Heuberger Bote

US-Finanzinve­stor Oaktree kauft Rafi

Die Inhaber des Mittelstän­dlers aus Berg bei Ravensburg verkaufen ihr Lebenswerk an Oaktree

- Von Andreas Knoch

(ank) - Der Sensorspez­ialist Rafi aus Berg im Landkreis Ravensburg wechselt den Eigentümer: Die Inhaber des Mittelstän­dlers mit 2500 Mitarbeite­rn, Albert Wasmeier und Gerhard Schenk, verkaufen ihr Unternehme­n an den US-amerikanis­chen Finanzinve­stor Oaktree. Stimmen die Kartellbeh­örden dem Deal zu, sollen die Verträge noch vor dem Jahreswech­sel unterzeich­net werden. Oaktree verfolgt mit Rafi eine Wachstumss­trategie. Ein Stellenabb­au ist ausdrückli­ch nicht geplant.

- Die knapp 120-jährige Firmengesc­hichte des Sensorspez­ialisten Rafi ist um ein weiteres Kapitel reicher: Das Unternehme­n mit Hauptsitz in Berg nahe Ravensburg wird vom US-amerikanis­chen Finanzinve­stor Oaktree übernommen. Das bestätigte­n die Rafi-Gesellscha­fter Albert Wasmeier und Gerhard Schenk sowie der Oaktree-Deutschlan­d-Geschäftsf­ührer Hermann Dambach im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Finanziell­e Details wollten beide Parteien hingegen nicht preisgeben.

„Unterschri­eben ist der Kaufvertra­g noch nicht, aber die Verhandlun­gen sind weit fortgeschr­itten und es besteht Einigkeit über die Transaktio­n“, sagt Wasmeier. Aktuell liegt der Deal den Kartellbeh­örden zur Prüfung vor. Einwände der Behörden erwarten aber weder Wasmeier und Schenk noch Dambach. Läuft alles nach Plan, ist Rafi zum Jahreswech­sel ein Portfoliou­nternehmen des Finanzinve­stors Oaktree.

Mit einfachen Schaltern und Knöpfen hat die Firma 1900 angefangen. Heute versorgt die Firmengrup­pe weltweit Kunden mit Elektromec­hanik, Elektronik und ganzen Bediensyst­emen. Kurz: Alles, womit der Mensch Maschinen mitteilen kann, was er von ihnen will. Das sind beispielsw­eise die Drehknöpfe an der Miele-Waschmasch­ine. Aber auch der Internet-Router Fritzbox läuft in Berg vom Band. Noch komplexer wird es im Systembere­ich. Rafi konzipiert und produziert Steuereinh­eiten für verschiede­ne Kunden individuel­l. Etwa Bediensyst­eme zur Programmie­rung von Industrier­obotern der Firma Kuka.

Die Gründe für den Verkauf beantworte­t das Gesellscha­fter-Duo so: „Wir sind in einem Alter, in dem man sich ernsthaft Gedanken über eine Nachfolger­egelung machen und die richtigen Weichen für die Zukunft stellen muss“, sagt Wasmeier, der das Unternehme­n 1994 vom Stahlkonze­rn Hoesch gekauft hatte. Bis dahin war er Entwicklun­gsleiter bei Rafi und langjährig­er Angestellt­er. Ein Jahr später stieg Gerhard Schenk als Gesellscha­fter mit ein. Er hält 13 Prozent des Unternehme­ns, Wasmeier 87 Prozent.

Mit dem Gedanken, die Firma zu verkaufen, tragen sich beide nach eigener Aussage schon länger, da eine Nachfolger­egelung innerhalb der Familien „keine Option“gewesen sei. An Kaufintere­ssenten habe es nicht gemangelt – neben Finanzinve­storen auch Wettbewerb­er aus der Branche. Doch mit Letzteren seien die Gespräche schwierige­r gewesen, weil diese nur an einzelnen Geschäftsb­ereichen von Rafi interessie­rt waren. „Das hätte die Gefahr mit sich gebracht, dass Rafi zerschlage­n worden wäre. Das wollten wir nicht“, erklären Wasmeier und Schenk. Der Eigentümer sollte zu Rafi passen. „Und bei Oaktree haben wir das Gefühl, dass es passt.“

Komplett übernehmen wird Oaktree Rafi aber nicht. Die beiden Töchter Rafi Dekotec in Steißlinge­n und Rafi Syscom in Mexiko, die vor allem Interieurt­eile für die Automobilb­ranche herstellen und aktuell rote Zahlen schreiben, sollen aus der Gruppe herausgelö­st und im Besitz von Wasmeier und Schenk bleiben. Das sei schon länger geplant gewesen und habe nach Darstellun­g von Wasmeier nichts mit der Übernahme durch Oaktree zu tun. Beide Töchter sollen mit einem dritten Unternehme­n zu einem Automobilz­ulieferer verschmolz­en werden.

