Amtsenthebungsverfahren live im Fernsehen
Zeugen sollen live zu Amtsmissbrauch-Vorwürfen in Ukraine-Affäre aussagen – Was wusste US-Präsident Trump?
- William Taylor, George Kent, Marie Yovanovitch: Es sind Namen, mit denen bis vor einigen Wochen nur Washington-Insider etwas anzufangen wussten. Diese Woche tritt das Trio ins Rampenlicht, wenn im US-Kongress die öffentliche Phase der Anhörungen des Amtsenthebungsverfahrens gegen Präsident Donald Trump beginnt. Hinter verschlossenen Türen haben sie alle stundenlang Fragen beantwortet. Was sie vor laufenden Kameras zu sagen haben, dürfte sich kaum unterscheiden von dem, was sie zu Protokoll gaben. Für die Opposition ist es trotzdem ein Wendepunkt.
Zwei Wochen, bis zum Thanksgiving-Fest Ende November, sollen die „Hearings“dauern. In diesen zwei Wochen will die Opposition der Wählerschaft darlegen, warum sie keine Alternative zu einer Amtsenthebung Trumps sieht. Und da niemand behaupten kann, dass die zu Befragenden treue Parteisoldaten der Demokraten sind, soll dies möglichst überzeugend geschehen.
Ein Beispiel: William Taylor, der 72-jährige Diplomat, der am Mittwoch den Anfang macht, wurde von Außenminister Mike Pompeo aus dem Ruhestand geholt, um interimistisch die Nachfolge der geschassten Botschafterin in Kiew, Marie Yovanovitch, anzutreten. Einst hat er die Militärakademie West Point absolviert, mit einer Luftlandedivision wurde er nach Vietnam beordert, von 2006 bis 2009 war er schon einmal Botschafter in der Ukraine, berufen vom Republikaner George W. Bush.
Ausgeleuchtet werden soll, was jenem Telefonat vorausging und folgte, in dem Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij am 25. Juli um „einen Gefallen“bat, um die Aufnahme von Ermittlungen gegen Joe Biden und dessen Sohn Hunter, der im Aufsichtsrat des Gasunternehmens Burisma gesessen hatte. Mit anderen Worten, um Wahlkampfhilfe gegen einen potenziellen Rivalen.
Nach allem, was man bisher weiß, gab Mick Mulvaney, der Stabschef des Weißen Hauses, eine Woche vor Trumps Gespräch mit Selenskij die Anweisung, 391 Millionen Dollar Militärhilfe für die Ukraine zurückzuhalten.
Dennoch bleiben offene Fragen. Kam die Order, die Auszahlung der Hilfe zu blockieren, von Trump? Oder handelte Mulvaney auf eigene Faust, womöglich in vorauseilendem Gehorsam? Seit wann wusste der Mann im Oval Office Bescheid?
Klar ist zumindest, dass die Republikaner dem eigenen Präsidenten – bis auf wenige Ausnahmen – die Treue halten. Von einer Absetzbewegung kann bislang noch keine Rede sein. Im Gegenteil, Politiker, die früher kritische Worte über Trump fanden, etwa der libertär- konservative Senator Rand Paul, klingen so, als wären sie dessen Sprecher. Letzten Endes, argumentiert Paul, seien doch die Millionen für Kiew im September geflossen, während die Ukraine die Bidens mitnichten ins Visier nehme. Im Grunde gehe es also um nichts. Worauf die Demokraten antworten, dass man mit derselben Logik auch einen versuchten Raubüberfall abhaken könnte: Dem Opfer wurde eine Pistole an den Kopf gehalten, dann schritt die Polizei ein – in diesem Fall der Whistleblower, der intern Alarm schlug –, sodass es glimpflich abging. Niemand, so die Opposition, käme bei einem solchen Szenario auf die Idee, den Angreifer laufen zu lassen.