US-Finanzinvestor Oaktree kauft Rafi
Die Inhaber des Mittelständlers aus Berg bei Ravensburg verkaufen ihr Lebenswerk an Oaktree
(ank) - Der Sensorspezialist Rafi aus Berg im Landkreis Ravensburg wechselt den Eigentümer: Die Inhaber des Mittelständlers mit 2500 Mitarbeitern, Albert Wasmeier und Gerhard Schenk, verkaufen ihr Unternehmen an den US-amerikanischen Finanzinvestor Oaktree. Stimmen die Kartellbehörden dem Deal zu, sollen die Verträge noch vor dem Jahreswechsel unterzeichnet werden. Oaktree verfolgt mit Rafi eine Wachstumsstrategie. Ein Stellenabbau ist ausdrücklich nicht geplant.
- Die knapp 120-jährige Firmengeschichte des Sensorspezialisten Rafi ist um ein weiteres Kapitel reicher: Das Unternehmen mit Hauptsitz in Berg nahe Ravensburg wird vom US-amerikanischen Finanzinvestor Oaktree übernommen. Das bestätigten die Rafi-Gesellschafter Albert Wasmeier und Gerhard Schenk sowie der Oaktree-Deutschland-Geschäftsführer Hermann Dambach im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Finanzielle Details wollten beide Parteien hingegen nicht preisgeben.
„Unterschrieben ist der Kaufvertrag noch nicht, aber die Verhandlungen sind weit fortgeschritten und es besteht Einigkeit über die Transaktion“, sagt Wasmeier. Aktuell liegt der Deal den Kartellbehörden zur Prüfung vor. Einwände der Behörden erwarten aber weder Wasmeier und Schenk noch Dambach. Läuft alles nach Plan, ist Rafi zum Jahreswechsel ein Portfoliounternehmen des Finanzinvestors Oaktree.
Mit einfachen Schaltern und Knöpfen hat die Firma 1900 angefangen. Heute versorgt die Firmengruppe weltweit Kunden mit Elektromechanik, Elektronik und ganzen Bediensystemen. Kurz: Alles, womit der Mensch Maschinen mitteilen kann, was er von ihnen will. Das sind beispielsweise die Drehknöpfe an der Miele-Waschmaschine. Aber auch der Internet-Router Fritzbox läuft in Berg vom Band. Noch komplexer wird es im Systembereich. Rafi konzipiert und produziert Steuereinheiten für verschiedene Kunden individuell. Etwa Bediensysteme zur Programmierung von Industrierobotern der Firma Kuka.
Die Gründe für den Verkauf beantwortet das Gesellschafter-Duo so: „Wir sind in einem Alter, in dem man sich ernsthaft Gedanken über eine Nachfolgeregelung machen und die richtigen Weichen für die Zukunft stellen muss“, sagt Wasmeier, der das Unternehmen 1994 vom Stahlkonzern Hoesch gekauft hatte. Bis dahin war er Entwicklungsleiter bei Rafi und langjähriger Angestellter. Ein Jahr später stieg Gerhard Schenk als Gesellschafter mit ein. Er hält 13 Prozent des Unternehmens, Wasmeier 87 Prozent.
Mit dem Gedanken, die Firma zu verkaufen, tragen sich beide nach eigener Aussage schon länger, da eine Nachfolgeregelung innerhalb der Familien „keine Option“gewesen sei. An Kaufinteressenten habe es nicht gemangelt – neben Finanzinvestoren auch Wettbewerber aus der Branche. Doch mit Letzteren seien die Gespräche schwieriger gewesen, weil diese nur an einzelnen Geschäftsbereichen von Rafi interessiert waren. „Das hätte die Gefahr mit sich gebracht, dass Rafi zerschlagen worden wäre. Das wollten wir nicht“, erklären Wasmeier und Schenk. Der Eigentümer sollte zu Rafi passen. „Und bei Oaktree haben wir das Gefühl, dass es passt.“
Komplett übernehmen wird Oaktree Rafi aber nicht. Die beiden Töchter Rafi Dekotec in Steißlingen und Rafi Syscom in Mexiko, die vor allem Interieurteile für die Automobilbranche herstellen und aktuell rote Zahlen schreiben, sollen aus der Gruppe herausgelöst und im Besitz von Wasmeier und Schenk bleiben. Das sei schon länger geplant gewesen und habe nach Darstellung von Wasmeier nichts mit der Übernahme durch Oaktree zu tun. Beide Töchter sollen mit einem dritten Unternehmen zu einem Automobilzulieferer verschmolzen werden.
