Heuberger Bote

Mit dem Fahrrad zum Vorspiel nach Freiburg

Star-Pianist Bernd Glemser spielt am Freitag, 15. November, in der Stadthalle

-

Bernd Glemser gibt am Freitag in der Stadthalle um 20 Uhr ein Klavierrez­ital mit „Romantisch­en Charakters­tücken“. Unsere Mitarbeite­rin Kornelia Hörburger hat mit ihm über seinen Weg von Dürbheim in die Liga der führenden deutschen Konzertpia­nisten gesprochen. Herr Glemser, schon früh haben Sie große Aufmerksam­keit erregt durch 17 Preise in Folge bei den renommiert­esten Klavierwet­tbewerben. Inzwischen zählen Sie zur ersten Garde deutscher Konzertpia­nisten. Sie sind in Dürbheim aufgewachs­en. Wie schafft man eine solche Karriere von einer so kleinen Gemeinde aus?

Es ist nicht entscheide­nd, wo man herkommt. Dank meiner Eltern war Musik immer schon Bestandtei­l meines täglichen Lebens. Schon in der Klasse meines Klavierleh­rers in Spaichinge­n gab es eine ganze Gruppe musikbegei­sterter Schüler. Dann stellte mein Bruder den ersten Kontakt zu meinem späteren Klavierpro­fessor Vitaly Margulis an der Musikhochs­chule in Freiburg her. Margulis nahm mich mit 16 Jahren in die Hochbegabt­enförderun­g auf.

Von Dürbheim aus ist Freiburg nicht gerade der nächste Weg?

Zu meinem ersten Vorspiel bin ich sogar mit dem Fahrrad nach Freiburg gefahren. Später habe ich den Zug genommen. Ich erinnere mich genau: Ich durfte immer freitags früan her aus dem Unterricht, weil ich den Zug um 11.52 Uhr am Spaichinge­r Bahnhof erreichen musste. Während der Fahrt habe ich damals so viel gelesen wie später nie mehr, besonders Dostojewsk­i und Thomas Mann.

Ging die Zeit der Begabtenfö­rderung in Freiburg fließend ins Studium über?

Ja, mit 19 habe ich mein Studium in Freiburg bei Vitaly Margulis begonnen. Er hat mich auch zu den Wettbewerb­en geführt, an denen ich im Alter zwischen 19 und 27 Jahren teilgenomm­en habe. Mein erstes richtig großes Klavierkon­zert war in der Alten Oper in Frankfurt, darauf folgten viele wichtige Anfragen. Ich war noch Student in Freiburg, als der Ruf die Musikhochs­chule Saarbrücke­n kam.

Vitaly Margulis emigrierte 1974 aus der Ukraine. Die „russische Schule“hat den Ruf, eiserne Disziplin einzuforde­rn. Wie haben Sie Ihre Ausbildung empfunden?

Es war kein Drill, wir hatten ein sehr enges Verhältnis zueinander. Die Ausbildung war zwar streng, aber Margulis legte von Beginn an großen Wert auf klangliche Vielfalt, auf farbiges Spiel, auf Ausdruckss­tärke. Er fragte mich nicht, ob ich geübt hätte, er fragte nach dem Charakter des Stückes. Man muss eine Geschichte erzählen wollen – das muss keine konkrete sein. Wenn jemand damals versucht hätte mich zum Üben zu zwingen, hätte ich ganz sicher nicht geübt.

Aber ohne Üben geht es nicht.

Nur harte Arbeit ohne Freude an der Musik funktionie­rt so wenig wie nur Freude ohne Arbeit. Ich habe in Freiburg zwar nicht musterhaft disziplini­ert geübt, aber täglich schon sechs bis neun Stunden gespielt. Wie alle anderen aus unserer Gruppe begeistert­er junger Pianisten. Morgens haben wir uns um acht getroffen und danach geübt. Wir haben gemeinsam Musik gehört, Konzerte besucht und uns ausgetausc­ht. Es war eine sehr prägende Zeit.

Heute sind Sie Professor in Würzburg?

Ja, seit 23 Jahren. Mir liegt daran der nächsten Generation zu vermitteln, gleichzeit­ig musikalisc­he Traditione­n zu bewahren und neue Ideen umzusetzen.

In Tuttlingen hören wir von Ihnen Mendelssoh­n-Bartholdy, Rachmanino­ff und Chopin.Wie stellen Sie ein Konzertpro­gramm zusammen?

Ich mache das nach Gefühl. Wenn ein Programmpu­nkt steht, schaut man: Was passt dazu? Wie kann man Gegensätze einbauen? Wie Abwechslun­g in den Tonarten? Wie kann man auf eine eher düstere Stimmung im Mittelteil wieder einen positiven Programm-Ausklang schaffen? Mendelssoh­ns „Variations sérieuses“und Rachmanino­ffs „Corelli-Variatione­n“passen gut zueinander, und mit Chopins späten Stücken kann ich seine überragend­e Qualität als Komponist zeigen. In kürzester Zeit hat Chopin am Ende unglaublic­h verschiede­ne Stücke komponiert – und keines zeigt irgendwelc­he Schwachpun­kte!

Wie fühlt es sich an, ein Konzert in der Heimat zu geben?

Es ist etwas Besonderes. In Tuttlingen habe ich meine ersten Konzerte gehört, damals noch im Evangelisc­hen Gemeindeha­us, weil es die Stadthalle noch nicht gab. Ich war begeistert von Claudio Arrau. Jetzt spiele ich selber hier und hoffe, auf die nächste Generation so zu wirken. Das empfinde ich als Glück.

 ?? FOTO/ARCHIV: RAY ?? Bernd Glermser
FOTO/ARCHIV: RAY Bernd Glermser

Newspapers in German

Newspapers from Germany