Leitung gut, Wasser gut
Das Trinkwasser in Deutschland wird streng kontrolliert, aber nur bis zum Hausanschluss – Ein spezieller Test zeigt die Qualität, die direkt aus dem Hahn kommt
Immer mehr Deutsche sprudeln ihr Leitungswasser zum Trinken selbst auf. Doch nicht in jedem Haus entsprechen Leitungen, Armaturen oder Wasserfilter einem Zustand, der einwandfreies Trinkwasser garantiert. Aber wie können Hausbesitzer und Mieter das herausfinden?
Familie Sulger (alle Namen geändert) hat sich einen Wassersprudler gekauft. Zu lästig war es ihnen, die schweren Getränkekästen die vielen Treppen zu ihrem Haus zu schleppen. Jetzt brauchen sie nur noch den Wasserhahn aufzumachen, die Flasche zu füllen und mit einem Knopfdruck auf den Sprudler die Kohlensäure ins Getränk zu geben.
Ein bequemer Weg, den immer mehr Deutsche gehen. Der bekannteste Sprudler-Anbieter Sodastream – laut Marktforschungsinstitut GfK die größte Wassermarke Deutschlands – verzeichnet seit Jahren zweistellige Wachstumsraten und legte 2017 neue Rekord-Verkaufszahlen hin. Auf der Internetseite wird unter anderem damit geworben, dass deutsches Trinkwasser beste Qualität habe und sogar noch strenger kontrolliert werde als Mineralwasser.
Mutter Manuela Sulger zögert dennoch den Sprudlerknopf zu drücken. Die Familie hat zwei Kleinkinse der, darunter ein erst sechs Monate altes Baby. Kann das täglich vom Leitungswasser trinken? Und wie ist es eigentlich um die Wasserleitungen in der Doppelhaushälfte aus den 1980er-Jahren bestellt? Die Familie hat beim Kauf des Hauses nicht danach gefragt, um welche Art Leitungen es sich handelt.
Manuela Sulger ruft bei der Stadtverwaltung Waiblingen an. Dort erfährt sie, welches ihr Wasserversorger ist und dass die Nitratwerte im Wasser in einem Bereich liegen, der auch für Babys zum Trinken in Ordnung ist. Die Dame am Telefon sagt aber auch: „Bis zu ihrem Hausanschluss wird das Trinkwasser bestens kontrolliert und sie können die genaue Zusammensetzung des Wassers beim Versorger erfragen. Was ab dem Hausanschluss passiert, ist als Hausbesitzer ihre Sache.“Wenn sie unsicher sei, könne sie das Wasser aber von einem privaten Labor testen lassen. Eine Liste zertifizierter Labore finde sie auf der Internetseite des Verbraucherministeriums.
Doch extra einen Experten kommen zu lassen erscheint Manuela Sulger zu aufwändig und zu teuer. Sie findet im Internet einen Trinkwasserschnelltest für zu Hause, der 25 Euro kostet. Einige Tage später sitzt sie mit einem Berg bunter Teststreifen und Röhrchen am Tisch. In die Röhrchen füllt sie eine abgemessene Menge Leitungswasser, tunkt einen Teststreifen für Eisen, für Kupfer, für Nitrat ein und stoppt mit ihrem Handy eine vorgegebene Zeit von wenigen Sekunden. Dann wird der Teststreifen mit der mitgelieferten Farbskala verglichen. „Es ist gar nicht so leicht, das eindeutig zuzuordnen“, findet Manuela Sulger.
Doch genau davon hängt es ab, ob das Testergebnis auf der Skala als gut oder kritisch eingestuft wird. Trotzdem arbeitet sich Manuela Sulger tapfer durch die 13 Testparameter von Bakterien bis Sulfat. „Ich finde es wirklich gut, sich mal überhaupt damit auseinanderzusetzen, was im Wasser so alles drin sein kann.“Nach mehr als einer Teststunde weiß sie: Das Trinkwasser der Familie Sulger ist in Ordnung – zumindest soweit Manuela Sulger das richtig abgelesen hat.
„Um einen groben Eindruck über die Qualität des Wassers zu bekommen, sind solche Tests in Ordnung“, sagt Thomas Rapp, Fachgebietsleiter Trinkwasserleitungen beim Umweltbundesamt. Wer jedoch zur Miete wohne und mit den Ergebnissen notfalls auch rechtlich gegen seinen Vermieter etwas durchsetzen möchte, der sollte Rapp zufolge das Trinkwasser unbedingt von einem zertifizierten Experten prüfen lassen und sich dazu ans Gesundheitsamt wenden. „Dabei wird dann beispielswei
auch untersucht, was an das Wasser übergeht, wenn es mehrere Stunden in den Leitungen gestanden hat.“
Solche Untersuchungen macht auch das Umweltbundesamt regelmäßig bei zufällig ausgewählten Haushalten. Was für das Trinkwasser in Baden-Württemberg dabei positiv auffällt: Bedenkliche Bleiwerte finden sich nicht. Thomas Rapp kennt den Grund: „Hierzulande wurden Bleirohre bereits im 19. Jahrhundert verboten.“Stattdessen wurden in älteren Häusern meist verzinkte Stahlrohre eingebaut, die mit der Zeit korrodieren und irgendwann auch Eisen freisetzen. „Gesundheitlich ist das kein Problem, wir haben ja ohnehin meist eher Eisenmangel. Aber das Wasser verfärbt sich dann eben bräunlich“, sagt Rapp. Heutzutage
werden meist Kunststoffrohre verwendet.
Ein Wert, der überall in Deutschland bei Trinkwasseruntersuchungen immer wieder auffällt, ist der für Nickel. „Nickel kann von verchromten Armaturen aus ins Wasser übergehen. Allergikern macht das zu schaffen“, sagt Thomas Rapp. Ihnen rät er, immer ein halbes Glas Wasser ablaufen zu lassen, bevor sie es verwenden. „Dann ist das Problem schon weggespült.“
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch das Fraunhofer Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart, welches zusammen mit der Aqa GmbH, einem österreichischen Wasseranalyseinstitut im Jahr 2015 das Trinkwasser von 700 Stuttgarter Haushalten untersucht hat. „Nickel ist bundesweit und unabhängig von der Bausubstanz ein Thema. Auch neue Armaturen jeglicher Preisklasse enthalten meist Nickel“, sagt Ingenieur Stephan Bruck vom Labor Aqa.
Familie Sulger hat den Wassersprudler inzwischen in Betrieb genommen – aber erst, nachdem noch ein Mitarbeiter eines zertifizierten Labors mehrere Wasserproben in sterilen Gefäßen aus der Doppelhaushälfte mitgenommen und untersucht hat. „Vielleicht war mein Misstrauen übertrieben“, sagt Manuela Sulger. „Aber immerhin trinken wir das Wasser jeden Tag. Und jetzt wissen wir wirklich sicher, dass die Qualität auch vom Hausanschluss bis zum Wasserhahn nicht beeinträchtigt wird.“