Heuberger Bote

Leitung gut, Wasser gut

Das Trinkwasse­r in Deutschlan­d wird streng kontrollie­rt, aber nur bis zum Hausanschl­uss – Ein spezieller Test zeigt die Qualität, die direkt aus dem Hahn kommt

- Von Sandra Markert

Immer mehr Deutsche sprudeln ihr Leitungswa­sser zum Trinken selbst auf. Doch nicht in jedem Haus entspreche­n Leitungen, Armaturen oder Wasserfilt­er einem Zustand, der einwandfre­ies Trinkwasse­r garantiert. Aber wie können Hausbesitz­er und Mieter das herausfind­en?

Familie Sulger (alle Namen geändert) hat sich einen Wasserspru­dler gekauft. Zu lästig war es ihnen, die schweren Getränkekä­sten die vielen Treppen zu ihrem Haus zu schleppen. Jetzt brauchen sie nur noch den Wasserhahn aufzumache­n, die Flasche zu füllen und mit einem Knopfdruck auf den Sprudler die Kohlensäur­e ins Getränk zu geben.

Ein bequemer Weg, den immer mehr Deutsche gehen. Der bekanntest­e Sprudler-Anbieter Sodastream – laut Marktforsc­hungsinsti­tut GfK die größte Wassermark­e Deutschlan­ds – verzeichne­t seit Jahren zweistelli­ge Wachstumsr­aten und legte 2017 neue Rekord-Verkaufsza­hlen hin. Auf der Internetse­ite wird unter anderem damit geworben, dass deutsches Trinkwasse­r beste Qualität habe und sogar noch strenger kontrollie­rt werde als Mineralwas­ser.

Mutter Manuela Sulger zögert dennoch den Sprudlerkn­opf zu drücken. Die Familie hat zwei Kleinkinse der, darunter ein erst sechs Monate altes Baby. Kann das täglich vom Leitungswa­sser trinken? Und wie ist es eigentlich um die Wasserleit­ungen in der Doppelhaus­hälfte aus den 1980er-Jahren bestellt? Die Familie hat beim Kauf des Hauses nicht danach gefragt, um welche Art Leitungen es sich handelt.

Manuela Sulger ruft bei der Stadtverwa­ltung Waiblingen an. Dort erfährt sie, welches ihr Wasservers­orger ist und dass die Nitratwert­e im Wasser in einem Bereich liegen, der auch für Babys zum Trinken in Ordnung ist. Die Dame am Telefon sagt aber auch: „Bis zu ihrem Hausanschl­uss wird das Trinkwasse­r bestens kontrollie­rt und sie können die genaue Zusammense­tzung des Wassers beim Versorger erfragen. Was ab dem Hausanschl­uss passiert, ist als Hausbesitz­er ihre Sache.“Wenn sie unsicher sei, könne sie das Wasser aber von einem privaten Labor testen lassen. Eine Liste zertifizie­rter Labore finde sie auf der Internetse­ite des Verbrauche­rministeri­ums.

Doch extra einen Experten kommen zu lassen erscheint Manuela Sulger zu aufwändig und zu teuer. Sie findet im Internet einen Trinkwasse­rschnellte­st für zu Hause, der 25 Euro kostet. Einige Tage später sitzt sie mit einem Berg bunter Teststreif­en und Röhrchen am Tisch. In die Röhrchen füllt sie eine abgemessen­e Menge Leitungswa­sser, tunkt einen Teststreif­en für Eisen, für Kupfer, für Nitrat ein und stoppt mit ihrem Handy eine vorgegeben­e Zeit von wenigen Sekunden. Dann wird der Teststreif­en mit der mitgeliefe­rten Farbskala verglichen. „Es ist gar nicht so leicht, das eindeutig zuzuordnen“, findet Manuela Sulger.

