Heuberger Bote

Jobcenter müssen Strafen verringern

Nach Verfassung­sgerichtsu­rteil zu Hartz IV hat sich die Lage der Betroffene­n verbessert

- Von Hannes Koch

- Hartz IV-Leistungen dürfen nur noch um höchstens 30 Prozent gekürzt werden – das hat die Bundesagen­tur für Arbeit nun angekündig­t. „Die Jobcenter sind verpflicht­et, zu hohe Kürzungen selbst zu widerrufen“, erklärte Juristin Margret Böwe vom Sozialverb­and VdK. Tun sie das nicht, sollten die betroffene­n Empfängeri­nnen und Empfänger dies schnell schriftlic­h verlangen.

In seinem Urteil vom 5. November kippte das oberste deutsche Gericht die härtesten Sanktionen, gegen die sich Bezieher von Hartz IV immer wieder wehrten. Nun darf das Arbeitslos­engeld II nicht mehr zu 60 oder gar 100 Prozent einbehalte­n werden, wenn Empfänger beispielsw­eise Maßnahmen und Arbeitsang­ebote ausschlage­n. Auch Kürzungen der Zuschüsse zu den Wohn- und Heizkosten, sowie der Beiträge zur

Sozialvers­icherung sind untersagt. Hartz IV solle das Existenzmi­nimum sichern, begründete das Gericht, und diese Garantie dürfe man nicht untergrabe­n.

Relevant ist das Urteil unter anderem für Verfahren, bei denen die Sanktionen zur Zeit greifen. In diesen Fällen würden Abzüge von 60 oder 100 Prozent jetzt „auf 30 Prozent reduziert", sagte Agentur-Chef Detlef Scheele. Betroffene können auch versuchen, dass die Jobcenter ihnen einbehalte­nes Geld nachzahlen, wenn die Sanktion seit dem Verfassung­sgerichtsu­rteil über 30 Prozent hinausging.

Außerdem geht es um Bescheide der Jobcenter, die noch nicht umgesetzt werden, weil sie rechtlich umstritten sind. Innerhalb der gesetzlich­en Fristen sollte man dann Widerspruc­h einlegen und dabei auch auf das Urteil des Verfassung­sgerichts verweisen, sagte Beraterin Böwe. Außerdem können die Betroffene­n darauf dringen, dass die Kürzung nicht mehr wie bisher zwingend für drei Monate gilt.

Einen weiteren Weg hält Werner Altmann von der Sozialbera­tung Friga in Freiburg für möglich. „Selbst wenn die Sanktion schon länger zurücklieg­t, kann es sich nun lohnen, rückwirken­d eine Überprüfun­g zu beantragen“, so Altmann. Der fragliche Bescheid der Behörde dürfe allerdings nur maximal zwei Jahre alt sein. Der Antrag auf Überprüfun­g solle mit einer plausiblen Begründung erfolgen. Erlasse das Jobcenter dann einen neuen positiven oder negativen Bescheid, könne man dagegen Widerspruc­h einlegen, meint Altmann. Damit sei das Verfahren wieder eröffnet, und das Jobcenter müsse auch das Verfassung­sgerichtsu­rteil berücksich­tigen. So könnten Betroffene versuchen, sich früher entgangene­s Geld nachzahlen zu lassen. Praktische Erfahrunge­n mit dieser Taktik gibt es aber noch nicht.

VdK-Juristin Böwe ist jedoch skeptisch: „Wir würden das in unserer Beratung nicht empfehlen.“Denn das Verfassung­sgericht habe in seinem Urteil ziemlich klar formuliert, dass ältere Bescheide weiterhin Bestand hätten. Eine juristisch­e Klärung, wie von Altmann skizziert, würde Böwe aber mit Interesse beobachten.

Wer Probleme mit dem Jobcenter und den Hartz IV-Leistungen hat, kann sich unter anderem an die örtlichen Beratungss­tellen von Verbänden wie Caritas, Diakonie oder VdK wenden. Auch die Partei Die Linke bietet Beratung an. Außerdem gibt es private Organisati­onen wie Tacheles. Will man gegen einen Bescheid des Jobcenter vor Gericht klagen, mag es sinnvoll sein, Anwältinne­n und Anwälte zu beauftrage­n. Auf Antrag gewähren die Amtsgerich­te Beratungsu­nd Prozesskos­tenhilfe. Um sie zu erhalten, muss man beispielsw­eise mit Kontoauszü­gen nachweisen, dass man nicht genug Geld hat.

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FOTO: DPA Weil Hartz IV das Existenzmi­nimum sichern soll, dürfen die Leistungen nur noch um höchstens 30 Prozent gekürzt werden.

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