Heuberger Bote

Von Liebe und Vergangenh­eit

Max Herre hat länger als angekündig­t für sein Album gebraucht

- Von Oliver Beckhoff

(dpa) - Kaum waren die ersten Hörproben von Max Herres neuem Album versandt, waren alle Zeitpläne auch schon Makulatur. Er sei wieder im Studio, hieß es in einer Mitteilung zwei Wochen vor der geplanten Veröffentl­ichung von „Athen“. Seinen Fans hatte der frühere Freundeskr­eis-Frontmann das zuvor in sozialen Netzwerken offenbart. Statt im August, erscheint das Album nun im November. „Es lagen einfach noch ein paar Songs rum als Skizzen – und dann hab ich weitergema­cht“, sagt Herre (46), der mit Soul-Sängerin Joy Denalane (46) als Traumpaar der deutschen Musikszene galt. 20 Jahre nach dem gemeinsam aufgenomme­nen Freundeskr­eis-Song „Mit Dir“besingen sie mit der Single „Das Wenigste“die Auf- und Abs ihrer Liebe. „Du hast mich gesehen, an meinem blinden Punkt, das Wenigste von mir“– diese Zeilen offenbaren eine menschlich­e Nahbarkeit, die sich nun auch auf „Athen“wiederfind­et.

Athen, das sei ein Sehnsuchts­ort und ein Fluchtpunk­t, der für Orte und Erinnerung­en stehe. „Ich habe familiäre Verbindung­en, weil mein Vater da lebte, Ende der AchtzigerJ­ahre, mein ältester Onkel da geboren ist, mein Großvater da in den Zwanziger-Jahren des letzten Jahrhunder­ts lebte.“

Bei der Arbeit am Album sei es darum gegangen, sich auf die Suche zu begeben, „nach Dingen, an denen man noch nicht gekratzt hat“, nach Erinnerung­en, die gehoben werden wollen.

Musikalisc­h klingt das Album an vielen Stellen vor allem organisch, statt beatlastig. „Nachts“etwa sampelt die gleichnami­ge Ballade der DDR-Rockband Panta Rhei. Es ist eine schwermüti­ge Hommage an eine Zeit, in der Herre ein Kind war. „Ich glaube ja, dass die Musik aus der ehemaligen DDR im Westen sehr unterschät­zt ist“, sagt Herre dazu: „Ich habe das Gefühl, die Musik, die Bands, die Aufnahmete­chnik, das war weiter im Osten in der Zeit als im Westen.“

Sorge um Deutschlan­d

Und zwischen den Blicken zurück auf die Musiklands­chaft vergangene­r Staaten, auf Beziehunge­n und Lebensphas­en, auf die eigenen Kinder, die erwachsen werden, sorgt sich

Herre darum, wo sich seine Heimat hin entwickelt hat. In „Dunkles Kapitel“geht er zusammen mit Megaloh die Diskursver­schiebunge­n der vergangene­n Jahre an: die wachsende Salonfähig­keit von Äußerungen, die früher in der Öffentlich­keit unsagbar schienen.

„Damals hieß es nie wieder. Es ist nicht lange her. Wehret den Anfängen – wenn das nur die Anfänge wären“, heißt es da. Entstanden ist der Text vor dem rechtsextr­emen Attentat von Halle, den die CDU-Chefin Annegret-Kramp Karrenbaue­r im Oktober noch als Alarmsigna­l bezeichnet­e und damit offenbarte, wie wenig das Faktum rechtsextr­emer Gewaltbere­itschaft und wie wenig die Angst, die Minderheit­en angesichts dessen verspüren, oft in den Köpfen jener verankert ist, die nicht selbst zur Zielscheib­e von Rassismus und Antisemiti­smus werden.

„Natürlich fragen wir uns alle, wie viele Halles braucht es“, damit die Politik endlich handele. Rassisten habe es immer gegeben, aber inzwischen gebe es eine Partei, „die im Bundestag sitzt, unter deren Schirm – zumindest deren rechtem Flügel – sich Menschen sammeln können mit der Gesinnung“, sagt Herre, der in der Vergangenh­eit immer wieder politisch Stellung bezogen hat und das auch auf „Athen“tut. „Wir leben in Zeiten, in denen man – meiner Meinung nach – nicht vorbeiguck­en kann an bestimmten Entwicklun­gen“, sagt er. „Das beschäftig­t mich und das beschäftig­t Menschen um mich herum und ich kann dieses Mikrofon, das ich da vor der Nase habe, auch dafür nutzen.“

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FOTO: DPA Max Herre empfindet es als seine Pflicht, sich sozialkrit­isch zu äußern.

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