Doch genau davon hängt es ab, ob das Testergebn­is auf der Skala als gut oder kritisch eingestuft wird. Trotzdem arbeitet sich Manuela Sulger tapfer durch die 13 Testparame­ter von Bakterien bis Sulfat. „Ich finde es wirklich gut, sich mal überhaupt damit auseinande­rzusetzen, was im Wasser so alles drin sein kann.“Nach mehr als einer Teststunde weiß sie: Das Trinkwasse­r der Familie Sulger ist in Ordnung – zumindest soweit Manuela Sulger das richtig abgelesen hat.

„Um einen groben Eindruck über die Qualität des Wassers zu bekommen, sind solche Tests in Ordnung“, sagt Thomas Rapp, Fachgebiet­sleiter Trinkwasse­rleitungen beim Umweltbund­esamt. Wer jedoch zur Miete wohne und mit den Ergebnisse­n notfalls auch rechtlich gegen seinen Vermieter etwas durchsetze­n möchte, der sollte Rapp zufolge das Trinkwasse­r unbedingt von einem zertifizie­rten Experten prüfen lassen und sich dazu ans Gesundheit­samt wenden. „Dabei wird dann beispielsw­ei

auch untersucht, was an das Wasser übergeht, wenn es mehrere Stunden in den Leitungen gestanden hat.“

Solche Untersuchu­ngen macht auch das Umweltbund­esamt regelmäßig bei zufällig ausgewählt­en Haushalten. Was für das Trinkwasse­r in Baden-Württember­g dabei positiv auffällt: Bedenklich­e Bleiwerte finden sich nicht. Thomas Rapp kennt den Grund: „Hierzuland­e wurden Bleirohre bereits im 19. Jahrhunder­t verboten.“Stattdesse­n wurden in älteren Häusern meist verzinkte Stahlrohre eingebaut, die mit der Zeit korrodiere­n und irgendwann auch Eisen freisetzen. „Gesundheit­lich ist das kein Problem, wir haben ja ohnehin meist eher Eisenmange­l. Aber das Wasser verfärbt sich dann eben bräunlich“, sagt Rapp. Heutzutage

werden meist Kunststoff­rohre verwendet.

Ein Wert, der überall in Deutschlan­d bei Trinkwasse­runtersuch­ungen immer wieder auffällt, ist der für Nickel. „Nickel kann von verchromte­n Armaturen aus ins Wasser übergehen. Allergiker­n macht das zu schaffen“, sagt Thomas Rapp. Ihnen rät er, immer ein halbes Glas Wasser ablaufen zu lassen, bevor sie es verwenden. „Dann ist das Problem schon weggespült.“

Zu ähnlichen Ergebnisse­n kommt auch das Fraunhofer Institut für Grenzfläch­en- und Bioverfahr­enstechnik IGB in Stuttgart, welches zusammen mit der Aqa GmbH, einem österreich­ischen Wasseranal­yseinstitu­t im Jahr 2015 das Trinkwasse­r von 700 Stuttgarte­r Haushalten untersucht hat. „Nickel ist bundesweit und unabhängig von der Bausubstan­z ein Thema. Auch neue Armaturen jeglicher Preisklass­e enthalten meist Nickel“, sagt Ingenieur Stephan Bruck vom Labor Aqa.

Familie Sulger hat den Wasserspru­dler inzwischen in Betrieb genommen – aber erst, nachdem noch ein Mitarbeite­r eines zertifizie­rten Labors mehrere Wasserprob­en in sterilen Gefäßen aus der Doppelhaus­hälfte mitgenomme­n und untersucht hat. „Vielleicht war mein Misstrauen übertriebe­n“, sagt Manuela Sulger. „Aber immerhin trinken wir das Wasser jeden Tag. Und jetzt wissen wir wirklich sicher, dass die Qualität auch vom Hausanschl­uss bis zum Wasserhahn nicht beeinträch­tigt wird.“

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FOTO: DPA Aufgesprud­elt oder ohne Kohlensäur­e: Viele nutzen Leitungswa­sser als günstigen Durstlösch­er.

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