Kleine Gemeinden und Städte kämpfen ums Geld
Kommunen mit großer Fläche sollen mehr bekommen – Größere Städte befürchten massive Einbußen
- Auf dem Land sind die Wege weit. Manche Gemeinde hat wenige Einwohner, die verteilen sich aber auf großer Fläche. Die Folge: Die Gemeinde hat hohe Kosten, um sie alle zu versorgen – etwa mit Wasser oder Internet. Landesgeld bekommen die 1101 Kommunen im Südwesten bislang auf Basis der Einwohnerzahl. Das ist ungerecht, finden die CDU und der Gemeindetag, der die kleineren Kommunen vertritt. Sie pochen auf den grün-schwarzen Koalitionsvertrag. Darin haben sich die Koalitionspartner 2016 auf einen „Flächenfaktor“verpflichtet. Sollte der kommen, befürchtet der Städtetag harte Einbußen für einige wenige Städte. Den Streit befrieden könnte nur zusätzliches Landesgeld.
In diesem Punkt sind sich Gemeindetag und Städtetag einig: Niemand soll durch eine Reform der Zuweisungen vom Land finanziell schlechter dastehen als zuvor. Allein, der Städtetag glaubt nicht daran. Finanzministerin Edith Sitzmann und ihre Grünen-Fraktion wollen kein frisches Geld ins bestehende System geben. Fläche allein gebe keinerlei Hinweis darauf, ob eine Gemeinde einen höheren Bedarf habe oder nicht. Sie sprechen von einem „Gießkannenprinzip“, wonach Geld verteilt werde.
Roger Kehle (CDU), Präsident des Gemeindetags, wehrt sich gegen diesen Begriff. Im äußerst komplexen Finanzgefüge zwischen Kommunen und Land und zwischen den Städten und Gemeinden untereinander sei die Bedürftigkeit längst enthalten. Zugute käme neues Geld ohnehin nur Gemeinden, die das benötigten. „Wir wollen die Flächengemeinden in die Lage versetzen, ihre Aufgaben zu bewältigen“, so Kehle.
Der Gemeindetag hat berechnet, was es bedeuten würde, einen Flächenfaktor mit zunächst fünf Prozent einzubeziehen. Für 2018 hätte es dafür zusätzliche 207 Millionen Euro vom Land gebraucht. Laut dieser Berechnung hätte etwa Sigmaringen eine halbe und Aalen eine knappe Million Euro mehr zur Verfügung gehabt, Ravensburg 770 000 Euro und Friedrichshafen 870 000 Euro. Nur wenige Kommunen wie Biberach bekämen gar kein zusätzliches Geld.
Perspektivisch soll der Flächenfaktor auf mindestens zehn Prozent anwachsen.
Auch der Städtetag hat gerechnet – und zwar auf Basis des bisherigen Geldes. Wenn es kein frisches Geld gibt, der Flächenfaktor dennoch kommt, folgt automatisch eine Umverteilung. Die Folge: Großstädte büßten demnach die größten Summen ein – allen voran Stuttgart mit 20 Millionen Euro. Aalen hätte etwa eine Viertel Million Euro weniger,
Friedrichshafen 150 000 Euro und Ravensburg rund 100 000 Euro. Größter Gewinner der Umverteilung wäre Bad Wurzach (plus 200 000 Euro), unter anderem Ostrach, Leutkich, Kißlegg, Bad Waldsee und Ellwangen hätten rund 150 000 Euro mehr gehabt. Gudrun Heute-Bluhm (CDU), geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags, sieht Belastung bei den Großen bei nur wenig Nutzen für die Kleinen. Sinnvoller als ein Flächenfaktor sei es, Programme für bestimmte Aufgaben gezielt zu stärken.
Über den Flächenfaktor werden die Regierungspartner am Freitag ringen. Dann trifft sich die Haushaltskommission. Sie will das Thema abräumen – ob es ihr gelingt, ist indes offen. Wenn nicht, will die CDUFraktion trotzdem Fakten schaffen. Der Ellwanger Abgeordnete Winfried Mack hatte das Thema in einer CDU-Arbeitsgruppe federführend vorangetrieben. Seine Fraktion sei bereit, durch frisches Geld vom Land den Flächenfaktor so einzuführen, dass niemand benachteiligt werde.