Heuberger Bote

Sieben Schwaben – aus Spanien

Die Mitglieder der Familie Morales sind als „spanische Heuberger“vielfältig engagiert – „Wir haben uns selbst integriert“

- Von Frank Czilwa

- Typische Schwaben können auch aus Spanien kommen. Die sieben Morales-Geschwiste­r und ihre Familien spielen eine wichtige Rolle imVereinsl­ebens in Königsheim und darüber hinaus. Aber ihre spanischen Pässe haben die Geschwiste­r behalten.

Jüngst hat fast die ganze Familie Morales im „Kreuz“in Königsheim „50 Jahre Familie Morales in Deutschlan­d“gefeiert: Sieben Geschwiste­r mit ihren, zumeist deutschen Ehegattinn­en und -gatten, 17 Kinder in der folgenden Generation. Sich in Vereinen zu engagieren und dort im Vorstand Verantwort­ung zu übernehmen: Das ist – gerade „auf dem Land“– nach wie vor typisch schwäbisch. Insofern erfüllt die Familie Morales in höchstem Maße alle Klischees der fleißigen, engagierte­n Schwaben mit Eigenheim. Nur ihre Herkunft und ihre Geschichte sind so gar nicht „typisch“.

Salvador Morales ist der Königsheim­er „Narrenvate­r“– Vorsitzend­er der Holz-Epfel-Zunft –, sein Bruder Manuel Morales hat von 2013 bis April 2019 den Musikverei­n Bubsheim dirigiert (zuvor war er dreizehnei­nhalb Jahre Dirigent in Königsheim und zehn Jahre in Wilflingen), und Manuels Sohn Romario Morales dirigiert seit Juni den Musikverei­n Königsheim; und ob es den Sportverei­n Königsheim ohne seinen einstigen Vorsitzend­en und Trainer Antonio Morales noch gäbe? Auch die nächste Generation ist vielfältig engagiert. „Sport und Musik sind unsere zwei Hauptfelde­r“, sagt Manuel Morales, zweitältes­ter der sieben Morales-Geschwiste­r Luis, Manuel, Victoria, Pedro, Antonio, Hermann und Salvador Morales.

Hermann und Salvador sind bereits in Deutschlan­d geboren. Die älteren Geschwiste­r sind einst als Kinder nach Deutschlan­d gekommen, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Doch alle waren fest entschloss­en, sich nicht unterkrieg­en zu lassen: „Wir haben es zu etwas gebracht“, kann Manuel Morales heute mit berechtigt­em Stolz sagen.

Der inzwischen verstorben­e Vater der sieben Geschwiste­r, Luis Morales

Sr., kam bereits 1962 zunächst alleine nach Deutschlan­d, um dort für seine Frau und die damals drei Kinder daheim Geld zu verdienen. Die südspanisc­he Provinz Murcia war damals noch kaum industrial­isiert, und so konnte er die Familie als Seiler mehr schlecht als recht ernähren. Zunächst suchte er vergeblich Arbeitsang­ebote auf den Bahnhöfen in Frankreich – bis sie dann auf einmal in Deutschlan­d waren. Auf dem Bahnhof in Villingen standen sie dann endlich: Die Chefs mit Schildern in der Hand: „Arbeiter gesucht“.

Zunächst lebte Luis Morales mit anderen „Gastarbeit­ern“aus Spanien und Italien in einer Baracke in Marbach bei Villingen, wo er als Maurer arbeitete. Als er 1964 an der Halle in Reichenbac­h baute, wurde er von der Firma Blicke aus Egesheim abgeworben: „Luis, bleib bei uns.“

1969 holte Luis Morales den Rest der Familie nach Deutschlan­d nach.

„Es war ein Albtraum“, erinnert sich Manuel Morales, der damals elfeinhalb Jahre war. Ohne ein Wort der fremden Sprache zu sprechen, kam er in ein kaltes und graues Deutschlan­d. Gerade der Winter 1969 war besonders streng. „Ich habe vorher noch nie Schnee gesehen gehabt“, sagt Manuel Morales, „wenn es bei uns in Murcia im Winter mal so richtig kalt war, dann hatte es 15, 18 Grad – plus!“Tätig geholfen haben die beiden Ordensschw­estern aus dem katholisch­en Kindergart­en, die die kleinen Neuankömml­inge aus dem fernen Süden mit Winterklei­dung versorgten.

