Asien statt Ansbach
Adidas macht seine prestigeträchtige Speedfactory in Deutschland dicht
- Der Sportartikelhersteller Adidas stellt seine erst 2017 eröffneten sogenannten Speedfactorys in Ansbach und in Atlanta (US-Bundesstaat Georgia) ein. Das teilte das Unternehmen am Montag mit und bestätigte damit Berichte mehrerer Medien. An der Technologie des einstigen Prestigeprojektes wolle Adidas jedoch festhalten und sie künftig bei Zulieferern in Asien einsetzen. Betroffen sind den Angaben zufolge rund 100 Mitarbeiter. „Wir können betriebsbedingte Kündigungen noch nicht ausschließen“, sagte eine Sprecherin des AdidasPartners Oechsler AG, der die Speedfactorys in Ansbach und Atlanta aufgebaut hatte und bisher betreibt.
Adidas lasse ohnehin zu großen Teilen in Asien produzieren, sagte Konzernsprecher Jan Runau am Montag. Es habe sich herausgestellt, dass es sinnvoller sei, auch die Produktion der Speedfactorys dort zu konzentrieren, wo das Know-how und die Lieferanten säßen. Dafür seien weniger finanzielle als vielmehr organisatorische Gründe verantwortlich. Der Versuch, die technologisch hochwertige Produktion von Sportartikeln wieder stärker nach Deutschland zu holen, sei an dieser Stelle nicht geglückt.
Asien habe technologisch schneller aufgeholt, als das 2016 absehbar gewesen sei. Die in den vergangenen Jahren gewonnenen Erkenntnisse sollen nun nach Asien transferiert werden. „Wir haben in Ansbach einiges gelernt“, sagte Runau. Bei asiatischen Zulieferern sollen künftig neben Schuhen auch weitere Artikel aus dem Adidas-Sortiment mit Speedfactory-Technologie hergestellt werden.
Das Werk in Ansbach sei auf 500 000 Paar Schuhe ausgelegt gewesen und habe nicht an seiner Kapazitätsgrenze gearbeitet, sagte Runau. Bis spätestens April kommenden Jahres soll es nicht mehr wie bisher genutzt werden. Insgesamt lässt Adidas pro Jahr 400 Millionen Paar Schuhe herstellen.
Die hoch automatisierte Speedfactory, deren Fertigung zum großen Teil auf Roboter setzt, war geschaffen worden, um möglichst schnell auf neue Trends vor allem in der Laufschuhtechnologie und -mode reagieren zu können. Für Adidas war es die erste Fabrikeröffnung in Deutschland seit Jahrzehnten. Gefertigt wurden dort auf ein Ereignis bezogene Kleinserien – Fußballschuhe ausschließlich zu einer Weltmeisterschaft oder zum Super-Bowl-Finale beim American Football.
Als Begründung für die Standortwahl Ansbach wurden damals unter anderem die langen Lieferzeiten von den asiatischen Produktionsstandorten nach Europa angeführt: 45 Tage sind die Schuhe per Schiff unterwegs. Und während in China oder Vietnam eine Vielzahl von Zuliefern die Einzelteile fertigen, die dann in viel Handarbeit zusammengefügt werden, entsteht der Schuh in der Speedfactory aus einem Guss: Die Maschinen formen die Module vom Schaumstoff für die Sohle bis zum Farbstreifen auf der Oberfläche und verschmelzen diese in mehreren Schritten. Dafür braucht es gerade mal fünf Stunden:
Als Paradebeispiel für „Industrie 4.0“, die hochautomatisierte und vernetzte Produktion, in der Experten die Zukunft der Industrie in Deutschland sehen, wurde das Projekt damals bejubelt. Dass der Startschuss ausgerechnet in Deutschland fiel, zeige die Attraktivität des Produktionsstandorts, sagte der damalige Adidas-Chef Herbert Hainer und verwies auf die „deutsche Ingenieurskunst“. Im Jahr 2018 hatte der Sportartikelkonzern für die Idee der Speedfactory noch den Deutschen Innovationspreis gewonnen.
In Ansbach und Atlanta hatte Adidas das Projekt gemeinsam mit dem Zulieferer Oechsler AG betrieben. Die Technik lieferte unter anderem das Reutlinger Maschinenbauunternehmen Manz. Die technologische Zusammenarbeit mit Oechsler wolle Adidas fortsetzen, hieß es. In dem Werk sollen unter anderem weiterhin im 4-D-Druck Schuhsohlen gefertigt werden.
Oechsler bedauerte die Entscheidung, die in der Speedfactory gefertigten Produkte künftig in Asien herstellen zu wollen. Das Unternehmen, das eigentlich aus der Autozuliefererbranche kommt, wollte sich mit den Sportschuhen stärker vom derzeit schwierigen Automotive-Sektor lösen. Man habe dennoch wertvolle Kenntnisse gewonnen, die künftig auch in andere Geschäftsbereiche einfließen könnten, betonte Vorstandsvorsitzender Claudius Kozlik.
„Der Versuch, die Produktion von Sportartikeln wieder stärker nach Deutschland zu holen, ist an dieser Stelle nicht geglückt.“
Jan Runau, Adidas-Sprecher