Für die Belegschaft von Rafi – knapp 1000 der insgesamt 2500 Mitarbeiter sind am Hauptsitz in Berg beschäftigt – endet damit eine Zeit allgemeiner Verunsicherung, die sich zuletzt auch negativ auf das Betriebsklima ausgewirkt hat. „Dass es eine Veränderung in der Eigentümerschaft geben wird, hat sich seit Längerem abgezeichnet. Für uns ist auch klar: Die Kultur von einem inhabergeführten Unternehmen zu einer Investorengruppe ist eine andere! Aber sie kann uns auch neue Chancen eröffnen. Und was uns wichtig ist: Mit Lothar Seybold und Lothar Arnold bleiben Rafi-aner an der Unternehmensspitze“, sagen Jürgen Müller und Astrid Butscher vom Betriebsrat.
„Oaktree will mit uns Geld verdienen und wir wollen Standortsicherung, Beschäftigungssicherung und gute Arbeitsbedingungen. Das eine muss das andere nicht ausschließen“, so Müller und Butscher.
Rafi – ein Wachstumswert
Hoffnung macht den Mitarbeitervertretern, was Oaktree mit dem Unternehmen vorhat. „Rafi ist ein Wachstumsund kein Kostensenkungsprojekt. Stellenabbau ist nicht Bestandteil des Programms“, erklärt Oaktree-Manager Dambach, der von dem Mittelständler aus Oberschwaben geradezu schwärmt. Zukunftsträchtig, widerstandsfähig und innovationsfreudig sind einige Attribute, die er Rafi zuschreibt. Zudem die besondere Fähigkeit, auf technologische Umbrüche zu reagieren. Auch das moderne Produktportfolio und die diversifizierte Kundschaft, die
Rafi größtenteils mit langjährigen Verträgen an sich gebunden hat, fallen ihm positiv auf. „Wir haben fünf Kriterien, die interne Trefferauswahl bei Investitionsentscheidungen zu verbessern. Rafi hat alle fünf erfüllt“, bringt es Dambach auf den Punkt.
Vor allem in der Entwicklung, die größtenteils am Hauptsitz in Berg angesiedelt ist, sollen laut Dambach sogar neue Arbeitsplätze entstehen. Dem Vernehmen nach hat Rafi zurzeit Probleme, die Vielzahl an Entwicklungsaufträgen abzuarbeiten und in die Produktion zu überführen. Das Potenzial dieser Aufträge bezeichnet Dambach, der künftig als Chef in den Aufsichtsrat von Rafi einzieht, als „sehr vielversprechend“.
Dass dabei auch immer wieder Arbeitsplätze von Berg nach Ungarn, dem zweitgrößten Rafi-Standort, verlagert werden, gehört zur Unternehmensstrategie. „Das ist zum einen dem Preisdruck am Markt, aber auch der begrenzten Produktionsfläche in Berg geschuldet. Ohne Rafi Ungarn hätten wir in Berg nicht den Platz für neue Produkte und Technologien und den damit verbundenen Arbeitsplätzen“, erklärt Betriebsratschef Müller.
Das Ziel von Oaktree umreißt Dambach wie folgt: „Wir wollen den Unternehmenswert steigern.“Das ist das Kerngeschäft eines Finanzinvestors – und zu diesem Kerngeschäft gehört auch ein Ausstieg. Damit ist sicher: Die knapp 120-jährige, bewegte Firmengeschichte von Rafi wird über kurz oder lang um ein weiteres Kapitel reicher.