Heuberger Bote

Indierock im Freizeitpa­rk

Bei der zweiten Auflage von „Rolling Stone Park“in Rust empfehlen sich Elbow und Bess Atwell

- Von Daniel Drescher

- „Das ist nur eine Phase“: Wer sich seit seiner frühen Jugend intensiv mit Musik beschäftig­t – nach gängiger Definition also ein „Nerd“ist –, kennt dieses elterliche Mantra gegen hausintern­e Lärmbeläst­igung. Auf die rund 2200 Festivalbe­sucher beim Rolling Stone Park in Rust trifft dieser Ausspruch garantiert nicht zu. Denn bei dem zweitägige­n IndoorFest­ival im Europa-Park standen altverdien­te Helden wie The Specials auf der Bühne – und in Publikum eine Menge Menschen, die die 40 schon überschrit­ten haben und immer noch in „dieser Phase“sind.

Wie schnell die Zeit vergeht, sah man am Auftritt von Maximo Park: Die englischen Indierock-Helden der Nullerjahr­e sind immer noch eine starke Liveband, und Frontmann Paul Smith weckte mit Songs wie „Our Velocity“vom erfolgreic­hsten Album „Our Earthly Pleasures“aus dem Jahr 2007 nostalgisc­he Gefühle beim Publikum. Mehr als nur eine Phase ist der Erfolg der ebenfalls britischen Band Elbow. Die Musiker feierten nach dem Durchbruch mit „The Seldom Seen Kid“2008 (Platz fünf in den UK-Charts) mit ihren aktuellste­n drei Alben Nummer-EinsErfolg­e auf der Insel. Der Auftritt von Sänger Guy Garvey und seiner Mitmusiker ist nicht nur der Abschluss, sondern auch ein Glanzstück des Festivals am Samstagabe­nd. Mit Hang zur großen Geste präsentier­te die Band aus Manchester eine profession­elle Show und ließ sich auch von der eher mäßigen Zuschauerz­ahl in der Arena, dem Hauptsaal, nicht aus dem Konzept bringen. Zumal als das Publikum bei „Lippy Kids“mit vereinten Stimmen in den Chorus „Build A Rocket Boys!“einstimmt, diesen Appell, nach den Sternen zu greifen. Da ist für einen Moment vergessen, dass da nur ein paar Hundert Menschen vor der Bühne stehen. Bei The Specials, die am Freitag in der Arena die Headliner-Position bespielten, war gefühlt mehr los. Mit ihrem politisch engagierte­n Sound setzten Terry Hall und seine Band einen Kontrapunk­t zum grassieren­den Rechtspopu­lismus. Mit Saffiyah Khan hatte die britische Band eine weltbekann­te Feministin zu Gast: Die junge Frau wurde im Netz bekannt, als sie sich im April 2017 einer Demo der rechtsextr­emen „England Defence League“entgegenst­ellte. Das Foto, wie sie einen wütenden jungen Mann anlächelt, ging um die Welt. Auf der aktuellen Platte „Encore“ist sie beim Song „10 Commandmen­ts“zu hören, der auch in Rust erklang.

Verträumte­r, surrealer Rahmen

Durch die vier Bühnen, auf denen 30 Bands an zwei Tagen auftreten, verstreut sich die Menschenme­nge über das Indoor-Gelände. Mit Zirkus-Ambiente im „Traumpalas­t“und Kronleucht­ern im „Ballsaal Berlin“schafft der Freizeitpa­rk einen verträumt surrealen Rahmen für ein Festival. Wer nicht gerade eine Band sehen will, kann sich aus einem Automaten frisches Popcorn holen oder am Samstag ein paar Achterbahn­en fahren. Ravioli aus der Dose und kalte Nächte im Zelt – wer das unter Festival versteht, erlebt hier etwas komplett anderes. Zum zweiten Mal gibt es das Festival in Rust, während der „Rolling Stone Beach“an der Ostsee vor zehn Jahren das erste Mal stattfand. Noch ist der „Rolling Stone Park“nicht so etabliert, aber dafür auch nicht überlaufen. Für die Fans hier gibt es die Chance, geradezu intime Musikmomen­te zu erleben, die so gar nichts mit den vollgepack­ten Festivals des Sommers zu tun haben, bei denen die Leute, die hinten stehen, oft nur einen stecknadel­großen Kopf auf der Bühne ausmachen können.

So etwa bei Bess Atwell, die im „La Sala Bianca“ruhigen Folkpop darbietet. Die Sängerin und Gitarristi­n aus Brighton empfiehlt sich mit Songs wie „Swimming Pool“als Soundtrack für verregnete Nachmittag­e. Auch das Gastspiel der US-Musikerin Joan Wasser aka Joan As A Police Woman fällt in die Kategorie „Jetzt besser keine Stecknadel fallen lassen“. Berührend und melancholi­sch. John Spencer zeigt mit den Hitmakers indes, wie inspiriert Krach sein kann – Hammerschl­äge und eine abenteuerl­iche Percussion-Konstrukti­on inklusive.

Einen leicht irritieren­den Auftritt legt Bob Mould hin: Der Sänger und Gitarrist, der mit Hüsker Dü und Sugar in zwei der stilprägen­dsten Indie-Kapellen mitgewirkt hat, steht allein auf der Bühne im „Ballsaal Berlin“, nur mit einer E-Gitarre ausgerüste­t. Mit der typisch energetisc­h-ruppigen Art pfeffert er Songs wie „Hoover Dam“oder „The Descent“ins Publikum. Doch ohne das rhythmisch­e Korsett von Bass und Schlagzeug verpuffen die Stücke. Der Saal leert sich zusehends. Schade.

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FOTOS (2): DANIEL DRESCHER Mit Hang zur großen Geste präsentier­te Guy Garvey von Elbow eine profession­elle Show.
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Liefert Musik für verregnete Nachmittag­e: Bess Atwell.

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