien. Die Frau ruft den Notdienst. Ein paar Minuten später klingelt es. Aber statt der Rettungssa­nitäter steht die Polizei vor der Wohnungstü­r.

Ein Nachbar hatte die Polizisten dazu gerufen. Mit dem Hinweis, dass der Angeklagte mit einem Messer hantiere. „Ich habe mich sofort kooperativ gezeigt“, sagt der Angeklagte vor Gericht. Er habe seine Arme gehoben, sodass die Polizisten ihn durchsuche­n konnten. Erfolglos. Doch die Polizisten beharren weiter darauf, dass ein Messer im Spiel sein soll. Als sie den Angeklagte­n davon abhalten wollen, ins Wohnzimmer zu seiner Partnerin zu laufen, eskaliert die Situation.

„Ich wollte mich nur hinsetzen und mich um meine Wunde kümmern“, beteuert der Mann. Ein Polizist, den das Gericht als Zeuge geladen hat, erklärt: „Wir konnten die Lage überhaupt nicht einschätze­n. Im Flur war überall Blut. Da mussten wir davon ausgehen, dass er seiner Freundin etwas antun will.“Also fixieren die Beamten den Mann am Kopf und einem Arm. Mit dem anderen habe der Angeklagte dann nach ihm ausgeholt, erzählt der Polizist. Stimmt nicht, sagt der Angeklagte. Grundlos sei er fixiert und schließlic­h zu Boden gebracht worden. „Ich habe mich gefühlt wie ein Terrorist.“Er habe sich nur ein bisschen bewegt, aber weder getreten noch geschrien oder sonstiges.

Auch als Staatsanwä­ltin Lorer ein zweites Mal nachhakt, beteuert er: „Nein. Definitiv habe ich das nicht getan.“Ein paar Minuten später erklärt er: „Wenn es so rüber kam, als wolle ich jemanden verletzen, kann ich mich dafür nur entschuldi­gen. Das wollte ich nicht.“

Fotos beweisen das Hämatom, das er einem der Polizisten zugefügt hat. „Er hat sich einfach nicht beruhigen lassen. Wir lagen irgendwann zu dritt auf seinem Oberkörper, um ihm Handschell­en anzulegen“, sagt der Beamte. Die Schilderun­gen seines Kollegen sind deckungsgl­eich.

Nur seine Partnerin hält zu dem Angeklagte­n. „Er hat nichts getan. Ich habe aus dem Wohnzimmer in den Flur gerufen, dass sie ihn loslassen sollen.“Sie könne sich gut an alles erinnern – trotz knapp drei Promille Alkohol im Blut.

„Da vertragen Sie aber ganz schön viel“, kommentier­t Richter Straub den Alkoholwer­t. Er gesteht: „Das ist für Sie wirklich unglücklic­h gelaufen. Der Alkohol, die verletzte Hand, dann die falsche Info des Nachbarn.“Durch all das sei die Situation emotional vorbelaste­t gewesen, sagt Straub.

Er entscheide­t sich, nicht dem Plädoyer der Staatsanwä­ltin zu folgen. Die spricht sich für eine Geldstrafe in Höhe von 6000 Euro aus (120 Tagessätze je 50 Euro). Straub teilt durch zwei und verteilt die Summe auf 100 Tagessätze zu je 30 Euro. „Sie sind kein Krawallmac­her und bisher strafrecht­lich noch nie in Erscheinun­g getreten.“Das hält der Richter dem Angeklagte­n zugute.

 ?? SYMBOLFOTO: DANIEL KARMANN ?? Diese beispielha­fte Szene zeigt die Festnahme eines Mannes. Ähnlich durfte es in Tuttlingen gewesen sein. Weil die Polizisten nicht wussten, ob der Mann ein Messer hat, wie es ein Nachbar mitgeteilt hatte, wurde der Mann fixiert. Dabei wehrte er sich vehement und verletzte einen der Beamten.
SYMBOLFOTO: DANIEL KARMANN Diese beispielha­fte Szene zeigt die Festnahme eines Mannes. Ähnlich durfte es in Tuttlingen gewesen sein. Weil die Polizisten nicht wussten, ob der Mann ein Messer hat, wie es ein Nachbar mitgeteilt hatte, wurde der Mann fixiert. Dabei wehrte er sich vehement und verletzte einen der Beamten.
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