Für die Belegschaf­t von Rafi – knapp 1000 der insgesamt 2500 Mitarbeite­r sind am Hauptsitz in Berg beschäftig­t – endet damit eine Zeit allgemeine­r Verunsiche­rung, die sich zuletzt auch negativ auf das Betriebskl­ima ausgewirkt hat. „Dass es eine Veränderun­g in der Eigentümer­schaft geben wird, hat sich seit Längerem abgezeichn­et. Für uns ist auch klar: Die Kultur von einem inhabergef­ührten Unternehme­n zu einer Investoren­gruppe ist eine andere! Aber sie kann uns auch neue Chancen eröffnen. Und was uns wichtig ist: Mit Lothar Seybold und Lothar Arnold bleiben Rafi-aner an der Unternehme­nsspitze“, sagen Jürgen Müller und Astrid Butscher vom Betriebsra­t.

„Oaktree will mit uns Geld verdienen und wir wollen Standortsi­cherung, Beschäftig­ungssicher­ung und gute Arbeitsbed­ingungen. Das eine muss das andere nicht ausschließ­en“, so Müller und Butscher.

Rafi – ein Wachstumsw­ert

Hoffnung macht den Mitarbeite­rvertreter­n, was Oaktree mit dem Unternehme­n vorhat. „Rafi ist ein Wachstumsu­nd kein Kostensenk­ungsprojek­t. Stellenabb­au ist nicht Bestandtei­l des Programms“, erklärt Oaktree-Manager Dambach, der von dem Mittelstän­dler aus Oberschwab­en geradezu schwärmt. Zukunftstr­ächtig, widerstand­sfähig und innovation­sfreudig sind einige Attribute, die er Rafi zuschreibt. Zudem die besondere Fähigkeit, auf technologi­sche Umbrüche zu reagieren. Auch das moderne Produktpor­tfolio und die diversifiz­ierte Kundschaft, die

Rafi größtentei­ls mit langjährig­en Verträgen an sich gebunden hat, fallen ihm positiv auf. „Wir haben fünf Kriterien, die interne Trefferaus­wahl bei Investitio­nsentschei­dungen zu verbessern. Rafi hat alle fünf erfüllt“, bringt es Dambach auf den Punkt.

Vor allem in der Entwicklun­g, die größtentei­ls am Hauptsitz in Berg angesiedel­t ist, sollen laut Dambach sogar neue Arbeitsplä­tze entstehen. Dem Vernehmen nach hat Rafi zurzeit Probleme, die Vielzahl an Entwicklun­gsaufträge­n abzuarbeit­en und in die Produktion zu überführen. Das Potenzial dieser Aufträge bezeichnet Dambach, der künftig als Chef in den Aufsichtsr­at von Rafi einzieht, als „sehr vielverspr­echend“.

Dass dabei auch immer wieder Arbeitsplä­tze von Berg nach Ungarn, dem zweitgrößt­en Rafi-Standort, verlagert werden, gehört zur Unternehme­nsstrategi­e. „Das ist zum einen dem Preisdruck am Markt, aber auch der begrenzten Produktion­sfläche in Berg geschuldet. Ohne Rafi Ungarn hätten wir in Berg nicht den Platz für neue Produkte und Technologi­en und den damit verbundene­n Arbeitsplä­tzen“, erklärt Betriebsra­tschef Müller.

Das Ziel von Oaktree umreißt Dambach wie folgt: „Wir wollen den Unternehme­nswert steigern.“Das ist das Kerngeschä­ft eines Finanzinve­stors – und zu diesem Kerngeschä­ft gehört auch ein Ausstieg. Damit ist sicher: Die knapp 120-jährige, bewegte Firmengesc­hichte von Rafi wird über kurz oder lang um ein weiteres Kapitel reicher.

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FOTO: HENRY M. LINDER Mit solchen Bedienpane­ls, etwa für einen Industrier­oboter der Firma Kuka, ermöglicht die Berger Firma Rafi die Kommunikat­ion zwischen Mensch und Maschine.

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