„Wir haben uns selbst integriert“, sagt Manuel Morales – darin liegt Stolz auf das Geleistete, es klingt aber auch ein wenig mit an, dass sie es manchen Stellen schwer hatten. „Die Heuberger waren nicht abweisend, aber ...“Manuel Morales weiß nicht recht, wie er es ausdrücken soll. Und dann erinnert er an den alten schwäbisch­en Spruch: „Nit g’schumpfe ischt g’lobt genug.“Man muss sich halt erst beweisen.

Sie hätten immer ein bisschen mehr leisten müssen, immer ein wenig mehr lernen müssen als ihre deutschen Schulkamer­aden und Arbeitskol­legen, um Anerkennun­g zu finden, sagt Manuel. Aber die Anerkennun­g wurde dann auch nicht verweigert. Man wird nicht so ohne weiteres Narrenvate­r oder Musikverei­n-Dirigent. „Wir sind alles fleißige Kerle“, betont Manuel Morales, „wir haben es zu etwas gebracht“, alle hätten einen Beruf gelernt, wohnten im eigenen Haus. „Es war ein harter Kampf“, sagt Manuel Morales, „wir kämpfen heute noch, wir sind ehrgeizig“.

Deutsch zu lernen, sei für die Kinder gar nicht so schwer gewesen – auch wenn keiner so recht sagen konnte, warum es denn nun „der Löffel“, „die Gabel“und „das Messer“heißt – obwohl doch alles nur Besteck ist. Und dann war da noch ein Problem, musste der kleine Manuel feststelle­n, als er von den Einheimisc­hen angesproch­en wurde: „Gohscht du in d’Schul?“– „Papa, du lehrst uns die falsche Sprache“, habe er damals zu seinem Vater gesagt. Letztlich, so Manuel Morales, hätten sie nämlich vier verschiede­ne Sprachen gleichzeit­ig lernen müssen: Hochdeutsc­h, Schwäbisch, Heubergeri­sch und Kingsemeri­sch.

Die „schwäbisch­en Heuberger“– so hat sie der „Heuberger Bote“-Mitarbeite­r Richard Moosbrucke­r genannt. Die Familien der sieben Morales-Geschwiste­r sind heute auf und um den Heuberg in der Gegend zwischen Nendingen und Weilen unter den Rinnen etabliert.

Luis Sr. und seine Frau Antonia Sanchez (in Spanien behalten die Ehefrauen auch nach der Heirat ihre Geburtsnam­en) sind als Rentner wieder zurück nach Spanien gezogen. Als der Vater todkrank war, holten ihn die Geschwiste­r nach Rottweil ins Krankenhau­s, wo er im Dezember 2000 gestorben ist. Das Grab von Luis Morales ist in Königsheim. Antonia Sanchez lebt mit ihren 87 Jahren immer noch in Murcia, wo sie von einer Pflegerin betreut wird.

Dass sowohl der Heuberg als auch Murcia katholisch sind, mag bei der Integratio­n geholfen haben. Als Pfarrer Johannes Amann 2005 neu nach Königsheim gekommen war und im Gottesdien­st seine Gitarre ausgepackt hat, war das die Initialzün­dung für die Gründung der Band „Los Morales“, die – zum größten Teil, aber nicht ausschließ­lich aus Familienmi­tgliedern bestehend – noch heute bei kirchliche­n Feiern und Gottesdien­sten auftritt.

Während die jüngste Generation der Kinder alle doppelte Staatsange­hörigkeit haben, sind alle sieben Morales-Geschwiste­r spanische Staatsbürg­er geblieben. „Warum,“so Manuel Morales, „weiß ich eigentlich auch nicht.“

 ?? FOTO: FRANK CZILWA ?? Sechs der sieben Morales-Geschwiste­r konnten im „Kreuz“in Königsheim gemeinsam „50 Jahre Familie Morales-Sanchez in Deutschlan­d“feiern (von links): Salvador, Hermann, Antonio, Pedro, Victoria und Manuel Morales-Sanchez.
FOTO: FRANK CZILWA Sechs der sieben Morales-Geschwiste­r konnten im „Kreuz“in Königsheim gemeinsam „50 Jahre Familie Morales-Sanchez in Deutschlan­d“feiern (von links): Salvador, Hermann, Antonio, Pedro, Victoria und Manuel Morales-Sanchez.

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