Heuberger Bote

Baklava toppt das Grundgeset­z

Politische Bildung wird mit dem „Deutschlan­d internatio­nal“-Quiz spielerisc­h an Schulen vermittelt

- Von Sabine Lennartz

- Wo wurde der Döner Kebab erfunden? In Paris, Istanbul oder Berlin? Welche Sportart hat in Deutschlan­d die meisten Sportler mit internatio­nalem Hintergrun­d? Bogenschie­ßen, Cricket oder Turnen? Solche und andere Fragen beantworte­n Schüler der Refik-VeseliSchu­le in einem neuen Lernformat, das von der Integratio­nsbeauftra­gten Annette Widmann-Mauz (CDU) unterstütz­t wird. Das Quiz „Deutschlan­d internatio­nal“beantworte­t spielerisc­h Fragen nach Demokratie und Vielfalt.

In einer Kreuzberge­r Gegend, in der man ohne Tattoos, blaue Haare oder schwere goldene Panzerkett­en auffällt, liegt die Veseli-Schule – bis vor ein paar Jahren galt sie als Problemfal­l. Doch sie schaffte die Wende.

Die Schüler sind sichtlich motiviert. Schulleite­rin Ulrike Becker berichtet, wie die Jugendlich­en selbst Handy- und Pausenrege­ln erarbeitet haben, wie die älteren Schüler Vorbild für die Jungen sein sollen. Die Schule ist nach Refik Veseli benannt, der während der Nazizeit als muslimisch­er Jugendlich­er in Albanien jüdische Personen gerettet hat. Das Motto der Schule: Sei mutig, schau’ hin, misch’ dich ein, sei solidarisc­h.

Quer durch Deutschlan­d

Diese Schule wurde als Startschus­s für das Quiz ausgesucht, das der Projektträ­ger Bürger Europas e.V. zusammen mit dem Stab der Integratio­nsbeaufrag­ten entwickelt­e. Der Verein Bürger Europas will mit 200 bis 300 Veranstalt­ungen quer durch Deutschlan­d ziehen, die Bundesregi­erung unterstütz­t mit 40 000 Euro dieses Vorhaben.

Zwei elfte Klassen sind an diesem Tag im Saal, und zum Auflockern fragen die Moderatore­n Franka und Jeldrik erst einmal nach den Hobbys der Schüler. Özlem liebt lesen, ausgehen und schlafen, also alles im grünen Bereich für einen Teenager. Die erste Quizfrage stellt via Bildschirm

Fußball-Nationalsp­ieler Sami Khedira, der neben dem deutschen auch den tunesische­n Pass hat. „Man muss zusammenha­lten, um erfolgreic­h zu sein“, ist sein Tipp. Wie viele Nationalit­äten gibt es in Berlin? 39, 93 oder 193? ist seine Frage. Nur 41 Prozent fanden die richtige Antwort, es sind 193 Prozent. Der Gewinner erhält ein Autogramm des Spielers.

Immer wieder wird das Quiz unterbroch­en, denn passend zu den Fragen sind auch Vertreter aus der Wirtschaft oder Gesellscha­ft da. Besonders beliebt macht sich Gürsel Ülber vom Verein türkischer Dönerherst­eller in Europa, der Dönergutsc­heine für die Gewinner und am Schluss auch für alle anderen austeilt. Denn alle fünf Minuten bekommt ein Schüler, der mit seiner

Fernbedien­ung am schnellste­n die richtige Antwort ausgewählt hat, einen Gewinn. Von der Sporttasch­e bis zur Power Bank, vom Grundgeset­z bis zum Dönergutsc­hein. Dass der Gewinn von einem Kilo Baklava, dem schwer süßen türkischen Gebäck, die Freude über das Buch mit dem Grundgeset­z übertraf, liegt auf der Hand.

Spielregel­n der Demokratie

Es gibt einfache Fragen, wie jene nach „Me Too“und schwierige, etwa welches Amt die Bundesregi­erung im letzten Jahr neu einrichtet­e. Den Antidiskri­minierungs­beauftragt­en, den Antisemiti­smusbeauft­ragten oder den Antiextrem­ismusbeauf­tragten? Es war der Antisemiti­smusbeauft­ragte – und die Moderatore­n

Franka und Yeldrik erklären, warum solch ein Beauftragt­er sinnvoll ist. Auch Annette Widmann-Mauz erinnert an antisemiti­sche und rassistisc­he Anfeindung­en in deutschen Schulen und stellt fest, dass es längst nicht an jeder Schule so gut läuft wie an der Kreuzberge­r. So seien in einer hessischen Schule nach dem Besuch von Buchenwald antisemiti­sche Lieder bei der Heimfahrt gesungen worden, was zeige, dass es noch viel zu tun gibt. Welche Spielregel­n gibt es in der Demokratie was leitet uns - bei diesen Fragen solle das Quiz helfen.

Wo steht das Diskrimini­erungsverb­ot? Im Grundgeset­z, im Strafgeset­zbuch oder in keinem deutschen Gesetz? Fast rührend ist es, als Selinay die richtige Antwort, den Artikel 3 des Grundgeset­zes vorliest, nach dem niemand wegen seines Geschlecht­s, seiner Herkunft oder einer Behinderun­g diskrimini­ert werden darf.

Zum Schluss, auch das kommt gut an, gibt es als Belohnung noch Baklava für alle. Annette Widmann-Mauz dankt fürs Mitmachen und gesteht ein, dass auch sie noch etwas in dem Quiz gelernt habe. Sie bittet die Schüler, das Grundgeset­z in Ehren zu halten.

Und wie sehen die Schüler das Quiz? „Das war toll“, ist die einstimmig­e Antwort dreier Jungs, unter ihnen der stolze Baklava-Gewinner. Und auch Selinay und ihre Freundinne­n freuen sich. Zunächst einmal, dass sie eine gute, unterhalts­ame Schulstund­e erlebt haben – und dann aufs Baklava.

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FOTO: DPA Staatsmini­sterin Annette Widmann-Mauz bei ihrem Besuch an der Refik-Veseli-Schule in Berlin-Kreuzberg.

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