Das Golden Girl hat ausgedient
Anna Schaffelhuber freut sich auf ihr neues Leben
(dpa) - Bei den Paralympics 2018 in Pyeongchang konnte man schon entsprechende Gedanken heraushören. Jetzt überrascht der Zeitpunkt des Rücktritts von Anna Schaffelhuber aber doch. Fast genau zwischen zwei Winter-Paralympics, kurz vor Beginn der Weltcup-Saison und offenbar ohne Absprache mit dem Verband hat das größte Aushängeschild des deutschen Para-Wintersports seine Karriere für beendet erklärt. Mit gerade mal 26 Jahren.
„Ich habe diese Entscheidung ein wenig mit mir mitgetragen, vor allem im letzten Jahr“, sagte die MonoskiFahrerin. Jetzt ist die bayerische Ausnahmeathletin erleichtert: „Schwer war die Entscheidung nicht. Es war ein Gefühl. Und dieses Gefühl hat sich für mich richtig angefühlt.“Und es ist nachvollziehbar. Anna Schaffelhuber hat alles erreicht mit siebenmal Paralympics-Gold, elf WM-Titeln und sechs Gesamtweltcup-Siegen. „Es fühlt sich komplett an“, sagte die Regensburgerin, sie freue sich „auf neue Herausforderungen“. Es sei „keine Entscheidung gegen den Sport, sondern eine für meine Zukunft, vielleicht auch für eine etwas privatere Zukunft mit etwas anderen Aufgaben.“Schaffelhuber hat im Sommer geheiratet.
„Es ist natürlich sehr schade, wenn eine Weltklasse-Athletin ihren sportlichen Rücktritt erklärt. Anna wird uns fehlen“, sagte der Präsident des Deutschen Behindertensportverband, Friedhelm Julius Beucher. Schaffelhuber hat dem DBS aber weiter ihren Rat angeboten. Derzeit macht sie ihr Referendariat an einer Realschule, ihr Fokus ist nun ein anderer, ohne Trainingspläne und durchgetakteten Winter. „Am Anfang ist es ein Gefühl der Unsicherheit, weil die Struktur fehlt“, sagte sie. „Ich fühle mich aber auch total frei, weil es diesen Punkt, an dem du abliefern musst, nicht mehr gibt. Das entspannt im Kopf.“
Ihre Karriere war aufreibend. Mit 21 gewann die von Geburt an querschnittgelähmte Schaffelhuber bei fünf Starts fünf Mal Gold, wurde zum internationalen Star der Paralympics von Sotschi, zum „Golden Girl“und zur WeltBehindertensportlerin 2015. Sie wurde herumgereicht zwischen TV-Shows, Galas und Sponsorenevents, dazu kamen Sport und Studium. Der Druck war groß, die fünf Siege eine Last auf dem Weg nach Pyeongchang 2018. „Es ist schwierig, allem gerecht zu werden“, sagte sie dort: Zudem habe sie alle Goldmedaillen bereits gewonnen, nun könne sie nur noch welche verlieren. Nach ihrem ersten Sieg in Korea sagte sie: „Ich glaube, kein Mensch auf dieser Erde kann nachfühlen, wie ich mich heute fühle. Ich bin jetzt gelöst und kann von Tag zu Tag schauen.“Nach den Spielen freut sie sich am meisten darüber, „dass ich dem Druck standgehalten habe“. Bei der WM 2019 in Italien holte sie noch zweimal Gold und dreimal Silber.