Österreich plant Maut-Ausnahmen
Vorstoß für freie Fahrt im Pfändertunnel und auf anderen grenznahen Autobahnen
(ume/lby) - Mehrere grenznahe Autobahnabschnitte in Österreich dürfen voraussichtlich bald ohne Vignette befahren werden. Eine entsprechende Ausnahmeregelung für drei Abschnitte bei Bregenz, Kufstein und Salzburg beschloss der Haushaltsausschuss des österreichischen Parlaments am Montagabend mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und Liberalen. Wenn das Parlament wie erwartet zeitnah zustimmt, ist ab 15. Dezember unter anderem die A 14 in Vorarlberg von der Grenze bei Hörbranz bis Hohenems mautfrei – und damit auch der Pfändertunnel. Ziel ist es, Ausweichverkehr im Umfeld der entsprechenden Autobahnabschnitte zu vermeiden. Der Lindauer Landrat Elmar Stegmann (CSU) begrüßte die Entscheidung: „Ich bin mir sicher, dass dies den zunehmenden Verkehr in der ganzen Region entlasten wird.“Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) reagierte erfreut. Das wäre zwar nicht die Lösung aller Probleme, aber ein positives Signal, sagte Söder am Dienstag nach einer Kabinettssitzung in München. „Wenn es so wäre, würde ich mich freuen darüber.“
Österreich und Deutschland liegen derzeit in mehreren verkehrspolitischen Fragen über Kreuz. Strittig sind etwa Fahrverbote auf Stau-Ausweichstrecken in Tirol und die Blockabfertigung von Lastwagen an der Grenze bei Kufstein.
- Kilometerlange Staus kennen die Anwohner im Lindauer Ortsteil Zech zu rGenüge. Die Wagenkolonne schiebt sich an ihren Wohnhäusern vorbei über die Grenze nach Österreich, weiter am Bodenseeufer entlang und schließlich mitten durch die Bregenzer Innenstadt. Am schlimmsten sind die Winterwochenenden, wenn Skifahrer unterwegs in den Urlaub sind, in den Bregenzerwald, ins Montafon oder nach Graubünden. Viele der Autofahrer, die hier unterwegs sind, wollen Geld sparen – und zwar genau 9,20 Euro. So viel kostet derzeit die günstigste Vignette, in Österreich Pickerl genannt, für zehn Tage.
Pünktlich vor Beginn der Wintersportsaison gibt es für die Anwohner beiderseits der Grenze nun eine gute Nachricht aus Wien: Der Haushaltsausschuss des österreichischen Parlaments hat am Montagabend dafür gestimmt, für fünf Autobahnabschnitte die Vignettenpflicht aufzuheben. Einer davon ist die Rheintalautobahn A 14 in Vorarlberg von der Grenze bei Hörbranz bis zur Anschlussstelle Hohenems. Dieser Abschnitt schließt den Pfändertunnel ein, der für Bregenz die einzige Umgehungsstraße darstellt. Wenn hier keine Vignette mehr nötig ist, so das Kalkül, werden viele Autofahrer auf der Autobahn bleiben. Bislang ist es vor allem für Reisende Richtung Schweiz und Italien ein Ärgernis, für wenige österreichische Autobahnkilometer ein Pickerl kaufen zu müssen.
Entsprechend erfreut reagierte der Lindauer Oberbürgermeister Gerhard Ecker (SPD) auf die Nachricht. „Dies wird uns von unnötigem Durchgangsverkehr und damit Lärm und Abgasen entlasten und für mehr Verkehrssicherheit sorgen. Manchmal führt nur hartnäckiges häufiges Nachhaken letztlich zum Erfolg.“Ecker hatte ebenso wie sein Bregenzer Amtskollege Markus Linhart (ÖVP) seit Jahren auf eine Ausnahmeregelung gedrungen. „Mit der jetzigen definitiven Mautbefreiung zwischen Hörbranz und Hohenems kann der Großraum Bregenz nach all den Jahren intensiver Bemühungen um eine tragfähige Lösung endlich aufatmen“, sagte Linhart am Dienstag – verwies aber auch darauf, dass die Zustimmung des Parlamentsplenums zu dem Beschluss des Haushaltsausschusses noch aussteht.
Zuletzt hatten sich auch die Landeshauptleute (Ministerpräsidenten) von Vorarlberg, Tirol und Salzburg, Markus Wallner, Günther Platter und Wilfried Haslauer (alle ÖVP) in Wien für Ausnahmen auf grenznahen Autobahnabschnitten stark gemacht. Wie in Vorarlberg soll nun auch in Tirol und Salzburg jeweils ein Autobahnabschnitt von der Maut befreit werden: In Tirol die Inntalautobahn A 12 bis Kufstein-Süd, in Salzburg die A 1 rund um die Landeshauptstadt bis zur Anschlussstelle Salzburg-Nord. Beide Abschnitte sind berüchtigte Stau-Hotspots. Die Inntalautobahn bei Kufstein ist außerdem wegen der immer wieder vom Land Tirol angeordneten Blockabfertigung von Lastwagen im Fokus der Aufmerksamkeit. Schließlich sollen noch zwei Stadtautobahnabschnitte im oberösterreichischen Linz mautfrei werden – die sind aber teils erst in Bau, teils in Planung.
Parlament muss noch zustimmen
Für das Vorhaben stimmten ÖVP und Grüne, die derzeit in Österreich über eine Koalition verhandeln, sowie die liberalen Neos. SPÖ und FPÖ sprachen sich gegen Maut-Ausnahmen aus. Der SPÖ-Verkehrspolitiker Alois Stöger kritisierte, es handle sich um einen Antrag, „der im Kern ,freie Fahrt für Deutsche auf österreichischen Autobahnen‘ bedeutet“. Verkehrspolitisch und klimapolitisch sei „diese Mautbefreiung für Ausländer ein Holzweg“.
Dem Beschluss muss noch das österreichische Parlament zustimmen. Das könnte schon am Mittwoch geschehen; möglicherweise wird der Tagesordnungspunkt aber auch noch einmal verschoben. Bei einer Zustimmung, die als wahrscheinlich gilt, treten die Ausnahmeregelungen ab 15. Dezember in Kraft. Widerstand kommt aber aus einigen Gemeinden im Rheintal. Hohenems, Altach, Götzis, Dornbirn, Lustenau und das schweizerische Diepoldsau befürchten, dass die Verkehrsprobleme nur auf ihre Gemeindegebiete verlagert werden. Man werde alle Rechtsmittel prüfen, kündigte der Hohenemser Bürgermeister Dieter Egger (FPÖ) am Dienstag an.
Dabei ist es nicht das erste Mal, dass die Rheintalautobahn von der Pickerl-Pflicht ausgenommen wird. Zwischen 2008 und 2013 gab es an der Grenze bei Hörbranz die sogenannte Korridorvignette zu kaufen, die ebenfalls bis Hohenems gültig war. Sie kostete zwei Euro pro Strecke oder vier Euro für Hin- und Rückweg und lag damit deutlich unter dem Preis für das normale Pickerl. Mit der Fertigstellung der zweiten Tunnelröhre des Pfändertunnels hatte das Verkehrsministerium in Wien trotz Protest aus Bregenz und Lindau die Korridorvignette abgeschafft.