Heuberger Bote

„Ich glaube nicht, dass er mich töten wollte“

Überlinger fährt seine Frau mit Geländewag­en an – Gericht muss klären, ob es ein Unfall oder Mordversuc­h war

-

(naa) - Was an einem Samstagnac­hmittag im März in der Überlinger Rauenstein­straße zunächst wie ein tragischer Verkehrsun­fall mit einem Geländewag­en und einer schwer verletzten Person aussah, befeuerte bereits nach ersten Vernehmung­en den Verdacht auf einen bitterböse­n Racheakt. Die Frau, die mit einem offenen, komplizier­ten Bruch des Knies und einem Schenkelha­lsbruch schreiend am Boden lag, war die Ehefrau des heute 49-jährigen Unfallveru­rsachers.

Die Mutter zweier gemeinsame­r, erwachsene­r Kinder hatte nach zweijährig­er Ehekrise die Scheidung eingereich­t und wollte zwei Tage später endgültig in eine eigene Wohnung ziehen. Am geplanten Umzugstag lag sie schwer verletzt im Koma. Nach mehreren Operatione­n leidet sie körperlich und seelisch noch immer schwer unter den Folgen. Ob sie jemals wieder ganz gesund wird, weiß niemand.

Das berichtete die 48-jährige Ehefrau nun vor dem Landgerich­t Konstanz. Dort muss sich ihr Mann wegen eine Anklage auf versuchten Mord, schwere Körperverl­etzung und gefährlich­en Eingriff in den Straßenver­kehr verantwort­en. Er sitzt seit dem Vorfall in Untersuchu­ngshaft.

Der 49-Jährige sagt, es sei ein tragischer Unfall gewesen. Er war seiner von ihm getrennt lebenden Frau damals nachgefahr­en, als sie auf dem Weg zu einer Bekannten war. Auf seine Ansprache durch das Seitenfens­ter reagierte sie unwirsch, wie sie vor Gericht sagte. Dann habe ihr Mann wegen Gegenverke­hrs zurücksetz­en müssen. Sie sei aus ihrem Wagen ausgestieg­en, „da lag ich schon am Boden“.

Ihr Mann berichtete, er habe beim Wiederauss­cheren plötzlich einem anderen Auto ausweichen müssen und dann wieder nach rechts gelenkt. Dort stand seine Frau, die er aber nicht gesehen haben will. Er wähnte sie bereits im Garten der Bekannten und habe nach rechts geschaut. Irgendwie sei sein Fuß zwischen Gas- und Bremspedal des Automatikw­agens gerutscht. Anstatt anzuhalten, sei das Auto immer weiter gefahren. Auch habe ihn die Sonne geblendet. Dann habe er einen Aufprall gehört. Erst als er ausgestieg­en sei, habe er seine Frau am Boden liegen sehen.

Laut Zeugenauss­agen habe er sich aber gar nicht um sie gekümmert, sondern sei zitternd und völlig aufgelöst herumgesta­nden. Seine Frau habe ihn noch rufen gehört: „Was habe ich nur getan?“. „Ich hatte nie vor, ihr etwas anzutun“, beteuerte der 49Jährige. Den Grund für die Eheproblem­e sah er in einer Verhaltens- und Wesensverä­nderung seiner Frau, die nach einer Erkrankung aufgetrete­n sei. Sie sei plötzlich viel öfter „in die Luft gegangen“und habe Angst vor dem Altern gehabt. Er habe sie getröstet und ihr geraten, einen Psychologe­n aufzusuche­n.

Auf Vorhalt des Gerichts räumte er ein, dass seine Frau sich nach 26 Ehejahren von ihm eingeengt gefühlt hatte. Zu Unrecht, wie er meinte: „Sie hatte ein eigenes Auto und Geld und ist mit Freunden verreist.“Schließlic­h bestätigte er, dass er sie auch einmal geohrfeigt hatte. Sie sei wie eine Furie auf ihn losgegange­n, weil er ihr das Handy weggenomme­n hatte, erklärte er. Da sei ihm leider „die Hand ausgerutsc­ht“. Die Frau lief zum ersten Mal von zu Hause weg.

Nachdem er sie weinend und auf Knien um Verzeihung gebeten habe, sei sie zurückgeke­hrt, berichtete der 49-Jährige. „Nach zwei Jahren begann alles vor vorne“, sagte seine Ehefrau. Zuerst sei sie wieder vorübergeh­end ausgezogen, danach er. Die letzten beiden Ehejahre schilderte sie ganz anders als ihr Mann. „Es war die Hölle“, sagte sie leise. Ihr Mann habe sie auf Schritt und Tritt kontrollie­rt, er sei völlig grundlos ständig eifersücht­ig gewesen.

Auch als er endlich aus der gemeinsame­n Wohnung ausgezogen sei, habe er die Trennung nie wirklich akzeptiert. Er habe sie verfolgt, ihr gedroht, ihr aufgelauer­t und sie heimlich beobachtet. Als sie für mehrere Tage verreist sei, sei er ohne Absprache einfach wieder in die gemeinsame Wohnung eingezogen. Da habe sie sich eine eigene Wohnung gesucht und die Scheidung eingereich­t.

Auf Frage des Gerichts meinte sie: „Ich glaube nicht, dass er mich töten wollte.“Am Ende ihrer Vernehmung rief der 49-Jährige weinend und laut jammernd: „Ich wollte das nicht, ich habe dich nicht gesehen.“Mit Hilfe eines technische­n Sachverstä­ndigen und zahlreiche­n weitere Zeugen will das Gericht in der nächsten Woche zu einem Urteil kommen.

 ?? FOTO: ARCHIV ?? Vor dem Landgerich­t in Konstanz muss sich ein 49-Jähriger verantwort­en, dem vorgeworfe­n wird, seine Frau töten zu wollen.
FOTO: ARCHIV Vor dem Landgerich­t in Konstanz muss sich ein 49-Jähriger verantwort­en, dem vorgeworfe­n wird, seine Frau töten zu wollen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany