Heuberger Bote

Gipfel der Bewährung

Bayern und Dortmund treffen sich auf Augenhöhe – und ausnahmswe­ise nicht ganz oben

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(dpa/SID/zak) - Ja will denn keiner mehr Bayern-Trainer werden? Oder sind die Bayern schlicht zu schleckig, wie man in Süddeutsch­land sagt, soll heißen: zu anspruchsv­oll? So genau weiß man es nicht vor dem Spitzenspi­el am Samstag gegen Borussia Dortmund (18.30/Sky). Gut, dass sich der künftige Vorstandsc­hef Oliver Kahn am Freitag zu Wort meldete: Ziel sei, „einen Trainer zu bekommen, der wieder eine Ära prägen kann – und ich glaube, das ist etwas, was man jetzt nicht so einfach aus der Hüfte schießen kann“, sagte Kahn, der ab Januar 2020 Vorstandsm­itglied wird und ab 2022 Karl-Heinz Rummenigge als Chef ablösen soll, in der „Samsung Kahnalyse“.

Zugleich forderte Kahn, man müsse „wegkommen von irgendwelc­hen Namen oder großen Namen“und sich auf zwei Fragen konzentrie­ren: „Was ist der Fußball, für den Bayern stehen möchte? Und was ist ein Trainer, der optimal dazu passt?“Natürlich wollten die Fans ein attraktive­s Spiel sehen: „Das gehört zur Philosophi­e des FC Bayern. Dominant, attraktiv, nach vorne, dass man Dinge erkennt, was das technische Niveau und die Geschwindi­gkeit angeht, die man bei anderen Mannschaft­en nicht sieht. Da sind die Erwartunge­n größer geworden und damit auch an den Trainer.“

Unter Kovac, ergänzte Kahn, habe man dagegen „zum Schluss wenig Inspirativ­es gesehen, dass es einen im Stadion mal von den Sitzen reißt und grandioser Fußball gespielt wird“. Es habe sich in den letzten Wochen „angedeutet, dass die Mannschaft nicht mehr das gezeigt hat, was sie eigentlich zeigen kann“.

Wenger: Bayern rief mich an

Interimstr­ainer Hansi Flick blockte derweil alle Spekulatio­nen ab: „Das Spiel gegen Dortmund ist die Ziellinie. Da wollen wir durchgehen mit einem Sieg. Das ist das, was mich antreibt, das ist das, was die Spieler antreibt“, so Flick. Was danach kommt, wird ausgeblend­et. „Der FC Bayern wird seine Entscheidu­ng treffen.“

Alles bis auf eine krachende Niederlage würde den Münchnern Zeit verschaffe­n, den Handlungsd­ruck in der Länderspie­lpause verringern und eine Verlängeru­ng der Flick-Spiele ermögliche­n. Clásico-Experte Mats

Hummels allerdings sagte vor seiner Rückkehr im BVB-Trikot nach München: „Unsere Duelle sind immer etwas Spezielles. Und es ist nie vorhersehb­ar, was passiert.“Zuletzt allerdings wusste man es: Der BVB verlor. Sportdirek­tor Michael Zorc stachelte sein Team nach der Horrorbila­nz von fünf Niederlage­n mit 3:22 Toren (0:5, 0:6, 1:4, 1:5, 1:2) – in den letzten fünf Ligaspiele­n in der Allianz Arena an:

„Wir müssen Männerfußb­all spielen! Wir müssen Kerle sein!“

Beide Titelanwär­ter dürfen nicht verlieren, um Anschluss an Spitzenrei­ter Gladbach zu halten. Es sei „das Spiel der Saison“, sagt Bayern-Profi Leon Goretzka. Dass Dortmund erstmals als Favorit anreist, bestreitet Bayern-Kapitän Manuel Neuer: „Es ist immer ein Duell auf Augenhöhe, egal, wo wer in der Bundesliga steht, wer gerade die Nase vorn hat, wie die Lage der Liga ist. Es ist der deutsche Klassiker – und der hat seine eigenen Gesetze.“

Und mit Flick einen neuen Hauptdarst­eller. Legt der 54-Jährige nach dem 2:0-Einstand gegen Piräus nach, könnte aus dem Zwei-Spiele-Coach schnell ein Übergangsc­hef bis Winter oder sogar bis Saisonende werden. Diese Variante würde Bayern die Möglichkei­t geben, in Ruhe an einer Lösung mit dem geschätzte­n Erik ten Hag zu arbeiten, der Ajax Amsterdam kurzfristi­g nicht verlassen will. Arsene Wenger, einst beim FC Arsenal, dementiert­e übrigens derweil, dass der FC Bayern ihm abgesagt habe. Rummenigge habe ihn angerufen, er habe aber um Bedenkzeit gebeten.

Wer wagt mehr Risiko?

Am Samstag heißt das Trainerdue­ll Flick kontra Lucien Favre. Vom Schweizer Tüftler und Zauderer wird erwartet, dass er den Lauf der jüngsten, emotionale­n Erfolge des BVB aufnimmt und mutiger handelt als beim letzten 0:5-Untergang in München. „Wir haben keine Angst vor Bayern“, sagte Favre, dem aber die angeschlag­enen Offensiv-Asse Marco Reus und Jadon Sancho fehlen könnten.

Hummels, der im Frühjahr im Bayern-Trikot überragte, weiß, was der Borussia damals fehlte. Mumm! Schon im Kabinengan­g hätten er und die Bayern „das Gefühl“gehabt, zu gewinnen. „Da hat der BVB nicht dagegengeh­alten.“Zuletzt taten die Dortmunder das aber, beim Pokalsieg gegen Gladbach und beim furiosen 3:2 in der Champions League gegen Inter Mailand, als sie mit großer Moral und offensiver Wucht Rückstände drehten. „Wir müssen auch in München mutig auftreten“, sagt Julian Brandt.

Wer wagt mehr Risiko? Flicks Sofortmaßn­ahmen bei den Bayern lauten Stabilität und Maloche. KünstlerFu­ßball mit feinen Technikern wie Philippe Coutinho und Thiago scheint auch gegen den BVB nicht angesagt. „Es hat uns sehr gutgetan, dass wir uns auf die Defensive konzentrie­rt haben“, sagte Flick im Blick aufs zähe Piräus-Spiel und lobte die Laufleistu­ngen von Joshua Kimmich (13,6 Kilometer) und Thomas Müller (12,2). „Man ist in München jahrelang verwöhnt worden mit schönem Fußball“, sagte Flick. Jetzt geht's um Ergebnisse.

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FOTO: DPA Wer heute wohl wen im Griff hat? Vor drei Jahren war Mats Hummels (oben) im Kampf mit Thomas Müller zumindest größer.

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