Südwesten plant eigene Grundsteuer
Nur Grundstücksgröße und Bodenrichtwert sollen zählen – Gebäude spielen bei Berechnung keine Rolle
(kab) - Baden-Württembergs Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) hat ein eigenes Modell zur Grundsteuer vorgeschlagen. In einem Brief an die Fraktionen von Grünen und CDU, der der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt, plädiert sie für eine Bodenwertsteuer. Für die Berechnung dieser Variante der Grundsteuer spielten nur zwei Faktoren eine Rolle: die Fläche des Grundstücks und der Bodenrichtwert. Nicht nur Ulms Oberbürgermeister lobt den Vorstoß.
- Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) liebäugelt mit einem eigenen Grundsteuer-Modell für Baden-Württemberg. In einem Brief an die Vorsitzenden und Finanzexperten der grün-schwarzen Regierungsfraktionen, der der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt, bringt sie eine sogenannte Bodenwertsteuer ins Spiel.
Ab 2025 müssen neue Regeln für die Grundsteuer gelten. Die bisherige Bemessungsgrundlage hatte das Bundesverfassungsgericht als völlig veraltet erklärt und gekippt. Noch dieses Jahr musste der Bund ein neues Modell verabschieden, sonst würde den Kommunen in Deutschland eine der wichtigsten Einnahmequellen wegbrechen. Zuletzt flossen über die Grundsteuer mehr als 14 Milliarden Euro in ihre Kassen. Allein in BadenWürttemberg brachte sie den Kommunen im vergangenen Jahr 1,8 Milliarden Euro. Gezahlt wird die Steuer von allen – Hausbesitzer legen sie auf die Mieter um.
Bundesfinanzminister Scholz hatte ein neues Regelwerk vorgelegt, das sich weiterhin auf den Wert und auf die Fläche einer Immobilie stützt. Dafür müssten alle 35 Millionen Grundstücke in Deutschland neu bewertet werden. Einige Länder bezeichnen das als zu bürokratisch und komplex. Vor allem Bayern forderte, dass die Länder von dem Bundesmodell abweichen dürfen. Seit Freitag ist dies nun beschlossen.
Bayern will die sogenannte Länderöffnungsklausel nutzen. Der Freistaat
strebt ein Modell an, bei dem allein die Fläche der Grundstücke und Gebäude eine Rolle spielen sollen. Dieses Modell befürwortet unter anderem die Immobilienbranche und der Bund der Steuerzahler. Kritiker sehen darin eine ungerechte Gleichmacherei
zugunsten der Eigentümer, deren Grundstücke zentral liegen. So äußerte sich etwa die Initiative „Grundsteuer: Zeitgemäß!“, die sich lange schon für eine Bodenwertsteuer stark macht, die nun auch Finanzministerin Sitzmann vorschlägt.
Eine Bodenwertsteuer wird „allein anhand der Grundstücksfläche und des Bodenrichtwerts berechnet“, schreibt Sitzmann. „Sie beinhaltet eine Wertkomponente, verzichtet jedoch auf die Berücksichtigung des Gebäudes.“Den Bodenrichtwert, also den Wert von Flächen in einem Gebiet, setzen bundesweit Expertenausschüsse fest. Ihren Vorschlag unterfüttert Sitzmann mit einem gut 100-seitigen Entwurf für ein Landesgrundsteuergesetz. Daraus geht hervor, dass die Kommunen weiterhin das letzte Sagen bei der Grundsteuer haben. Sie sind es, die durch Hebesätze die tatsächliche Höhe der Grundsteuer in ihrem Gebiet bestimmen.
Wohnen soll nicht teurer werden
Der Ulmer Oberbürgermeister Gunter Czisch (CDU) lobt Sitzmanns Vorstoß. „Das Bodenwertsteuermodell ist nachhaltig ausgewogen und mit wenig zusätzlicher Bürokratie umzusetzen.“Czisch unterstützt lange schon die Initiative „Grundsteuer: Zeitgemäß!“, zu der sich unter anderem Naturschutzverbände wie Nabu und BUND sowie der Mieterbund bekannt haben. „Ich begrüße den Vorschlag ausdrücklich“, so Czisch.
Ähnlich äußert sich Gudrun Heute-Bluhm vom Städtetag. Eine reine Flächenlösung, wie sie Bayern favorisiert, sei problematisch. „Das Bundesverfassungsgericht
hat gesagt, irgendeine Wertkomponente muss beinhaltet sein.“Rechtssicherheit sei mit Blick auf die Einnahmen durch die Grundsteuer wesentlich. Eine Arbeitsgruppe solle nun dieses Modell im Vergleich mit anderen berechnen.
Zenon Bilaniuk, Landeschef des Bunds der Steuerzahler, sagt zwar: „Es ist deutlich weniger bürokratisch als das Bundesmodell.“Er äußert aber die Befürchtung, dass auf die Steuerzahler höhere Kosten zukommen könnten. Die Bodenrichtwerte seien in Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren deutlich stärker gestiegen als anderswo. „Die CDU würde sich komplett über den Tisch ziehen lassen“, kritisiert er. Die hatte bisher ein Flächenmodell nach bayerischem Vorbild befürwortet.
CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart betont indes ein Hauptziel: „Für uns ist wichtig, dass Wohnen nicht noch teurer wird“, sagt er. „Ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam mit dem Koalitionspartner einen klugen Kompromiss mit Flächenund Bodenbewertung finden können.“Zurückhaltend äußert sich auch die Finanzexpertin der Grünen, Thekla Walker. Zunächst müssten Nutzen, Kosten und Risiken eines eigenen Landesgesetzes geprüft werden. Aber: „Sollte sich Baden-Württemberg für die Öffnungsklausel entscheiden, liegt mit dem auf dem Bodenwertmodell basierenden Vorschlag der Finanzministerin eine gerechte und unbürokratische Alternative zum Bundesmodell vor, die wir Grünen unterstützen.“Ein reines Flächenmodell sei indes ungerecht.