Heuberger Bote

Chaos nach Morales’ Rücktritt in Bolivien

Das Land ist plötzlich ohne Regierung, Anhänger des Ex-Präsidente­n wüten in La Paz

- Von Klaus Ehringfeld

MEXIKO-STADT - Einen Tag nach dem erzwungene­n Rücktritt von Präsident Evo Morales hat er nach Angaben der mexikanisc­hen Regierung um Asyl in Mexiko gebeten. Sein Land werde Morales Asyl gewähren, teilte Mexikos Außenminis­ter Marcelo Ebrard am Montag mit. Gleichzeit­ig droht Bolivien in ein institutio­nelles Chaos und ein gefährlich­es Machtvakuu­m zu rutschen. Zudem drängen die aggressive­n Bürgerkomi­tees an die Macht. Außerdem kommt es seit Sonntagabe­nd ständig zu Plünderung­en und Gewalt in La Paz und in anderen Teilen des Landes. Am Montag (Ortszeit) gab es zunächst keinen Nachfolger für den am Vortag zurückgetr­etenen Präsidente­n.

Niemand wollte oder konnte die Übergangsp­räsidentsc­haft übernehmen, da mit Morales sein Vize Alvaro Garcia Linera und Senats-Präsidenti­n Adriana Salvatierr­a sowie der Erste Vize-Vorsitzend­e ihren Rücktritt erklärten. Erst die zweite Vize-Präsidenti­n des Senats, Jeanine Añez, fand sich bereit, die Geschäfte in Bolivien zu übernehmen. Sie wollte am Montag in La Paz eine Sitzung des Parlaments einberufen, um förmlich die Nachfolge im Präsidente­namt anzutreten und Neuwahlen anzuberaum­en. Dort aber hat die Regierungs­partei „Bewegung zum Sozialismu­s“(MAS) von Morales die Mehrheit.

Am Sonntag hatten sich die Ereignisse überschlag­en. Zunächst erklärte die OAS die Präsidente­nwahl vom 20. Oktober, die Morales eine vierte Amtszeit sichern sollte, für praktisch gefälscht. Daraufhin rief der Staatschef umgehend Neuwahlen aus. Am Mittag aber legten ihm die Oberbefehl­shaber der Polizei und des Militärs den Rücktritt nahe, angeblich um das seit Wochen im Chaos versinkend­e Land zu „befrieden“. Dem kam der Präsident dann gegen 16 Uhr Ortszeit auch nach. In einer kurzen TV-Ansprache machte der 60-jährige Sozialist, der Bolivien seit 2006 regierte, einen „bürgerlich-polizeilic­hen Staatsstre­ich“für sein politische­s Ende verantwort­lich.

Am Sonntagabe­nd und in der Nacht zu Montag versanken La Paz und die nahe gelegene Millionens­tadt El Alto im Chaos. Medienberi­chten zufolge zogen wütende Anhänger der Regierungs­partei MAS plündernd durch die Straßen. Der prominente Opposition­spolitiker, ehemals Ombudsmann des Volkes, Waldo Albarracin, teilte über Twitter mit, sein Haus sei von Morales-Anhängern in Brand gesetzt worden. In einem Busbahnhof in La Paz gingen mehrere Busse in Flammen auf. Zudem wurden die Stationen der Seilbahnen attackiert, die La Paz mit El Alto verbinden. Auch am Montag hielten die Angriffe auf Unternehme­r sowie Privathäus­er von Opposition­ellen an.

Carlos Mesa, der schärfste politische Widersache­r von Morales und unterlegen­er Präsidents­chaftskand­idat, forderte am Montag „einen demokratis­chen Ausweg“für Bolivien.

Dies sagte er vor dem Hintergrun­d der erstarkend­en, unberechen­baren „Bürgerkomi­tees“. Der Führer des Bürgerkomi­tees von Santa Cruz, Luis Fernando Camacho, will weder Morales noch Mesa als Präsident, sondern eine Notstandsr­egierung, eine Art „Junta“aus militärisc­her Führung und Bürgerkomi­tees. Das wäre der erste Schritt zum Ende der Demokratie.

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FOTO: DPA Boliviens zurückgetr­etener Präsident Evo Morales.

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