Grundrente entzweit CDU
SPD-Chefin Dreyer sieht GroKo-Bilanz gut abgerundet
BERLIN (sal) - Nach der Einigung der Großen Koalition auf die Grundrente stellten sich die Parteispitzen von CDU, CSU und SPD hinter den Kompromiss. Die Halbzeitbilanz der Regierung sei damit „richtig gut abgerundet worden“, sagte die kommissarische SPD-Chefin Malu Dreyer. In der CDU wird jedoch gestritten, denn Wirtschaftsflügel und Junger Union geht der Kompromiss zu weit. Um einen Ausgleich zu schaffen, war auch eine befristete Senkung der Arbeitslosenversicherung um zwei Prozentpunkte vereinbart worden.
Baden-Württembergs CDU-Chef Thomas Strobl warnte davor, sich vom Prinzip, dass die Rente Lohn für Leistung ist, zu entfernen. „Denn sonst kommt nach der Grundrente schnell die Debatte über ein bedingungsloses Grundeinkommen. Die Grundrente darf dafür kein Einfallstor sein. das führt auf die schiefe Ebene nach links“, sagte er der „Schwäbischen Zeitung“.
- Offiziell feiert die Große Koalition den Kompromiss zur Grundrente, doch hinter den Kulissen sind längst nicht alle zufrieden. Trotzdem wurde erst einmal aufgeatmet. Schließlich hatten die Regierungsparteien monatelang gerungen und gestritten. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer erinnerte daran, dass die Grundrente jetzt erst im dritten Anlauf gelungen ist.
„Es ist ein Kompromiss, der auf beiden Seiten gewisse Zugeständnisse eingefordert hat“, sagt der CDUAbgeordnete Thomas Bareiß. „Was ausgehandelt wurde, ist in Ordnung.“Aber man müsse jetzt schon mehr Aufmerksamkeit auf Zukunftsinvestitionen richten.
Das verspricht CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Der bevorstehende CDU-Parteitag in Leipzig solle sich mit der Frage beschäftigen, wie man Wachstum und Wohlstand in 20 Jahren sichere. Hier müsse der Turbo eingelegt werden.
Die Präsidien von CDU und CSU haben den Kompromiss einstimmig gebilligt, doch es gab Kritik, besonders vom CDU-Wirtschaftsflügel und der Jungen Union. Der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand, Christian von Stetten, meinte, die im Koalitionsvertrag getroffenen Vereinbarungen seien gebrochen worden, um die Koalition über den SPD-Parteitag hinaus zu retten. „Das wird ja immer verrückter in Berlin.“Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus, der wiederholt gewarnt hatte, der SPD nicht zu viel entgegenzukommen, stellte sich dagegen hinter den Kompromiss.
Die Junge Union kritisierte dagegen scharf die zusätzliche Rentenleistung, die zulasten der Jungen Generation gehe. Ihr Vorsitzender Tilman Kuban gehört zu den drei Vorstandsmitgliedern, die gegen den Kompromiss gestimmt hatten.
Für den 44-jährigen Wangener Landtagsabgeordneten Raimund Haser ist es dagegen ein guter Beschluss. „Wer arbeitet und sich in die Gesellschaft eingebracht hat, soll nicht im Alter hungern.“Schließlich sitze die junge Generation, zu der er sich auch noch zähle, „mit ihrem Wohlstand auf den Schultern ihrer Eltern und Großeltern, die dieses Land unter weit schwereren Bedingungen aufgebaut haben, als das heute noch vonnöten wäre“. Als Präsidiumsmitglied des Bundes der Vertriebenen kämpft Haser in diesem Zusammenhang aber auch für einen Rückbau des Fremdrentengesetz, das Spätaussiedlern weniger Punkte zugesteht.
Arbeitgeber sehen „Systembruch“
Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall kritisiert den Kompromiss als Systembruch: „Wer ein Leben lang wenig in die Rentenkasse eingezahlt hat, bekommt nun eine deutlich höhere Rente – höher als die Beiträge, die er geleistet hat, höher als die Rente anderer Rentner, die mehr eingezahlt haben, aber nicht die Voraussetzungen für die Grundrente erfüllen. Das hat mit den Grundprinzipien unseres Rentensystems nichts mehr zu tun. Es ist ein Systembruch“, so Gesamtmetall Hauptgeschäftsführer Oliver Zander. Von einem „sozialpolitischen Meilenstein“spricht dagegen die kommissarische SPD-Chefin Malu Dreyer. „Es gibt keine neue Sozialleistung, sondern den Anspruch auf eine Höherbewertung der Rente.“Die SPD hatte die Einführung einer Grundrente als Bedingung
für den Verbleib in der Großen Koalition gemacht. Über eine entsprechende Empfehlung beriet die Parteispitze in Berlin. SPD-Politiker vom linken Flügel wie Karl Lauterbach und Hilde Mattheis kritisierten dagegen, dass die Grundrente jetzt auch vom Einkommen des Partners abhänge.
CSU-Chef Markus Söder begrüßte die Einigung, die nicht leicht gefallen sei. Auch wenn die große Koalition nie eine gewünschte Liebesbeziehung gewesen sei, sei ihre Arbeit doch besser als ihr Ruf. Zugleich appellierte Söder aber auch: „Wir brauchen die Lust, Probleme zu lösen und dürfen aber keine Angst haben, Verantwortung zu übernehmen.“
FDP-Chef Christian Lindner stocherte in den Wunden der Union. Diese hat sich seiner Ansicht nach von der SPD über den Tisch ziehen lassen. „Aus der Idee der Grundrente ist eine Willkürrente geworden: Es fließt Steuergeld, wo im Einzelfall gar keine Bedürftigkeit vorliegt. Wer weniger als 35 Jahre gearbeitet hat, fällt durch den Rost.“Und der FDPFraktionschef fügte hinzu: „Die Halbzeitbilanz der GroKo weist nun noch mehr Schatten als Licht auf.“