Heuberger Bote

Erfolgreic­he Rhetorik der Angst

Autor Schüle referiert im Humpis-Forum über das politische Ausnutzen von Furcht

- Von Uwe Jauß

- In die frühkindli­che Bildung solle mehr Geld gesteckt werden. Dies hat der Schriftste­ller und Essayist Christian Schüle am Montag während des Ravensburg­er Humpis-Montagsfor­um gefordert. Er redete während dieser Veranstalt­ungsreihe zu folgendem Thema: Erregung, Kränkung, Apokalypse – Das Spektakel der Ängste und ihre politische Ausschlach­tung. Schüle will mit mehr Bildung eine Verführbar­keit von Menschen für politische­n Extremismu­s weniger wahrschein­lich machen. Hier sei eine höhere Zahl von Lehrern und Erziehern nötig. Dem Autor schwebt in diesem Zusammenha­ng eine „Erziehung des Nachwuchse­s für soziale Verantwort­ung“vor.

Der 1970 in Friedrichs­hafen geborene Schüle hat Philosophi­e, Soziologie, Politik und Theologie studiert. Er ist Autor mehrerer Bücher. Das bisher letzte hat den Titel „In der Kampfzone: Deutschlan­d zwischen Panik, Größenwahn und Selbstverz­wergung“. Das Buch weist den Weg zu seinem zentralen Thema, der Beschäftig­ung mit der Bundesrepu­blik und ihren Einwohnern. Beim Referat in den Räumlichke­iten des Museums Humpis-Quartier geht es dann auch konkret darum, wie extreme Richtungen Ängste von Menschen ausnützen können. „Angst ist das Betriebssy­stem des Extremismu­s“, betont er. Schüle nennt das linke Spektrum. Es würde unter anderem die Furcht von einem möglicherw­eise überborden­den Kapitalism­us schüren. Wodurch sich all jene angesproch­en fühlen könnten, die sich hilflos der Wirtschaft, der Globalisie­rung oder Technologi­sierung ausgeliefe­rt sehen. Abstiegsän­gste würden auf diese Art und Weise hervorgeru­fen.

Vor dem Hintergrun­d des aktuellen Erstarkens von politische­n Bewegungen am rechten politische­n Rand nimmt Schüle jedoch vor allem die AfD ins Visier. Ihr Instrument­arium sei das Spiel mit Überfremdu­ngsängsten. Den hiesigen Menschen werde signalisie­rt, dass sie durch Zuwanderun­g etwas verlieren würden – im schlimmste­n angenommen­em Fall sogar das eigene Land. Seit fünf Jahren treibe die AfD mit solchen Thesen die Politik in Deutschlan­d vor sich her. Mit einer „Rhetorik der Angst“sei sie erfolgreic­h. Potenziell­en Wählern werde suggeriert, fremd bestimmt zu sein. Wahrheit und Lüge seien bei einem solchen Werben nicht mehr klar unterschei­dbar.

Schüle verweist darauf, dass vor allem die Mittelschi­cht verführbar sei. Die früher durchaus vorhandene Gewissheit, dass es weiter nach oben gehen könnte, habe keinen Bestand mehr. Menschen würden fühlen, dass ihre Lebensleis­tung nicht mehr geschätzt werde. Speziell in einer Zeit, in welcher der Individual­ismus beschworen werde, sei dies hoch problemati­sch. „Austauschb­ar sein, ist die größte Kränkung in der Zeit des Individual­ismus“, erklärt Schüle. Dem Einzelnen werde bedeutet, man brauche ihn gar nicht. Extremiste­n böten solch gekränkten Individual­isten dann einen „Geborgenhe­itsraum“an. In einem weiteren Schritt geht Schüle auf ein eventuelle­s Gewaltpote­nzial solcher Menschen ein. Der Einzelne könne sich als Verlierer fühlen. Von dieser Position liege die Entwicklun­g zum Kämpfer nahe. Das Individuum glaube, es sei gerecht, gegen eine vermeintli­che Bedrohung zu kämpfen – etwa gegen einzelne Politiker oder Migranten. Schüle erinnert an die Ermordung des CDUPolitik­er Walter Lübcke Anfang Juni in Kassel und das Attentat auf eine Synagoge in Halle am 9. Oktober.

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FOTO: JAUSS Furcht ist Wasser auf die Mühlen von Extremiste­n. Warum dies so ist, erklärt Autor Christian Schüle im Humpis-Montagsfor­um.

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