Eskalation der Gewalt in Gaza
40 verletzte Zivilisten – Israelische Armee hatte Extremistenführer getötet
(AFP) - Die Tötung eines Anführers der palästinensischen Terrororganisation Islamischer Dschihad durch Israels Armee hat zu einer neuen Gewalteskalation zwischen Israel und den radikalislamischen Kräften in Gaza geführt. Ein Armeesprecher sagte am Dienstag, es gebe „erheblichen“Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen auf Israel. Auf den Beschuss reagierte Israel mit Gegenangriffen. Dabei wurden nach palästinensischen Angaben mindestens fünf Menschen getötet.
(dpa) - Israel hat einen Militärchef der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad bei einem nächtlichen Luftangriff im Gazastreifen gezielt getötet. Militante Palästinenser reagierten auf den Tod von Baha Abu Al Ata und dessen Frau am Dienstag mit massiven Raketenangriffen auf israelische Gebiete. Auch in Tel Aviv heulten mehrfach Sirenen, Explosionen waren zu hören. Die Eskalation löste international Besorgnis aus.
Nach israelischen Medienberichten wurden mehr als 150 Raketen abgefeuert, 60 davon seien vom Abwehrsystem Iron Dome (Eisenkuppel) abgefangen worden. Bei weiteren gezielten Luftangriffen im nördlichen Gazastreifen wurden nach Armeeangaben drei DschihadMitglieder getötet, die Raketen auf Israel abfeuern wollten. Das Gesundheitsministerium in Gaza bestätigte, insgesamt seien am Dienstag fünf Palästinenser getötet worden.
Der Dschihad nannte den tödlichen Angriff auf seinen Militärchef eine „Kriegserklärung“Israels, es seien damit „alle roten Linien überschritten“worden. Nach syrischen Angaben wurden bei einem weiteren Angriff der israelischen Luftwaffe auf einen anderen Dschihad-Führer in Damaskus, Akram Al-Adschuri, zwei Menschen getötet. Al-Adschuri selbst sei nur verletzt worden.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu beschrieb Abu Al Ata als „den zentralen Verantwortlichen für Terrorattacken aus dem Gazastreifen“. Der Militärchef stehe hinter Angriffen mit Hunderten von Raketen und sei dabei gewesen, neue Attacken zu planen. „Er war eine tickende Bombe.“Gleichzeitig betonte Netanjahu, Israel sei nicht an einer weiteren Eskalation interessiert. Israels Armeechef Avi Kochavi sagte, notfalls sei das Militär zu weiteren gezielten Tötungen bereit.
Die Eskalation befeuerte die Furcht vor einem neuen Gaza-Krieg.
Nach Medienberichten bemühen sich Ägypten und die Vereinten Nationen hinter den Kulissen intensiv um eine Beruhigung der Lage.
Angesichts der Eskalation berief die israelische Armee Reservisten ein. Es handele sich um Hunderte Reservesoldaten, sagte ein Sprecher. Die Nachrichtenseite ynet berichtete, sie gehörten vor allem zur Luftwaffe, dem Militärgeheimdienst und dem Zivilschutz. Der neue israelische Verteidigungsminister Naftali Bennett habe zudem in Regionen mit einer Entfernung von bis zu 80 Kilometern vom Gazastreifen eine „Sonderlage“ausgerufen.
Aus dem Gazastreifen abgefeuerte Raketen schlugen nach israelischen Medienberichten direkt in Häusern in Netivot und Kerem Schalom im Süden Israels sowie auf einer dicht befahrenen Schnellstraße südlich von Tel Aviv ein. Nach Angaben des Rettungsdienstes Magen David Adom erlitten rund 40 Israelis bei Raketenangriffen Verletzungen.
In Israel blieben Schulen und Büros vom Süden bis zum Zentrum geschlossen. Der Zugverkehr nahe dem Gazastreifen wurde laut Medienberichten teilweise gestoppt. Die Armee verlegte nach eigenen Angaben verstärkt Truppen ins Grenzgebiet. Die beiden Grenzübergänge von Israel in den Gazastreifen blieben bis auf weiteres geschlossen.
Die Europäische Union forderte ein sofortiges Ende der Raketenangriffe aus dem Gazastreifen und eine rasche Beruhigung der Lage, um das Leben von Israelis und Palästinensern zu schützen. Die Bundesregierung äußerte sich äußerst besorgt und verurteilte den Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen auf das Schärfste. „Es gibt keine Rechtfertigung für Gewalt gegen unschuldige Zivilisten“, hieß es in einer Mitteilung des Auswärtigen Amts.
Der getötete Abu Al Ata war ein Anführer der Al-Kuds-Brigaden, des bewaffneten Arms des Islamischen Dschihad im Gazastreifen. Sie gilt als zweitstärkste Extremistenorganisation nach der islamistischen Hamas. In der Vergangenheit hatten beide Organisationen blutige Terroranschläge in Israel verübt.
In der Vergangenheit hatte Israel immer wieder gezielt militante Palästinenser getötet, darunter Führungsmitglieder der Hamas. Nach dem Gaza-Krieg 2014 hatte das Militär im Rahmen einer Waffenruhe die Praxis weitgehend ausgesetzt.