Zeit für steile Thesen
Tabellen, Titel, Trainerwechsel: Elf Bundesliga-Spieltage sind vorüber – Fünf Behauptungen
- Borussia Mönchengladbach ist – wie schon seit fünf Wochen – am elften Spieltag Tabellenführer der Bundesliga. Vier Punkte beträgt der Vorsprung auf RB Leipzig und den FC Bayern München, der schon seinen Trainer gewechselt hat. Grund genug, vor den anstehenden Länderspielen diese verblüffende Saison zu analysieren. Fünf Thesen der Sportredaktion – bis zur Widerlegung durch die Realität:
1. Gladbachs Höhenflug wird nicht anhalten:
Die Gladbacher Borussen vorn dabei? Kommt einem bekannt vor. Vor einem Jahr unter Hecking gab es bis zum Winter sogar stolze 33 Zähler, es folgte eine enttäuschende Tradition: In den vergangenen zehn Jahren war Gladbachs Rückrunde siebenmal schlechter als die Hinrunde. Mit Trainer Marco Rose scheint die Mannschaft nun konstanter geworden zu sein. Mögen andere wie die Bayern und selbst Freiburg für Schlagzeilen sorgen, Rose punktet wie ein Eichhörnchen. Der 43-Jährige war der „gehypteste Coach von allen“(Jürgen Klopp), und er zeigt, warum. Sein intensives System „schleift sich immer mehr ein“, sagte Sportdirektor Max Eberl nach dem 3:1 gegen Bremen. Erfolgsgarant Nr. 2 ist Marcus Thuram. Der Sohn von Weltmeister Lilian hat es mit bisher fünf Toren und vier Vorlagen zurückgezahlt. Dennoch: Individuell sind andere noch besser besetzt, und das wird am Ende wieder den Ausschlag geben. (zak)
2. RB Leipzig kann Meister:
Man kann viel über die Leipziger motzen. Man kann sie aber auch loben – für ihr erstaunliches Talente-Näschen und den Coup, sich Ralf Rangnick als Spiritus Rector und Julian Nagelsmann als Trainer gesichert zu haben. Der kann RB postwendend zum ersten Titel führen. Warum? Weil keiner besser und unberechenbarer und ausschwärmender angreift als die Leipziger, bei denen jeder Tore schießen kann, nicht nur ein Torjäger namens Robert Lewandowski. Wer 6:1 in Wolfsburg gewinnt, 8:0 gegen Mainz und nebenher ins Achtelfinale der Champions League spaziert, braucht keinen zu fürchten. (zak)
3. Flicks neue Ziellinie wird nicht das Saisonende sein:
Mit zwei Siegen hat sich Hansi Flick vom Gegenwartstrainer
für zwei Spiele zum Hoffnungsträger des Rekordmeister gemausert – ob er wollte oder nicht. Zugegeben: Flick hat in seiner ersten Woche viel bewirkt, seine Idee vom Fußball passt zum Selbstverständnis des FC Bayern. Und doch: Der langjährige Assistent von Joachim Löw macht nicht unbedingt den Eindruck, dass sein Seelenheil von einem Cheftrainerposten abhängen würde.
Flick ist zum FC Bayern zurückgekehrt, weil ihn die langfristige Perspektive reizte, Spieler zu entwickeln – im Team. Sicher: Bis zur Winterpause dürfte es keine Probleme geben. Der richtige Druck – und die heiße Saisonphase – beginnt erst danach. Und dann braucht es einen Coach der das Amt wirklich will. Das wissen auch Bayerns Bosse. Flicks Ziellinie als Cheftrainer wird die Winterpause sein – vielleicht ist bis dahin ja Thomas Tuchel frei. Oder Bayern baggert noch mal bei Erik ten Hag – oder denkt noch mal über Xabi Alonso nach. (fil)
4. José Mourinho und BVB-Boss Hans-Joachim Watzke kuscheln weiter privat:
Nicht wenige Fans kanalisieren ihre Wut auf Trainer Lucien Favre, den für viele zu emotionslosen Trainer von Borussia Dortmund. Da der Traum der schwarz-gelben Nächte, eine Rückkehr von Jürgen Klopp, sich aber derzeit anschickt, nun auch in England Meister zu werden aber überaus unrealistisch ist, schielen einige auf die besondere Lösung: José Mourinho. Bei aller BVB-Krise wäre der 56-jährige Portugiese aber wohl eine kräftige Fehlbesetzung. Auf den Zauderer Favre den Destruktiv-Trainer schlechthin folgen zu lassen, dessen Mannschaften hauptsächlich zerstören (in seinen Manchester-UnitedJahren nicht einmal das) käme wohl nicht einmal den Dortmund-Bossen realistisch in den Sinn. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke muss mit seinem Kumpel also weiter ausschließlich privat verkehren. (falx)
5. Absteigen werden die Teams, die jetzt schon auf den Abstiegsplätzen stehen:
An der Spitze könnte es diese Saison wirklich spannend werden. Das Liga-Ende steht dagegen bereits jetzt fest und wird sich nicht ändern: 1. FC Köln, SC Paderborn und FSV Mainz. Die Gründe: bei Paderborn stimmt die Einstellung, aber nicht die Klasse, Köln hat Klasse aber keinen Plan, Mainz hat gar nichts. (falx)