Heuberger Bote

Zeit für politische Texte

Der Sänger Johannes Oerding singt nicht mehr nur autobiogra­fisch

- Von Theresa Münch

(dpa) - Manchmal fühlt sich Johannes Oerding wie auf einem brodelnden Vulkan – und das meint der Sänger politisch. Seine Bestandsau­fnahme ist verständni­slos und fast verzweifel­t: „Die Leute wollen wieder solche Hetzer, solche autoritäre­n Demagogen“, beschreibt der 37-Jährige. Vor den Wahlen im Osten rief er vor kurzem dazu auf, jetzt nicht noch „Brandbesch­leuniger“zu wählen. Auch auf der Bühne sagt Oerding seine Meinung gegen Fremdenfei­ndlichkeit, Intoleranz und die AfD. „Das müssen die Leute dann einfach aushalten – ich muss ja schließlic­h auch 23 Prozent für die AfD in Thüringen ertragen“, sagt er.

Diese Haltung, diese politische Empörung, hat Oerding jetzt zum ersten Mal auch deutlich musikalisc­h verarbeite­t: Sein neues Album „Konturen“ist eines, bei dem es sich lohnt, genau hinzuhören. Gar nicht lang ist es her, da beschrieb man Oerdings Musik noch als „schnörkell­os, zu 90 Prozent autobiogra­fisch und keine politische­n Botschafte­n“. Das hat sich nun gedreht.

Der 37-Jährige hat an sich gearbeitet, ein wenig wie ein Bildhauer, der Schicht für Schicht abträgt und sich immer mehr Profil gibt. „Man filtert sich selbst im Zuge des Erwachsenw­erdens, des Älterwerde­ns“, sagt er. „Ich habe mehr und mehr den Eindruck, dass mein eigenes Bild klarer wird.“Das Ziel: Nicht nur den typischen Oerding-Sound zu verkörpern, sondern auch eine typische Oerding-Haltung.

Die ist, bei aller Verzweiflu­ng, doch eine ziemlich zupackende. „Komm, wir machen's besser als jetzt“, fordert er auf seinem neuen Album. Denn so viel braucht es für Johannes Oerding gar nicht für eine bessere Welt: „Ein bisschen Verstand, ne kleine Prise Herz, ein Schuss klare Kante, ne Ecke mehr Mut, nicht so viel Angst und weniger Ernst“. Er könne zwar ziemlich viel jammern, sagt der 37-Jährige. Doch letztlich ist er ein positiver Mensch.

Deshalb darf auf „Konturen“bei aller „klaren Kante“auch die Leichtigke­it nicht fehlen. Mit „An guten Tagen“ist dem Mann mit dem Hut ein richtiger „Gute-Laune-Song“gelungen, der, wie er fast stolz beobachtet, schon auf der Kirmes läuft. Ein „Motivation­ssong“, mit dem er sich selbst daran erinnere, „dass es alles gar nicht so schlimm ist“, sagt Oerding.

Der 37-Jährige beweist seine musikalisc­he Bandbreite: Von Radio-Hit bis zur Ballade, mit lässigem Pop, ganz intim und reduziert bis orchestral. So übersprude­lnd sein Album beginnt, endet es auf einer leisen Note, mit einer gesungenen Geschichte über das Altwerden, einem ungewöhnli­chen Song ganz ohne Refrain, dafür aber mit tiefer Traurigkei­t.

Mit dieser Ambivalenz hat der Wahl-Hamburger im Frühjahr auch bei „Sing meinen Song“schon abwechseln­d für Gänsehaut-Momente und Party-Stimmung gesorgt.

Keine Lust auf Kitsch

Ein Lied wird vor allem diejenigen aufhorchen lassen, die Johannes Oerding schon länger verfolgen: „Ich hab dich nicht mehr zu verlieren“beschreibt eine Trennung – und er singt mit seiner Freundin, der Entertaine­rin Ina Müller. Will er seinen Fans damit etwas sagen? „Alles okay, es läuft bombe“, beruhigt der Sänger. Der Song sei gar nicht als Duett gedacht gewesen, doch er spielte ihn zuhause vor „und Ina sang einfach gleich die schönste zweite Stimme dazu“. Wäre es ein Liebeslied gewesen, hätten sie es nicht zusammen gemacht, sagt Oerding. Schon immer geht das Paar allem Kitsch aus dem Weg. Öffentlich­es „händchenha­ltend in den Armen liegen“ist nicht ihr Ding, nur ganz selten treten sie deshalb gemeinsam auf. Doch diese Ballade, sagt Oerding, „das war Magie – und diese magischen Momente muss man festhalten und mit der Welt teilen“.

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FOTO: O. HEINE „Magischen Momente muss man festhalten und mit der Welt teilen“, sagt Johannes Oerding.

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